TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/4 88/05/0118

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Veröffentlicht am 04.04.1991
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
L82259 Garagen Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1;
AVG §52;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §4 Abs2;
BauO Wr §6 Abs8;
BauO Wr §60;
BauO Wr §70;
BauRallg;
GaragenG Wr 1957 §6 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1) des J und 2) der K gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. März 1988, Zl. MDR-B XIV-27-29/87, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: N-Aktiengesellschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erteilte der Wiener Magistrat mit Bescheid vom 9. April 1987 der Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Tankstelle samt Nebenräumen auf der Liegenschaft Wien nn.,

X-Straße 135 - 137, unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen. Die Einwendungen der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer und anderer Nachbarn wegen einer befürchteten Lärm- und Geruchsbelästigung bzw. einer Verschlechterung der Verkehrssituation wurden als unbegründet abgewiesen. Der Abspruch über die Einwendungen der Nachbarn wurde mit dem Ergebnis der eingeholten Gutachten näher begründet.

Auf Grund der dagegen von den Beschwerdeführern und der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer erhobenen Berufung ergänzte die Bauoberbehörde für Wien das in erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren und wies sodann mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer als unzulässig zurück. Die Berufung der Beschwerdeführer wies die Berufungsbehörde ab, ergänzte jedoch den erstinstanzlichen Bescheid mit der Vorschreibung, daß die Tankstelle in der Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr nicht betrieben werden darf. Begründend vertrat die Verwaltungsbehörde die Ansicht, daß die in der Berufung erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführer bezüglich des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes präkludiert seien, sie wären aber auch inhaltlich nicht zielführend, weil dadurch, daß auf einer Liegenschaft ein niedrigeres Gebäude errichtet werde, als nach dem Bebauungsplan zulässig, subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn nicht berührt werden. Gegen ein unzulässiges Ausmaß von Immissionen schütze aber die Einhaltung einer Bauklasse nicht. Jene Bestimmungen, die den Schutz der Nachbarn vor Immissionen gewährleisten sollen, seien im vorliegenden Fall § 6 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes und § 6 Abs. 8 der Bauordnung für Wien (BO), weil nach dem Flächenwidmungsplan die Widmung gemischtes Baugebiet-Betriebsbaugebiet festgesetzt sei. Die Beschwerdeführer hätten jenes Ausmaß an Immissionen hinzunehmen, das im gemischten Baugebiet schlechthin zulässig sei. Die zusätzliche Festsetzung eines Betriebsbaugebietes verschlechtere ihre rechtliche Stellung im Hinblick auf § 6 Abs. 8 BO nicht. Andererseits bleibe es im baubehördlichen Verfahren aber gleichgültig, welche Widmung jene Grundflächen aufwiesen, die Eigentum der Nachbarn seien. Der Berufungsbehörde stünden ein von der Mitbeteiligten beigebrachtes schalltechnisches Gutachten sowie Gutachten der Amtssachverständigen für Umwelttechnik (Lärm und Abgase) und eines medizinischen Amtssachverständigen zur Beurteilung der Immissionen zur Verfügung. Aus rechtlicher Sicht sei dazu vorweg festzuhalten, daß der Feststellung der gegebenen örtlichen Verhältnisse (dem sogenannten Ist-Maß) im baubehördlichen Bewilligungsverfahren, anders als im gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, keine entscheidende Bedeutung zukomme. Anläßlich der im Jahre 1975 erfolgten Novellierung des Wiener Garagengesetzes sei der Gesetzgeber ausdrücklich von der Maßgeblichkeit des ortsüblichen Ausmaßes an Immissionen abgegangen und habe das Widmungsmaß zum entscheidenden Kriterium erklärt. Dies komme in der Bestimmung des § 6 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes zum Ausdruck. Aus diesem Grunde komme jenen Feststellungen im schalltechnischen Gutachten, die sich mit der derzeitigen Lärmbelastung im Bereich der geplanten Tankstelle befassen, für den Verfahrensausgang keine Bedeutung zu. Es erübrige sich auch eine nähere Befassung mit der Frage, ob der Privatsachverständige die Situation richtig und unter Bedachtnahme auf die dort vorherrschenden Wetterbedingungen dargestellt habe. Wesentlich sei jener Teil des Privatgutachtens, in dem jene Immissionen dargestellt werden, die der Gutachter von dem geplanten Tankstellenbetrieb erwarte. Der Privatsachverständige habe nun in Anlehnung an die ÖNORM S 5010 die zu erwartenden Lärmimmissionen als mittlere äquivalente Dauerschallpegel sowie einzelne Spitzenpegel berechnet. Bei der Ermittlung der Lärmimmissionen sei er von Erfahrungswerten und von Vergleichsmessungen an einer Tankstelle an der Triester Straße ausgegangen. So komme der Privatgutachter zu einer die Liegenschaft der Beschwerdeführer belastenden, durch die Tankstelle verursachten Lärmimmission von 17 dB (äquivalenter Dauerschallpegel) und Spitzenwerten von 27 dB. Insgesamt erwarte der Privatsachverständige beim Wohnhaus, somit in 15 m Entfernung von der Tankstelle, Lärmimmissionen mit einem Mittelwert von 41 dB und Spitzen bis zu 56 dB. Der von der Mitbeteiligten beigezogene Privatsachverständige habe jene Lärmimmissionen nicht berücksichtigt, die durch die geplante Betankung von Lastkraftwagen entstehen könnten. Dazu habe der umwelttechnische Amtssachverständige des Wiener Magistrates im Berufungsverfahren ausgeführt, daß bei einem Schwerverkehrsanteil zwischen 10 und 20 Prozent mit einer Steigerung von ca. 2 bis 3 dB zu rechnen sei. Dabei habe er sich auf die ÖAL-Richtlinie Nr. 23 berufen, die einschließlich der Lkw-Betankung von einem Wert von 48 dB(A) ausgehe. Im übrigen seien die Ausführungen des Privatsachverständigen, die dieser im Berufungsverfahren durch einen weiteren Schriftsatz ergänzt habe, vom Amtssachverständigen als inhaltlich richtig und dem derzeitigen Stand der Technik entsprechend bezeichnet worden. Was das Widmungsmaß als Beurteilungsmaßstab anlange, habe der technische Amtssachverständige ausgeführt, daß in der technischen Wissenschaft im allgemeinen davon ausgegangen werde, daß die ÖNORM S 5021 den gegenwärtigen Wissensstand zusammenfasse. Diese kenne jedoch keine Widmungskategorie "gemischtes Baugebiet" im Sinne der Bauordnung für Wien. Auf Grund ihrer Definition als Gebiet mit Wohnnutzung, "vermischt mit Handel und Verwaltungstätigkeit", entspreche die Bezeichnung "Kerngebiet" eher noch dem Wohngebiet im Sinne der Wiener Bauordnung, dagegen müsse die in der ÖNORM vorgesehene Widmungskategorie Betriebsgebiet schon dem Industriegebiet im Sinne der Bauordnung angenähert werden, weil dort eine Wohnnutzung nicht mehr vorgesehen sei. Aus technischer Sicht müßte das zulässige Maß der Immissionen daher irgendwo zwischen den Werten für Kerngebiet und Betriebsgebiet angenommen werden, wenn ein gemischtes Baugebiet zu beurteilen sei. Im Kerngebiet betrage der Wert bei Tag (06.00 Uhr bis 22.00 Uhr) 55 dB(A), im Betriebsgebiet 60 dB(A). Werte für die Nachtzeit seien in diesem Verfahren nicht zu ermitteln, weil die Bauwerberin einen Nachtbetrieb der Tankstelle nicht plane und gegen die Aufnahme einer den Nachtbetrieb ausdrücklich verbietenden Auflage in der Baubewilligung keinen Einwand erhebe. Nur am Rande sei erwähnt, daß durch diese baubehördliche Vorschreibung allenfalls weitergehende Vorschreibungen der Gewerbebehörde in keiner Weise berührt werden. Der medizinische Sachverständige habe sich den Ausführungen des technischen Sachverständigen über die Grenzwerte nicht vorbehaltlos anschließen können, weil die ÖNORM S 5021 und auch die ÖAL-Richtlinie Nr. 21 Begriffe verwenden, die mit nicht zumutbaren Störungen in Beziehung gesetzt werden. Dennoch meinte der medizinische Sachverständige, daß keine unzumutbare Lärmimmission im Sinne des § 6 Abs. 8 BO vorliege. Er habe ausgeführt, daß die Gesamtheit der Immissionen, ausgedrückt als energieäquivalenter Dauerschallpegel, die Grenze der zumutbaren Störungen tagsüber bereits um 4 dB überschreite, wenn man, wie dies etwa die ÖAl-Richtlinie Nr. 3 angibt, als Grenze der zumutbaren Störung eine Erhöhung des Grundgeräuschpegels um 10 dB annehme. Im gegenständlichen Fall sei aber vom technischen Sachverständigen ein zu erwartender Dauerschallpegel von 48 dB(A) angegeben worden. Mathematisch abstrakt betrachtet, lägen somit die zu erwartenden Störgeräusche unter dem zu erwartenden Grundgeräuschpegel. Aus medizinischer Sicht sei dazu festzustellen, daß bei der Durchführung des geplanten Projektes die Lärmauswirkung tagsüber in der Nachbarschaft praktisch nicht hörbar sein werde. Dazu stelle die Bauoberbehörde für Wien fest, daß sie der Beurteilung der zu erwartenden Lärmimmissionen das Widmungsmaß zugrundegelegt habe, das in allen Gebieten derselben Widmungskategorie gleich sei und nicht von den örtlichen Gegebenheiten abhänge. Mangels anderer Grundlagen gehe sie von dem in der ÖNORM S 5021 vorgesehenen Grenzwert von 55 dB(A) für die Lärmbelastung in sogenannten Kerngebieten aus und treffe damit eine Annahme, welche die Nachbarn eher begünstige. Die daraus zu ziehende Schlußfolgerung, daß die geplante Tankstelle nicht wegen der zu erwartenden Lärmentwicklung unzulässig sei, decke sich mit dem Beurteilungsergebnis, zu dem der medizinische Sachverständige auf einem anderen Weg gelangt sei. Zur Frage der Belästigung von Nachbarn durch Abgase habe der umwelttechnische Sachverständige im durchgeführten gewerbebehördlichen Verfahren mit großer Sicherheit erwartet, daß Benzindämpfe bei den Nachbarn höchstens in einer Konzentration von 0,3 ppm auftreten könnten. Diese Schätzung beruhe darauf, daß mit maximal 30 Betankungsvorgängen zu 40 l/h zu rechnen sei und die Dämpfe nur mehr in Richtung X-Straße austreten könnten, wo sie dann in weitgehend verwirbelter Form primär die Liegenschaft Nr. 133 treffen würden. Normalerweise liege die Geruchsschwelle der Benzindämpfe bei 10 ppm, sodaß bei der genannten Schätzung ohnehin eine dreißigfache Sicherheit gegenüber Geruchsbelästigung vorliege. Bei der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren habe ein anderer Amtssachverständiger diese Ausführungen bestätigt und ergänzend erklärt, daß der Dampfdruck von Diesel wesentlich geringer sei als der von Benzin, sodaß eine Beeinträchtigung beim Betanken von Dieselfahrzeugen in geringerem Ausmaß zu erwarten sei als beim Betanken von benzinbetriebenen Fahrzeugen. Der medizinische Amtssachverständige habe dazu bemerkt, daß nach dem technischen Gutachten die Treibstoffdämpfe im Bereich der Nachbarn eine Konzentration hätten, die unterhalb der Geruchsschwelle läge. Es sei daher weder Gesundheitsschädlichkeit noch Unzumutbarkeit gegeben. Was die Immissionsbelastung durch die Abgase der Kundenfahrzeuge betreffe, habe der technische Sachverständige für Umweltschutz ausgeführt, Messungen an einem über der Ausfahrt einer Großgarage gelegenen Fenster hätten ergeben, daß keine Überschreitungen der von der Akademie der Wissenschaften empfohlenen Grenzwerte (ein Stundenmittelwert und Achtstundenmittelwert) eingetreten seien. Angesichts der wohl eher geringen Zahl von Fahrzeugbewegungen im Tankstellenbereich und der größeren Entfernung der Nachbarschaft von der Tankstelle seien im vorliegenden Fall geringere Immissionen zu erwarten. Auch hier habe der medizinische Sachverständige erklärt, daß aus seiner Sicht die Schadstoffbelastung durch zu- und abfahrende Autos bei einem Spitzenwert von

30 Tankbewegungen pro Stunde selbst in Verbindung mit der herrschenden Vorbelastung zumutbar und nicht gesundheitsschädlich sei. Auf Grund der schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen nehme die Bauoberbehörde für Wien als erwiesen an, daß von der Tankstelle keine Immissionen zu erwarten seien, die das im § 6 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes vorgesehene Maß überschreiten. Der erstinstanzliche Bescheid, mit dem die Tankstelle bewilligt worden sei, sei daher zu bestätigen gewesen, doch sei zur Klarstellung der Unzulässigkeit eines Nachtbetriebes eine Betriebszeitbeschränkung gemäß § 3 Abs. 5 des Wiener Garagengesetzes angeordnet worden.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof behaupten die Beschwerdeführer, daß die Errichtung einer Tankstelle schon deshalb unzulässig sei, weil ihre Errichtung in der im Bebauungsplan festgesetzten Bauklasse III vorgesehen sei. Zu diesem Vorbringen ist festzustellen, daß die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer zu der für 23. Juli 1986 vor der Baubehörde erster Instanz anberaumten mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 geladen worden ist. Die Rechtsvorgängerin hat aber bei dieser Verhandlung die Unzulässigkeit des Bauvorhabens unter dem nunmehr in der Beschwerde aufgezeigten Gesichtspunkt nicht zum Gegenstand einer Einwendung gemacht, sodaß es dem Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die dadurch eingetretene Präklusion verwehrt ist, sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführer auseinanderzusetzen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A, und die ständige Rechtsprechung seither). Im übrigen wird auf die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen in der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.

Wie schon auf Verwaltungsebene behaupten die Beschwerdeführer auch in ihrer Beschwerde die Unzulässigkeit des Bauvorhabens der Mitbeteiligten insbesondere deshalb, weil die Verwirklichung des Vorhabens zu unzulässigen Immissionen auf ihrer Liegenschaft führen würde. Hiezu ist zunächst festzustellen, daß die projektierte Tankstelle nach dem bewilligten Bauplan zur X-Straße hin angeordnet ist, und zwar in der Weise, daß sowohl die Zufahrt von der X-Straße als auch die Ausfahrt zur X-Straße erfolgen soll. Entgegen der gegebenen Projektsbeschreibung erstreckt sich das Bauvorhaben ja nicht nur auf die Liegenschaften X-Straße 135 - 137, sondern auch auf die Liegenschaften X-Straße 139 - 143, nämlich insgesamt die Grundstücke n/3 und .n KG Z, wie der bewilligte Bauplan zeigt. Im Eckbereich zur Y-Gasse ist das Tankstellengebäude vorgesehen, welches sich sohin zwischen der Tankstelle im eigentlichen Sinn und der Liegenschaft der Beschwerdeführer befindet. Diese Liegenschaft der Beschwerdeführer ist von der X-Straße durch eine weitere Liegenschaft und von dem bewilligten Bauvorhaben durch die 15,17 m breite Y-Gasse getrennt. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ist noch zu bemerken, daß für die Tankstelle Gaspendelleitungen Gegenstand des bewilligten Projektes sind.

Nach dem Flächenwidmungsplan liegen die zu bebauenden Grundflächen im Bauland-gemischtes Baugebiet-Betriebsbaugebiet. In gemischten Baugebieten dürfen nach § 6 Abs. 8 BO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976 keine Gebäude oder Anlagen errichtet werden, die geeignet sind, durch Rauch, Ruß, Staub, schädliche oder üble Dünste, Niederschläge aus Dämpfen oder Abgasen, Geräusche, Wärme, Erschütterungen oder sonstige Einwirkungen, Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Nach Abs. 9 dieser Gesetzesstelle dürfen in als Betriebsgebiete ausgewiesenen Teilen des gemischten Baugebietes unbeschadet des Abs. 13 nur Gebäude oder Anlagen für Betriebs- oder Geschäftszwecke aller Art mit Ausnahme von Beherbergungsbetrieben errichtet werden. Der erwähnte Abs. 13 erklärt in Betriebsbaugebieten und Geschäftsvierteln, in Industriegebieten und auf Lagerplätzen und Ländeflächen die Errichtung von Wohnungen für den Bedarf der Betriebsleitung und der Betriebsaufsicht für zulässig.

Zur Frage der Zulässigkeit von Tankstellen ist insbesondere noch die Bestimmung des § 6 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 7/1975 zu beachten. Danach muß jede Anlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen und jede Tankstelle so beschaffen sein, daß eine Gefährdung ihrer Benützer, der Bewohner derselben Liegenschaft und der Nachbarn durch giftige Gase oder Dämpfe, durch Brand oder durch Explosion sowie eine das nach der festgesetzten Widmung zulässige Ausmaß übersteigende Belästigung der Bewohner derselben Liegenschaft oder der Nachbarn durch Lärm, üblen Geruch oder Erschütterung nicht zu erwarten ist.

Auf Grund dieser Rechtslage hatten die Verwaltungsbehörden zu beurteilen, ob das von der Mitbeteiligten eingereichte Projekt bewilligungsfähig ist. Schon im Verfahren vor der Behörde erster Instanz wurde das Projekt auf Grund von Vorschlägen von Amtssachverständigen abgeändert, sodaß nicht mehr das ursprünglich eingereichte Bauvorhaben, sondern das von der Baubehörde erster Instanz bewilligte Gegenstand dieser Beurteilung war.

Zunächst ist festzustellen, daß den Beschwerdeführern als Miteigentümern einer benachbarten Liegenschaft im Hinblick auf die vom Bauvorhaben der Mitbeteiligten ausgehenden Emissionen Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zukommt. Nach § 134 Abs. 3 BO sind Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen nach der genannten Gesetzesstelle jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben. Sowohl auf die Einhaltung des § 6 Abs. 8 BO als auch des § 6 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes steht sohin den Beschwerdeführern ein subjektiv-öffentliches Recht zu.

Ob bestimmte Immissionen auf Nachbarliegenschaften zu erwarten sind, kann im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens nur Gegenstand einer Prognose sein. Hiebei ist es Sache der Baubehörde, durch ein ausreichendes Ermittlungsverfahren unter Beiziehung von Amtssachverständigen klarzustellen, ob die Einhaltung der in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es hiebei Aufgabe technischer Sachverständiger, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, sein Urteil hinsichtlich der Auswirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer ist für die Baubehörde allein die Widmung des zu bebauenden Grundstückes entscheidend, nicht aber die Widmung der Grundstücke der Nachbarn, ist Gegenstand der Prüfung durch die Baubehörde ja die Frage, ob die Verwirklichung des Bauvorhabens nach der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmung zulässig ist oder nicht (vgl. insbesondere die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Auflage, S. 172 ff., wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Im Beschwerdefall hat nun die Mitbeteiligte schon im erstinstanzlichen Verfahren das Gutachten eines beeideten gerichtlichen Sachverständigen für Lärmschutz vorgelegt, welches im Zuge des Berufungsverfahrens ergänzt worden ist. Der Amtssachverständige für Umweltschutz hat dieses Gutachten überprüft und die darin getroffenen Aussagen für richtig erachtet. Die Beschwerdeführer bekämpfen dieses Gutachten mit der Behauptung, daß der Sachverständige von einer im Normalfall gar nicht gegebenen Südost-Windrichtung ausgehe. Hiebei dürften die Beschwerdeführer übersehen, daß der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1. August 1987 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß er jene Windrichtung angegeben hat, die im Zeitpunkt der tatsächlich durchgeführten Messungen festzustellen gewesen sei. Er hatte in dieser Stellungnahme weiter ausgeführt, daß innerhalb meßtechnisch zugelassener Witterungsbedingungen Auswirkungen auf die Meßergebnisse auch dann nicht anzunehmen seien, wenn die von den Nachbarn angegebene üblichere Westwind-Lage anzunehmen wäre.

Zu dem Vorwurf, daß der medizinische Sachverständige lediglich zur Frage der Lärmimmissionen näher Stellung genommen habe, nicht aber zu sonstigen Gesundheitsstörungen, wie Benzindämpfen, ist festzustellen, daß bei der Verhandlung am 8. Jänner 1988 im Zuge des Berufungsverfahrens medizinische Amtssachverständige eindeutig der Meinung Ausdruck verliehen, daß die Schadstoffbelastung durch zu- und abfahrende Autos auch in Verbindung mit der herrschenden Vorbelastung als zumutbar und nicht gesundheitsschädlich zu bezeichnen sei. Im übrigen folgten die medizinischen Sachverständigen den Ausführungen des technischen Amtssachverständigen, wonach die Treibstoffdämpfe im Bereich der Nachbarn eine Konzentration unterhalb der Geruchsschwelle erreichen, und schlossen daraus, daß weder eine Gesundheitsschädlichkeit noch eine Unzumutbarkeit gegeben seien. Im Hinblick auf die gegebenen Entfernungen und die weiteren Ausführungen des technischen Amtssachverständigen, wie sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegeben wurden, konnte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, daß für die Beschwerdeführer nicht einmal eine Geruchsbelästigung zu erwarten ist.

Die Beschwerdeführer behaupten auch eine unzulässige Belästigung durch den vom Betrieb der Tankstelle ausgehenden Lärm. Sie rügen in diesem Zusammenhang insbesondere den Umstand, daß die Gutachter sich einer unsicheren Ausdrucksweise bedient hätten. Wie schon erwähnt, hat die Baubehörde im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens über die Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Nachbarschaft eine Prognoseentscheidung zu fällen, die freilich im konkreten Beschwerdefall bei der zu beurteilenden Tankstelle auf Grund der mit Tankstellen gewonnenen Erfahrungen keine besonderen Probleme mit sich brachte. Dementsprechend wurde auch in dem schalltechnischen Gutachten nicht nur von tatsächlichen Messungen an Ort und Stelle und daraufhin angestellten Berechnungen ausgegangen, sondern auch von Messungen an einer nach Meinung des Sachverständigen vergleichbaren Tankstelle. Die Amtssachverständigen haben auch in dieser Beziehung das Gutachten überprüft und als ausreichend und richtig beurteilt. Hiebei haben die Amtssachverständigen zutreffend berücksichtigt, daß im Wohngebiet eine geringere Lärmimmission von Nachbarn hingenommen werden muß als bei der hier festgesetzten Widmung gemischtes Baugebiet. Da in der ÖNORM S 5010, welche den gegenwärtigen Wissensstand in der technischen Wissenschaft hinsichtlich zu erwartender Lärmimmissionen zusammenfasse, eine Widmungskategorie "gemischtes Baugebiet" nicht aufgezählt ist, hat der technische Amtssachverständige die Auffassung vertreten, daß das Widmungsmaß für gemischtes Baugebiet zwischen den in dieser ÖNORM angegebenen Werten für Kerngebiet und Betriebsgebiet anzunehmen sei. Der medizinische Amtssachverständige schloß sich diesen Ausführungen des technischen Sachverständigen über die Grenzwerte und die dabei maßgeblichen Widmungskategorien nicht vorbehaltlos an, sondern legte die zu erwartenden Dauerschallpegelwerte seinem Urteil zugrunde. Hiebei formulierte er, daß mathematisch abstrakt betrachtet die zu erwartenden Störgeräusche unter dem zu erwartenden Grundgeräuschpegel gelegen seien. Aus medizinischer Sicht sei daher festzustellen, daß bei der Durchführung des geplanten Projektes die Lärmauswirkung tagsüber in der Nachbarschaft praktisch nicht hörbar sein werde. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß im Hinblick auf die vorgenommenen Messungen, die Vergleichsmessungen und die angestellten Berechnungen die Gutachten des technischen Amtssachverständigen oder des medizinischen Amtssachverständigen nicht ausreichend begründet klar zum Ausdruck bringen, daß das Bauvorhaben der Mitbeteiligten sowohl aus technischer als auch medizinischer Sicht bezüglich seiner Lärmauswirkungen keine unzulässige Beeinträchtigung der Nachbarschaft herbeiführt. Die belangte Behörde durfte daher zu Recht annehmen, daß das nach § 6 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes im gemischten Baugebiet zulässige Widmungsausmaß nicht überschritten wird und die Tankstelle keine unzumutbaren Belästigungen für die Beschwerdeführer im Sinne des § 6 Abs. 8 BO herbeizuführen geeignet ist. In tatsächlicher Hinsicht sind ja die Beschwerdeführer den Ausführungen der Gutachter nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, insbesondere nicht durch Vorlage eines Gegengutachtens.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als nicht begründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 Planung Widmung BauRallg3 Sachverständiger Aufgaben Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988050118.X00

Im RIS seit

11.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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