TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/4 91/05/0015

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.04.1991
beobachten
merken

Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
BauO Wr;
ZustG §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 20. November 1990, Zl. 64-B 85 und 93/90, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den Ausführungen in der Beschwerde im Zusammenhalt mit der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 6. September 1990 wurde dem Beschwerdeführer die Vorauszahlung für Kosten einer Ersatzvornahme in der Höhe von S 110.000,-- auferlegt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 1. Oktober 1990 im Wege der Hinterlegung zugestellt. Gleichzeitig mit der Berufung gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist eingebracht und diesen Antrag damit begründet, daß er der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides eine zweiwöchige Berufungsfrist entnommen habe und der irrigen Ansicht gewesen sei, der Fristenlauf beginne mit der Abholung des Bescheides beim Postamt. Von diesem Irrtum habe er erst durch ein Telefonat mit der zuständigen Referentin der MA 64 Kenntnis erlangt. Damals sei seiner irrigen Ansicht nach die Berufungsfrist noch offen gewesen. Sofort nach Erkennen dieses Irrtums habe er den Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Mit Bescheid vom 23. Oktober 1990 hat der Magistrat der Stadt Wien den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend den Bescheid vom 6. September 1990 abgewiesen.

Mit Bescheid vom 20. November 1990 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 6. September 1990 als verspätet zurückgewiesen, die Berufung gegen den Bescheid vom 23. Oktober 1990 wurde abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Bescheid vom 6. September 1990 sei laut Rückschein am 1. Oktober 1990 im Wege der Hinterlegung zugestellt worden und ab diesem Datum beim zuständigen Postamt zur Abholung bereitgelegen. Trotz vollständiger und richtiger Rechtsmittelbelehrung sei die Berufung erst am 18. Oktober 1990, somit nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist zur Post gegeben worden. Gemäß § 17 Abs. 3 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, sei die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginne mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten werde. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Die Unkenntnis dieser Gesetzesstelle rechtfertige nicht die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages, zumal in der auf Grund der Zustellformularverordnung 1982, BGBl. Nr. 600, ausgestalteten "Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes" ausdrücklich auf die Rechtsfolgen der Hinterlegung hingewiesen werde.

Gegen diesen Bescheid - nach dem Beschwerdevorbringen allerdings nur gegen jenen Teil, mit dem die Berufung gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung abgewiesen wurde - richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer führt aus, sein Irrtum hinsichtlich der Zustellwirkung der Hinterlegung sei wohl kaum als fahrlässig oder selbstverschuldet zu betrachten, wenn man bedenke, daß im allgemeinen Sprachgebrauch unter "Zustellung" wohl das In-Händen-Halten eines Schriftstückes verstanden werde. Wenn sich die belangte Behörde in der Bescheidbegründung darauf berufe, in der Hinterlegungsanzeige sei ohnehin auf die Rechtsfolgen der Hinterlegung hingewiesen, übersehe sie dabei, daß eben oft genug unter einem Wust von Text irgendetwas "Kleingedrucktes" nicht entsprechend gelesen werde (noch dazu auf der Rückseite).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1950 in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn a) die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen oder b) die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei. Gemäß § 71 Abs. 3 AVG 1950 hat im Falle der Versäumung einer Frist die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Der Beschwerdeführer hat keine Wiedereinsetzungsgründe im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 dargetan. Wenn er auch in seiner Beschwerde darauf verweist, daß sein Irrtum bzw. die Rechtsunkenntnis über die Zustellwirkung der Hinterlegung kaum als fahrlässig oder selbst verschuldet zu betrachten sei, so ist darauf zu verweisen, daß Rechtsunkenntnis grundsätzlich nicht als unvorhergesehens oder unabwendbares Ereignis zu werten ist, das die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte (vgl. den hg. Beschluß vom 26. November 1980, Slg. N.F. Nr. 10309/A, und die darin zitierte weitere Rechtsprechung). Das Unterlassen des Lesens des Textes in der Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes kann nicht als ein unvorhergesehens oder unabwendbares Ereignis qualifiziert werden, wodurch der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert gewesen wäre, die Berufungsfrist einzuhalten.

Ein Eingehen auf die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein Verschulden zur Last fällt, das nur einen minderen Grad des Versehens darstellt - darauf zielt offenbar das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Fahrlässigkeit des Irrtums ab - erübrigt sich schon deshalb, weil das Kriterium des minderen Grades des Versehens erst durch die Novelle BGBl. Nr. 357/1990 im § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 eingefügt wurde, die ohne Rückwirkung erst mit 1. Jänner 1991 in Kraft getreten ist.

Da sich somit schon aus dem Inhalt der Beschwerde im Zusammenhang mit dem angefochtenen Bescheid ergibt, daß der Beschwerdeführer in dem behaupteten Recht nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahrens in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050015.X00

Im RIS seit

04.04.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten