TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/8 89/15/0144

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Veröffentlicht am 08.04.1991
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §115;
FinStrG §161 Abs1;
FinStrG §162 Abs1 lite;
FinStrG §33 Abs2 lita;
FinStrG §8 Abs1;
GmbHG §18;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1992, 35;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat I) vom 11. April 1989, Zl. GA 10 - 454/3/88, BS I - 34/88, betreffend Finanzvergehen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war von der Gründung der E-GmbH im Jahre 1979 an bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft am 7. Dezember 1983 deren Geschäftsführer. In den Umsatzsteuervoranmeldungen der Gesellschaft hatte der Beschwerdeführer abziehbare Vorsteuer von S 148.229,-- geltend gemacht (1980) und die Umsätze der Gesellschaft mit S 277.838,85 (1981) bzw. mit S 1,537.375,69 erklärt. Im Zuge einer die Jahre 1979 bis 1982 betreffenden, am 10. Jänner 1984 abgeschlossenen abgabenbehördlichen Prüfung wurde an Hand der vorgelegten Eingangsrechnungen und Kassabelege die abziehbare Vorsteuer für das Jahr 1980 mit S 167.562,-- ermittelt. An Hand der vorgelegten Ausgangsrechnungen wurden umsatzsteuerpflichtige Umsätze von S 3,280.445,-- (1981) und S 2,294.699,-- (1982) ermittelt. Das Finanzamt erließ Abgabenbescheide auf Grund der Ergebnisse der Betriebsprüfung, wobei es Sicherheitszuschläge zu den auf Grund der Ausgangsrechnungen ermittelten Umsätzen vornahm. Die Abgabenbescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Erkenntnis des Spruchsenates vom 22. April 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Geschäftsführer der E-GmbH vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen dadurch, daß er im Jahre 1980 zu viel Vorsteuer in Anspruch genommen habe, ein Abgabenguthaben in der Höhe von S 26.693,-- zu Unrecht geltend gemacht zu haben, und für 1981 sowie für 1982 eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen bewirkt zu haben, und zwar für 1981 von S 501.483,-- und für 1982 von S 121.970,--, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten habe. Der Beschwerdeführer habe hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen und werde hiefür nach dem § 33 Abs. 5 FinStrG unter Bedachtnahme auf die Strafverfügung des Finanzamtes vom 30. Jänner 1986 nach dem § 21 Abs. 3 FinStrG mit einer zusätzlichen Geldstrafe von S 130.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe, bestraft.

Nach der Begründung des Straferkenntnisses habe der Beschwerdeführer von 1980 bis Oktober 1983 die Umsatzsteuervoranmeldungen selbst erstellt.

Umsatzsteuervorauszahlungen seien im Jahre 1980 nicht zu leisten gewesen, da ein Vorsteuerguthaben bestanden habe. In den eingebrachten Umsatzsteuervoranmeldungen sei vom Beschwerdeführer ein Guthaben in der Höhe von S 148.229,-- geltend gemacht worden. Die Betriebsprüfung habe festgestellt, daß die Gesellschaft im Jahre 1980 an Vorsteuern nur einen Betrag von S 121.556,-- hätte geltend machen dürfen. Der Beschwerdeführer habe daher ein Umsatzsteuerguthaben in der Höhe von S 26.673,-- zu Unrecht geltend gemacht.

Im Jahre 1981 habe der Beschwerdeführer eine Umsatzsteuer-Zahllast von S 18.896,--, im Jahre 1982 eine Umsatzsteuergutschrift in der Höhe von S 14.258,-- vorangemeldet. Die Betriebsprüfung habe für 1981 eine Zahllast von S 520.379,-- sowie für 1982 eine Zahllast von S 107.712,-- ergeben, wobei vom Betriebsprüfer vorgenommene Sicherheitszuschläge unberücksichtigt geblieben seien. Die Umsatzsteuer sei daher im Jahre 1981 um S 501.483,--, im Jahre 1982 um S 121.970,- verkürzt worden.

Der Beschwerdeführer verantwortete sich zunächst in objektiver Richtung dahin, die vom Betriebsprüfer ermittelten Zahlen seien unrichtig. Der Betriebsprüfer habe Teil- und Schlußrechnungen für ein und denselben Auftrag doppelt verrechnet. Ferner habe er die Auslandsumsätze, die nicht im Inland der Umsatzsteuer unterlägen, unberücksichtigt gelassen. Diese Verantwortung habe durch das Beweisverfahren, insbesondere durch die Aussage des Betriebsprüfers, zur Gänze widerlegt werden können. Im Jahre 1980 seien Teilrechnungen bzw. Auslandsumsätze überhaupt nicht vorgekommen, weil sich die Gesellschaft noch mit dem Textilhandel beschäftigt habe. Die Umsätze und die Vorsteuern seien vom Betriebsprüfer auf Grund der ihm zur Verfügung gestellten Konten, der Bilanz, einer Umsatzsteuernachschau sowie der Eingangs- und Ausgangsrechnungen ermittelt worden. Für das Jahr 1981 habe der Prüfer die Erlöse aus den vorhandenen Ausgangsrechnungen ermittelt. Dabei seien jene Ausgangsrechnungen, die Auslandsumsätze betroffen hätten, nicht berücksichtigt worden. Auch die Teilrechnungen seien 1981 nicht berücksichtigt worden, sondern nur die Schlußrechnungen. Im Arbeitsbogen des Betriebsprüfers finde sich eine Aufschlüsselung nach Inlands- und Auslandsumsätzen; weiters seien die die Auslandsumsätze betreffenden Rechnungen an die Firma P. im Arbeitsbogen angeführt. Darüber hinaus habe der Prüfer auch noch das Gegenkonto bei der Firma P. dahin überprüft, ob auch alle Inlandsaufträge in deren Rechenwerk Eingang gefunden hätten, was der Fall gewesen sei. Der Betriebsprüfer habe somit bei der Ermittlung der Erlöse nur solche Rechnungen berücksichtigt, die Umsatzsteuer ausgewiesen hätten, d.h. keine Teilrechnungen und auch keine Rechnungen, die einen Auslandsumsatz betroffen hätten. Auch für das Jahr 1982 seien vom Prüfer lediglich die Inlandsumsätze der Gesellschaft berücksichtigt worden. Auch die eine gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht enthaltenden Teilrechnungen seien ausgeschieden worden. Die oben angeführte Verantwortung des Beschwerdeführers sei somit durch die Zeugenaussage des Prüfers, den von ihm verfaßten Betriebsprüfungsbericht und den Arbeitsbogen zur Gänze widerlegt.

Zur subjektiven Tatseite sei auf folgendes zu verweisen:

Der Beschwerdeführer sei der einzige Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen. Da andere Personen auf den Firmenkonten nicht zeichnungsberechtigt gewesen seien, sei er dazu verpflichtet gewesen, dafür zu sorgen, daß die Umsatzsteuervorauszahlungen in richtiger Höhe entrichtet würden. Der Beschwerdeführer sei bereits mit der Strafverfügung des Finanzamtes vom 26. Februar 1980 wegen des Finanzvergehens nach dem § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG "abgestraft" worden, weil er in den Jahren 1974 bis 1976 zuwenig Umsatzsteuer entrichtet habe. Er wisse daher auf Grund dieser "Vorabstrafung", daß er Umsatzsteuervorauszahlungen in richtiger und vollständiger Höhe zu entrichten habe. Darüber hinaus gebe er selbst zu, daß er möglicherweise im Jahre 1980 zuviel Vorsteuerabzüge geltend gemacht habe. Er räume selbst ein, daß dies sein Fehler gewesen sein könne. Daraus ergebe sich, daß er gewußt habe, für das Jahr 1980 zu viel Vorsteuern und daher ein zu hohes Guthaben an Vorsteuer geltend gemacht zu haben. In den Jahren 1981 und 1982 habe der Beschwerdeführer entweder persönlich nicht alle Ausgangsrechnungen in die Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen oder die Ausgangsrechnungen nicht alle an die steuerlichen Vertreter der Gesellschaft zur Aufnahme in die Umsatzsteuervoranmeldungen weitergeleitet. Die Gesellschaft habe auch für die Firmen M. und T. Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt; die diesbezüglichen Ausgangsrechnungen hätten keinen Eingang in die Umsatzsteuervoranmeldungen gefunden.

Ferner sei auch darauf hinzuweisen, daß ein versehentliches Vorgehen des Beschwerdeführers in den Jahren 1981 und 1982 auszuschließen sei. Die Gesellschaft habe im Jahre 1981 einen Umsatz von S 277.838,85 und im Jahre 1982 einen Umsatz von S 1,537.375,69 vorangemeldet. Der tatsächliche Umsatz habe im Jahr 1980 (richtig: 1981) S 3,313.249,-- und im Jahr 1982 S 2,317.646,-- betragen. Eine Gegenüberstellung der vorangemeldeten und der tatsächlichen Umsätze zeige, daß im Hinblick auf die Höhe der Differenzen ein Vorgehen des Beschwerdeführers lediglich aus Fahrlässigkeit bzw. Schlamperei auszuschließen sei. Auf Grund dieser Erwägungen habe daher der Spruchsenat festgestellt und als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer wider besseres Wissen gehandelt habe.

Dem Einwand, im Hinblick auf die Strafverfügung des Finanzamts vom 30. Jänner 1986 liege ein einheitliches Delikt vor, weshalb nicht mit einem neuerlichen Schuldspruch wegen desselben Zeitraumes vorgegangen werden könne, sei entgegenzuhalten, daß diese Strafverfügung wegen der Nichtzahlung lohnabhängiger Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge und Lohnsummensteuer) im Zeitraum von November 1979 bis Oktober 1983 erfolgt sei. Eine einheitliche "Tatbegehung" liege somit nicht vor, weil das Angriffsobjekt nicht dasselbe gewesen sei.

Bei der Strafbemessung wertete der Spruchsenat die Sorgepflichten des Beschwerdeführers für Ehegattin und vier Kinder als mildernd, die einschlägige Vorstrafe aus dem Jahre 1980 und die Fortsetzung des strafbaren Verhaltens während eines Zeitraumes von drei Jahren als erschwerend.

Mit der dagegen erhobenen Berufung wendete sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einrichtung der Spruchsenate. Er machte weiters geltend, er habe bis zuletzt die Richtigkeit der Ergebnisse der Betriebsprüfung und des anschließenden "Bemessungsbescheides" bestritten. Der Spruchsenat sei nicht berechtigt gewesen, ohne eigene Feststellungen das Ergebnis des Betriebsprüfungsverfahrens seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Das Beweisverfahren habe sich jedoch auf die Zeugeneinvernahme des Betriebsprüfers beschränkt. Es seien nicht einmal die Steuererklärungen bzw. Umsatzsteuervoranmeldungen geschweige denn der gesamte Abgabenakt verlesen worden. Inhaltlich wäre jedoch eine neuerliche Überprüfung geboten und durch konkrete Hinweise indiziert gewesen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, daß er nicht nur für die Firma P., sondern auch für die Firmen T. und M zu "ca. drei Viertel des Umsatzes hinsichtlich dieser beiden Firmen" Auslandsumsätze getätigt habe, die vom Betriebsprüfer nicht als solche berücksichtigt worden seien. Für 1981 habe er angegeben, daß der Prüfer bei einem Auftrag sowohl die Teilals auch die Schlußrechnungen umsatzsteuerlich berücksichtigt habe. Der Betriebsprüfer sei bei seiner Zeugenaussage höchst unsicher gewesen: Er wisse nicht, ob die Gesellschaft 1981 noch andere Kunden außer der Firma P. gehabt habe; er habe Einwendungen des Beschwerdeführers über nicht (gemeint offenbar: als steuerfrei) berücksichtigte Auslandsumsätze und doppelt berücksichtigte Teil- und Schlußrechnungen nicht ausschließen können und bei der Rechnung der Firma T. einen Irrtum sogar für möglich gehalten. Da der Zeuge Irrtümer nicht ausgeschlossen habe, hätte die Finanzstrafbehörde die objektive Grundlage der Verkürzungsbeträge feststellen müssen.

Das angefochtene Erkenntnis leide auch an Feststellungsmängeln die subjektive Tatseite betreffend. Der Ausschluß von Fahrlässigkeit bedeute nicht ohne weiteres auch den Ausschluß von dolus eventualis. Im angefochtenen Erkenntnis fehlten sowohl Feststellungen als auch Überlegungen darüber, daß der Beschwerdeführer nicht nur fahrlässig, sondern wider besseres Wissen gehandelt haben solle. Daß der Beschuldigte eingeräumt habe, daß die Geltendmachung von Vorsteuer "für sein Auto" sein Fehler gewesen sein könne, bedeute ebenfalls nicht, daß er wissentlich gehandelt habe.

Der Beschwerdeführer sei mit Strafverfügung des Finanzamtes wegen Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen von Jänner 1981 bis Oktober 1983 sowie Lohnsummensteuer von November 1979 bis September 1982 bestraft worden. Wegen Identität von Zeitraum, Steuerobjekt und Steuerträger läge ein Fortsetzungszusammenhang vor, weshalb eine nochmalige Verurteilung unmöglich sei.

Bei der Strafbemessung habe der Spruchsenat zu Unrecht die wirtschaftliche Notlage der Gesellschaft, die mangelnde kaufmännische Ausbildung und die mangelnde Unterstützung durch den Steuerberater nicht als mildernd berücksichtigt. Die Fortsetzung des strafbaren Verhaltens während eines Zeitraumes von drei Jahren könne kein Erschwerungsgrund sein, weil dies für die Annahme eines fortgesetzten Deliktes Voraussetzung sei. Der Spruchsenat habe weiters die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten nicht berücksichtigt; dieser lebe lediglich von der Notstandshilfe, von der er seine fünfköpfige Familie erhalten müsse. Er sei weiters der Durchgriffshaftung von Gesellschaftsgläubigern (auch der Abgabenbehörden) ausgesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung dahingehend Folge, daß die vom Spruchsenat verhängte zusätzliche Geldstrafe auf S 100.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Monate herabgesetzt wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides setzte sich die belangte Behörde zunächst unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1985, Zl. B 285/85, mit den Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einrichtung der Spruchsenate auseinander. Die Ausführungen der Berufung die subjektive Tatseite betreffend führte die belangte Behörde aus, das angefochtene Erkenntnis enthalte auch hinreichend deutliche Feststellungen zur Frage der Wissentlichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers. Nach zusammenfassender Wiedergabe der Darlegungen des erstinstanzlichen Erkenntnisses führte die belangte Behörde aus, sie schließe sich dieser Argumentation des Spruchsenates vollinhaltlich an, weil (diese) lebensnah und überzeugend dartue, warum das "angefochtene Erkenntnis zu seiner Beurteilung gelangt" sei. Der behauptete Fortsetzungszusammenhang sei nicht gegeben, weil nicht dieselbe Abgabenart betroffen sei.

Der Spruchsenat habe auch die Höhe der Verkürzungsbeträge richtig festgestellt und sei unbedenklich von den Ergebnissen der Betriebsprüfung und Schätzung ausgegangen, wobei darauf hingewiesen werde, daß die Höhe der strafbestimmenden Wertbeträge nicht vom Vorsatz des Täters umfaßt sein müsse, weil der strafbestimmende Wertbetrag außerhalb des Tatbestandes liege. Ein Zurückbleiben des Tätervorsatzes hinter der objektiven Höhe des Verkürzungsbetrages könne daher nur bei Abwägung der "Strafzumessungsschuld" innerhalb des Strafrahmens Berücksichtigung finden. Erwähnt sei noch, daß jeder Schätzung Unsicherheiten anhafteten, die sich sowohl zum Nachteil, aber genauso oft zum Vorteil des Täters auswirken könnten. Die Durchführung der Schätzung habe sich aber der Beschwerdeführer durch sein Verhalten selbst zuzuschreiben.

Die Berufung wegen des Strafausmaßes sei jedoch berechtigt. Der Spruchsenat habe zwar die Strafzumessungsgründe vollzählig erfaßt, jedoch der bedrängten wirtschaftlichen Lage des Berufungswerbers zu wenig Rechnung getragen. Eine Geldstrafe in der Höhe von S 100.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Monate) entspräche der Schuld des Beschwerdeführers, dem Unrechtsgehalt seiner Straftat, seiner Persönlichkeit sowie seinen wirtschaftlichen Verhältnissen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte mit seinem Beschluß vom 25. September 1989, B 787/89, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpfichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält.

Nach § 33 Abs. 3 FinStrG ist eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 oder 2 bewirkt,

a)

...

b)

wenn Abgaben, die selbst zu berechnen sind, ganz oder teilweise nicht entrichtet (abgeführt) wurden,

c)

...

d)

wenn Abgabengutschriften, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind, zu Unrecht oder zu hoch geltend gemacht wurden,

e)

...

f)

...

Der Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG wird somit objektiv durch Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen gemäß § 21 UStG 1972, subjektiv durch Wissentlichkeit betreffend den Verkürzungserfolg verwirklicht.

§ 21 UStG 1972 ordnet die Abgabe von Voranmeldungen an, in welchen der Unternehmer die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat. Verletzt er die Verpflichtung zur Abgabe der (richtigen) Voranmeldungen, so kann damit entweder ein Ausfall an Vorauszahlung (Abs. 3 lit. b) oder die Geltendmachung einer nicht gebührenden Gutschrift (Abs. 3 lit. d) einhergehen. Sowohl die gänzliche oder teilweise Nichtentrichtung der Vorauszahlung als auch die unrechtmäßige Bewirkung einer Gutschrift an Umsatzsteuer fällt unter den Begriff "Verkürzung von Umsatzsteuer" (vgl. Dorazil-Reichel-Harbich-Kropfitsch, Finanzstrafrecht § 33 Anm 7).

"Wissentlich" (im Sinne des § 5 Abs. 3 StGB) handelt der Täter, wenn er den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich, sondern sein Vorliegen oder sein Eintreten für gewiß hält. Die Schuldform der Wissentlichkeit ist bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG lediglich für den Verkürzungserfolg nötig; für die Pflichtverletzung genügt Vorsatz im Sinne des § 8 Abs. 1 FinStrG - also auch bedingter Vorsatz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 84/15/0134, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Das Vorliegen der Wissentlichkeit im Zusammenhang mit § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG ist auch dann zu bejahen, wenn der Täter die Abgabenverkürzung dem Grunde nach für gewiß hält und lediglich das Ausmaß erst in der Folge - sei es im Schätzungsweg - von der Finanzbehörde ermittelt wurde (vgl. ebenfalls das bereits zitierte Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 84/15/0134, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer hat bereits im Berufungsverfahren seine Verurteilung sowohl unter die objektive Tatseite (die Verkürzung von Vorauszahlungen unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen) als auch die subjektive Tatseite (Wissentlichkeit betreffend den Verkürzungserfolg, bedingter Vorsatz für die Pflichtverletzung) betreffenden Gesichtspunkten bekämpft.

Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar mit den Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einrichtung der Spruchsenate sowie den Berufungsausführungen zur subjektiven Tatseite, zum behaupteten Fortsetzungszusammenhang und zur Strafbemessung auseinandergesetzt. Sie geht aber mit keinem Wort auf die oben wiedergegebenen, nicht von vornherein als unbeachtlich zu qualifizierenden Darlegungen der Berufung zur objektiven Tatseite ein. In der Begründung ihres Bescheides finden sich lediglich die zum Teil die objektive Tatseite betreffenden Ausführungen, der Spruchsenat habe auch die Höhe der Verkürzungsbeträge richtig festgestellt und sei unbedenklich von den Ergebnissen der Betriebsprüfung und Schätzung ausgegangen, wobei darauf hingewiesen sei, daß die Höhe der strafbestimmenden Wertbeträge nicht vom Vorsatz des Täters umfaßt sein müsse, weil der strafbestimmende Wertbetrag außerhalb des Tatbestandes liege. Ein Zurückbleiben des Tätervorsatzes hinter der objektiven Höhe des Verkürzungsbetrages könne daher nur bei der Abwägung der "Strafzumessungsschuld" innerhalb des Strafrahmens Berücksichtigung finden. Erwähnt sei noch, daß jeder Schätzung Unsicherheiten anhaften, die sich sowohl zum Nachteil, aber genauso oft zum Vorteil des Täters auswirken könnten. Die Durchführung der Schätzung habe sich aber der Beschwerdeführer durch sein Verhalten selbst zuzuschreiben.

Darin liegt aber keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den die Feststellung einer Abgabenverkürzung betreffenden Berufungsausführungen. Insbesondere können diesen Darlegungen Gründe nicht entnommen werden, aus denen die belangte Behörde ohne eigene Ermittlungen über den konkreten Sachverhalt in der Frage der Einbeziehung von Auslandsumsätzen in die Bemessungsgrundlage bzw. der doppelten Berücksichtigung von in Teil- und Schlußrechnung ausgewiesenen Umsätzen ihren Feststellungen die vom Beschwerdeführer bestrittenen Ergebnisse der Betriebsprüfung zu Grunde legen hätte dürfen, obwohl der Betriebsprüfer in seiner Zeugenaussage einen Irrtum nicht gänzlich ausschließen konnte. Der Hinweis auf "Unsicherheiten, die jeder Schätzung anhaften", ist in diesem Zusammenhang nicht zielführend, weil die Betriebsprüfung nach dem Inhalt der Verwaltungsakten die abziehbaren Vorsteuerbeträge bzw. tatsächlichen Umsätze der Gesellschaft nicht durch Schätzung, sondern an Hand der vorgefundenen Eingangsrechnungen und Kassabelege bzw. Ausgangsrechnungen der Gesellschaft ermittelte. Die bei der Abgabenbemessung angewendeten Sicherheitszuschläge sind nicht Gegenstand des Strafverfahrens; daß insoweit Elemente einer Schätzung nach § 184 BAO vorliegen, ist im gegebenen Zusammenhang daher ohne Bedeutung.

Gemäß § 162 Abs. 1 lit. e FinStrG hat die Rechtsmittelentscheidung eine Begründung zu enthalten. Schließt sich die Berufungsbehörde ohne eigene Ermittlungen der Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz an und übernimmt sie deren Feststellungen zur Gänze als unbedenklich, ohne auf das Vorbringen in der Berufung einzugehen, so ist ihr Bescheid mit einem als Verfahrensfehler relevanten Begründungsmangel behaftet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. September 1989, Zl. 88/13/0216).

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Für das fortzusetzende Verfahren sei bemerkt, daß es zwar nicht unschlüssig erscheint, aus dem Umstand, daß die tatsächlich getätigten Umsätze ein Vielfaches der erklärten Umsätze betragen (1981) oder diese um etwa die Hälfte übersteigen (1982) Wissentlichkeit die Verkürzung betreffend zu folgern. Hingegen kann die - von der belangten Behörde übernommene - Auffassung, die Wissentlichkeit des Beschwerdeführers betreffend die Geltendmachung eines überhöhten Vorsteuerguthabens im Jahre 1980 ergebe sich schon daraus, daß er selbst eingeräumt habe, dies könne "sein Fehler" gewesen sein, nicht geteilt werden, weil diesen Darlegungen nicht entnommen werden kann, daß dem Beschwerdeführer die (zur Verkürzung an Umsatzsteuer führende) "Fehlerhaftigkeit" seiner Vorgangsweise vor oder während seines im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG tatbestandlichen Verhaltens bewußt gewesen wäre.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989150144.X00

Im RIS seit

08.04.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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