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L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
ABGB §825;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des MP und der NP gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 25. Oktober 1990, Zl. LAS-227/6-89, betreffend Widmung von Grundstücken als agrargemeinschaftliche Grundstücke, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. April 1990 hat die belangte Behörde von Amts wegen gemäß den §§ 33 Abs. 5, 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 und 73 lit. a des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 54/1978 idF gemäß LGBl. Nr. 18/1984 (TFLG), festgestellt,
a)
daß die in EZ 188 GB A vorgetragenen Grundstücke KEINE agrargemeinschaftlichen Grundstücke im Sinne des § 33 Abs. 1 TFLG sind;
b)
daß die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an den in EZ 188 GB A vorgetragenen Grundstücken gebunden ist, KEINE Agrargemeinschaft im Sinne des § 34 Abs. 1 TFLG bilden.
Begründend war die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Agrarbehörde erster Instanz der Auffassung, daß wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen agrargemeinschaftlicher Grundstücke nach dem Gesetz deren gemeinschaftliche Nutzung auf Grund einer "alten Übung" sei. Die sogenannte B-Alpe (EZ 188 GB A) sei jedoch in früheren Zeiten immer in Einzelnutzung ihres jeweiligen Besitzers gestanden, nur in den Jahren 1942-1970, also erst in jüngster Zeit und relativ kurz, sei eine gemeinschaftliche Nutzung durch die neuen Besitzer erfolgt. Grundstücke, die nicht von alters her gemeinschaftlich genutzt worden seien, könnten nur gemäß § 33 Abs. 6 TFLG über Antrag für die Zukunft als agrargemeinschaftliche Grundstücke gewidmet werden, eine solche Widmung liege jedoch bei der B-Alpe bisher nicht vor. Es stehe aber den Eigentümern der B-Alpe jederzeit frei, gemäß § 33 Abs. 6 TFLG bei der Agrarbehörde erster Instanz einen Antrag zu stellen, die B-Alpe "neu" als agrargemeinschaftliches Grundstück zu widmen.
Unbestritten ist, daß die die B-Alpe bildenden Grundstücke (EZ 188 GB A) im Miteigentum mehrerer Personen stehen, und daß die beiden Beschwerdeführer als Hälfteeigentümer der EZ 59 KG C mit einem Anteil von 15/70 bücherliche Miteigentümer der B-Alpe sind.
Mit Schreiben an das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 22. Juni 1990 stellten die beiden Beschwerdeführer als Anteilseigentümer an der B-Alpe gemäß § 33 Abs. 6 TFLG den Antrag, die diese bildenden Grundstücke als agrargemeinschaftliche Grundstücke zu widmen. Aus dem vorangegangenen Agrarverfahren ergebe sich, daß alle Miteigentümer einen solchen Antrag gestellt hätten. Auch die AB sei bereits 1988 davon ausgegangen, daß die die B-Alpe bildenden Grundstücke agrargemeinschaftliche Grundstücke seien.
Diesen Antrag hat die AB ohne weitere Verfahrensschritte mit ihrem Bescheid vom 4. Juli 1990 gemäß § 33 Abs. 6 TFLG in Verbindung mit den §§ 828 und 834 ABGB als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung führte die AB im wesentlichen aus, die B-Alpe sei bisher nie als agrargemeinschaftlich behandelt worden. Eine "Neuwidmung" gemäß § 33 Abs. 6 TFLG setze den Antrag des "bücherlichen Eigentümers" voraus. Dies sei im Beschwerdefall eine Mehrzahl von Personen (Miteigentümer). Aus den das Miteigentum regelnden Bestimmungen des ABGB gehe hervor, daß ein von der AB zu behandelnder Antrag auf Neuwidmung der B-Alpe als agrargemeinschaftlich erst dann vorliege, wenn eine diesbezügliche Entscheidung der Miteigentumsgemeinschaft herbeigeführt worden sei. Die Teilhaber der B-Alpe hätten eine solche Mehrheitsentscheidung noch nicht getroffen, weshalb der Antrag der Beschwerdeführer zurückzuweisen sei.
Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Oktober 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 33 Abs. 6 TFLG als unbegründet abgewiesen. Ein Verfahren zur Widmung eines Grundstückes als agrargemeinschaftlich setze einen entsprechenden Antrag des bücherlichen Eigentümers voraus; ohne einen derartigen Antrag sei es der Behörde verwehrt, ein Verfahren durchzuführen und eine Entscheidung zu fällen. Ein Antrag sämtlicher Miteigentümer der B-Alpe liege nicht vor, ein derartiger Antrag sei selbst bei parteifreundlichster Auslegung der bisherigen Aktenlage nicht zu entnehmen. Auch im vorangegangenen Verfahren sei eine Erlassung von Verwaltungssatzungen nur für den Fall beantragt worden, daß eine Agrargemeinschaft festgestellt würde. Es sei nicht Aufgabe der Agrarbehörde, ohne einen rechtsgültigen Antrag tätig zu werden. Die Behauptung der Beschwerdeführer, hier sollten bestimmte aus Tirol stammende Personen bevorzugt werden, sei als reine Vermutung nicht weiter beachtlich. Verfehlt sei auch die Auffassung der Beschwerdeführer, im gegenständlichen Verfahren seien die Bestimmungen des ABGB nicht heranzuziehen. Eigentümer der B-Alpe seien D sowie die jeweiligen Eigentümer der EZ 25 GB E, EZ 14 GB F, EZ 44 GB F, EZ 5 GB F, EZ 14 GB, EZ 4 GB C, EZ 8 GB C, EZ 59 GB C (Beschwerdeführer je zur Hälfte) und der EZ 95 als Miteigentümer. Der Antrag hätte daher gemäß § 33 Abs. 6 TFLG von diesen Miteigentümern unterschrieben werden müssen, wofür die Bestimmungen der §§ 825 ff ABGB maßgebend seien. Die Widmung eines Grundstückes als agrargemeinschaftliches Grundstück stelle eine wesentliche Veränderung in den Eigentumsverhältnissen dar, es handle sich dabei nicht mehr um übliche Verwaltungsmaßnahmen, sondern um einen Eingriff in die Substanz des Eigentums. Ein derartiger Eingriff erfordere die Einstimmigkeit der Miteigentümer; einzelnen Miteigentümern sei es sicherlich verwehrt, hier allein Rechtsschritte zu setzen. Ein Antrag nach § 33 Abs. 6 TFLG bewirke eine Eigentumsbeschränkung, sodaß nur die Gesamtheit der Gemeinschafter eine derartige Verpflichtung eingehen könne. Es liege daher ein Antrag, wie ihn § 33 Abs. 6 TFLG fordere, nicht vor, weshalb die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich nach dem gesamten Beschwerdevorbringen in ihrem Recht auf meritorische Behandlung ihres auf § 33 Abs. 6 TFLG gestützten Antrages verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen vor, sie hätten ihren Antrag im Sinne der Anregung der belangten Behörde in deren in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 19. April 1990 gestellt. Die Auffassung der belangten Behörde, daß ein derartiger Antrag von ALLEN Miteigentümern zu unterfertigen sei, könnten die Beschwerdeführer nicht teilen, denn in Angelegenheiten der Bodenreform seien auch einzelne Miteigentümer berechtigt, Anträge zu stellen. Die belangte Behörde habe daher in Verkennung der Rechtslage weiterführende Ermittlungen und eine Sachentscheidung über den Antrag der Beschwerdeführer unterlassen. Inzwischen hätten die Beschwerdeführer überdies weitere 26/70 Anteile an der B-Alpe käuflich erworben, sie verfügten damit über mehr als die Hälfte dieser Anteile. Da sich alle Miteigentümer für die Erlassung von Verwaltungssatzungen ausgesprochen hätten und dies die Widmung der B-Alpe als agrargemeinschaftlich voraussetze, hätten die Agrarbehörden eine "konstruktive Mitwirkung am Entscheidungsprozeß" verweigert.
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Gemäß dem ersten Satz des erst durch die Novelle LGBl. Nr. 18/1984 in das Gesetz aufgenommenen § 33 Abs. 6 TFLG kann ein Grundstück auf Antrag des bücherlichen Eigentümers von der Agrarbehörde neu als agrargemeinschaftliches Grundstück gewidmet werden.
Zur Antragstellung legitimiert ist also nach dieser Gesetzesstelle "der bücherliche Eigentümer". Wer als solcher anzusehen ist, kann nur nach den zivilrechtlichen Vorschriften und nach dem Grundbuchstand ermittelt werden. Im Beschwerdefall steht unbestritten fest, daß mehrere Personen (und zwar nicht nur die beiden Beschwerdeführer) Eigentümer der B-Alpe sind; es liegt daher zwischen diesen ideell geteiltes Miteigentum im Sinne der §§ 825 ff ABGB vor. "Bücherlicher Eigentümer" ist, wie die Agrarbehörden zutreffend erkannt haben, die Gemeinschaft dieser Miteigentümer, nicht aber sind dies die Beschwerdeführer für sich allein. Die Beschwerdeführer haben auch nicht behauptet, für die gesamte Gemeinschaft der Miteigentümer aufzutreten, und haben demzufolge auch nicht dargelegt, auf Grund welcher Umstände sie sich für ein derartiges Vorgehen legitimiert erachten würden.
Es ist auch den von den Agrarbehörden mit Recht zur Prüfung dieser Frage herangezogenen einschlägigen Bestimmungen des ABGB nichts zu entnehmen, was etwa ex lege ein solches Vorgehen der Beschwerdeführer rechtfertigen würde. Es können vielmehr nur ALLE Miteigentümer über das Ganze verfügen, erst ZUSAMMEN ergeben die Anteilsrechte jene Rechtsstellung, welche bei Alleineigentum einem Einzelsubjekt zusteht. Zu Verfügungen über die Substanz sind gemäß § 828 ABGB nur die Teilhaber ZUSAMMEN aktiv legitmiert; bei mangelndem Einverständnis kann demnach keiner, also auch nicht die Mehrheit, etwas unternehmen, wodurch über den Anteil der nicht Zustimmenden verfügt würde (vgl. dazu Klang in Klang, Kommentar III, S. 1086 und 1092; Gamerith in Rummel, ABGB I2, S. 911 und 915).
Zu prüfen bleibt noch, ob etwa § 830 ABGB zur Begründung der Legitimation der Beschwerdeführer zum hier strittigen Antrag herangezogen werden könnte. Nach dem zweiten Satz dieses Paragraphen kann jeder Teilhaber in der Regel auch die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, doch nicht zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen. Gemeint ist hier allerdings nur eine Aufhebung des Miteigentums, die - im Wege der Natural- oder der Zivilteilung - zur Teilung des gemeinschaftlichen Eigentums führt (vgl. dazu Rummel aaO, S. 919 ff;
Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts II8; S. 51, sowie die zu § 830 ABGB in der MGA33, S. 651 ff, abgedruckte Judikatur). Eine solche Teilung ist aber nicht das Bestreben eines auf § 33 Abs. 6 TFLG gestützten Antrages, hier wird vielmehr die Umwandlung des zivilrechtlichen Miteigentums in eine vom (öffentlichen) Bodenreformrecht geprägte Agrargemeinschaft angestrebt, die - anders als die Teilung - den einzelnen Gemeinschaftern keine ihnen allein zustehende Verfügungsmacht zu vermitteln geeignet ist.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die Auffassung der im Beschwerdefall eingeschrittenen Agrarbehörden, wonach ein tauglicher Antrag gemäß § 33 Abs. 6 TFLG nur von sämtlichen Miteigentümern gemeinsam als dem "bücherlichen Eigentümer" gestellt werden kann, weshalb der vorliegende Antrag einzelner Miteigentümer mit Recht als zur meritorischen Behandlung ungeeignet zurückgewiesen worden ist.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Dabei konnte die von den Beschwerdeführern beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof entfallen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 59 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990070172.X00Im RIS seit
09.04.1991