Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. September 1990, Zl. 11-75 Wa 12-90, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. September 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws am 30. Juni 1988 gegen
15.20 Uhr auf der B 76 in Stainz in Fahrtrichtung Deutschlandsberg auf Höhe des km 13,25 1) auf einem durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnetem Straßenstück ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt und 2) die dort angebrachte Sperrlinie überfahren. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach zu 1) § 16 Abs. 2 lit. a StVO und zu 2) § 9 Abs. 1 StVO begangen, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO über ihn Geldstrafen von zu 1) S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tage und sechs Stunden) und zu 2) S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Stunden) verhängt wurden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil die belangte Behörde einen von ihm zu seiner Entlastung namhaft gemachten Zeugen nicht vernommen und die beantragte ergänzende Einvernahme eines weiteren Zeugen unterlassen habe, aber auch nicht begründet habe, warum sie die Durchführung dieser Beweise für entbehrlich erachtet habe. Er habe diese Beweise zum Nachweise dafür beantragt, daß er das Überholmanöver vor dem Überholverbotsbereich beendet und auch keine Sperrlinie überfahren habe. Die belangte Behörde habe sich ferner nicht mit dem von ihm aufgezeigten Widerspruch in den Ausführungen des Meldungslegers auseinandergesetzt und sei auch in diesem Punkte eine Begründung schuldig geblieben. Der Beschwerdeführer ist schon mit diesem Einwand im Recht.
Gemäß § 25 Abs. 2 VStG 1950 sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Gemäß § 60 AVG 1950, der gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtslage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Die Behörde ist demnach im Verwaltungsstrafverfahren verpflichtet, Belastungs- und Entlastungszeugen in gleicher Weise zu hören, soweit dies für die Feststellung des Sachverhaltes erforderlich ist, und sie hat ferner auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung ist, einzugehen. Sie darf sich nicht über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge ohne Ermittlungen und Begründung hinwegsetzen.
Diesen Erfordernissen wurde von der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht entsprochen. Sie legte in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich dar, daß auf Grund des von der Vorinstanz durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der im Zuge des Berufungsverfahrens abgegebenen klaren und widerspruchsfreien Zeugenaussage des Meldungslegers die Verwaltungsübertretungen als erwiesen anzusehen seien. Der Meldungsleger habe von seinem Standort aus uneingeschränkte Sicht auf den Beginn des Überholverbotsbereiches gehabt und überdies eine Übersichtsskizze über den Tatort vorgelegt, deren Daten sich mit der Zeugenaussage des Meldungslegers deckten. Im Rahmen der Beweiswürdigung werde der Darstellung des Meldungslegers mehr Glauben geschenkt als der Verantwortung des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde ging jedoch weder auf die Aussage des Zeugen, der die Rechtfertigung des Beschwerdeführers bestätigte - im Zuge des Verfahrens wurden außer dem Meldungsleger zwei weitere Zeugen vernommen -, noch auf die vom Beschwerdeführer beantragte ergänzende Einvernahme dieses Zeugen ein. Ferner wurde von ihr der weitere vom Beschwerdeführer zu seiner Entlastung namhaft gemachte Zeuge nicht vernommen, ohne auch hiefür eine Begründung zu geben. Schließlich wurde von der belangten Behörde eine Auseinandersetzung mit den Einwänden des Beschwerdeführers gegen die Darstellung des Meldungslegers, insbesondere in Verbindung mit der von ihm vorgelegten Tatortskizze, unterlassen, wie vom Beschwerdeführer zu Recht gerügt wird. Solcherart aber wurde nicht nur der Beschwerdeführer in der Verteidigung seiner Rechte, sondern auch der Verwaltungsgerichtshof an einer nachprüfenden Kontrolle des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit gehindert.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen erübrigte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Der Ersatz der Kosten für Kopien war gemäß § 58 VwGG abzuweisen, weil ein solcher in den Kostentatbeständen des § 48 Abs. 1 leg. cit. nicht vorgesehen ist.
Schlagworte
Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990030264.X00Im RIS seit
10.04.1991