TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/11 90/06/0222

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Veröffentlicht am 11.04.1991
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §6;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. November 1990, Zl. U-12.006/3 (mitbeteiligte Parteien: 1) P,

2) Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), betreffend Einwendungen gegen die Anbringung eines Hinweisschildes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhalt mit den vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem angefochtenen Bescheid, ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde als Berufungsbehörde vom 2. April 1990 wurde dem Erstmitbeteiligten die Aufstellung eines Hinweisschildes auf der Gp. 1212 der KG Y bewilligt. (Aus dem vorliegenden Plan ergibt sich, daß es sich dabei um einen auf der Laterne angebrachten Hinweispfeil mit der Aufschrift "Eingang zum Gasthaus Y" mit einer Länge von 0,50 m handelt.) Das Hinweisschild beeinträchtige in keiner Weise das Orts- oder Landschaftsbild und widerspreche keiner Verordnung nach § 24 Abs. 5 der Tiroler Bauordnung (TBO) oder § 20 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 (TROG). Die Einwendung der Beschwerdeführerin und ihrer Geschwister (deren Berufung gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid mit diesem Bescheid als unbegründet abgewiesen worden war), dem Erstmitbeteiligten sei die Auflage zu erteilen, daß auf dem Hinweisschild deutlich erkennbar gemacht werden müsse, daß der Zugang zum Gasthaus nur auf eigene Gefahr gestattet sei, sei kein subjektiv öffentlich-rechtlicher, sondern ein privatrechtlicher Einwand und werde daher auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 7. Juli 1990 Folge, sie hob den Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit an den Gemeindevorstand zur neuerlichen Entscheidung zurück. Die Gemeindeaufsichtsbehörde ging davon aus, daß sich die Beschreibung, an welcher Stelle auf der Parzelle die Errichtung des Hinweisschildes geplant sei, dem Bescheid nicht entnehmen lasse; die genaue Situierung des Bauvorhabens stelle jedoch ein subjektives Nachbarrecht der Vorstellungswerberin dar.

Dementsprechend konkretisierte der Gemeindevorstand mit Bescheid vom 20. August 1990 die Situierung des Hinweisschildes dahin, daß die Anbringung der Hinweistafel am Beleuchtungsmast der Straßenbeleuchtung der mitbeteiligten Gemeinde an der Südwestecke der Gp. 1212, KG Y, mit einem Abstand von 0,10 m zur Gp. 2060/1 (Gemeindestraße) und von 0,10 m zur Gp. 1211/2 (Beschwerdeführerin) erfolge. Die im Akt erliegenden Pläne und die Verhandlungsschrift bildeten einen ergänzenden Bestandteil dieses Bescheides.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin ab. Begründend führte sie aus, daß konkrete Abstandsbestimmungen betreffend Werbeeinrichtungen sich in der Tiroler Bauordnung lediglich hinsichtlich des Abstandes von den Verkehrsflächen fänden, alle übrigen Abstandsbestimmungen bezögen sich auf Gebäude. Eine Werbeeinrichtung sei jedoch nicht als Gebäude im Sinne des § 3 Abs. 1 (richtig wohl Abs. 2) TBO anzusehen. Dies bedeute, daß es von vornherein für die Beschwerdeführerin nur darauf ankomme, ob sich die Hinweistafel auf ihrem oder auf einem anderen Grundstück befinde. Entgegen den Ausführungen in der Vorstellung sei die Beschreibung durchaus ausreichend und die tatsächliche Situierung festgelegt. Daß die Planunterlagen nicht der Planrichtlinienverordnung entsprächen, sei bedeutungslos, da der Nachbar nur solche Mängel geltend machen könne, die ihn außerstande setzten, sich über Art und Umfang der Bauführung sowie über die Einflußnahme auf seine Rechte zu informieren. Über die Einwendungen der Beschwerdeführerin habe teils die Baubehörde erster Instanz, teils die Berufungsbehörde, wenn auch in der Begründung, abgesprochen. Aus § 35 StVO erwachse der Beschwerdeführerin kein subjektiv-öffentliches Recht; auch die Frage der Haftung der Beschwerdeführerin sei lediglich eine privatrechtliche Frage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin verkennt offenbar nach wie vor ihre Stellung als Nachbarin. Gemäß § 30 Abs. 1 TBO, LGBl. Nr. 33/1989, sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück und die dadurch errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Nach dieser Umschreibung der Parteistellung des Nachbarn ist schon mehr als zweifelhaft, ob der Beschwerdeführerin eine derartige Parteistellung zukommt, weil Rückwirkungen hinsichtlich der durch die Bauordnung geschützten Interessen auf das Grundstück oder die baulichen Anlagen der Beschwerdeführerin nicht zu erkennen sind. Die Beschwerdeführerin vermengt nämlich offensichtlich die Frage der möglicherweise strittigen Benützung (Erhaltung) eines Weges zum Gasthof des Erstmitbeteiligten mit der Anbringung einer Hinweistafel in diesem Zusammenhang.

Geht man aber im Interesse der Beschwerdeführerin davon aus, daß sie als Nachbarin im Sinne des § 30 TBO anzusehen ist, so kann von ihr gemäß § 30 Abs. 4 TBO nur die Verletzung eines Rechtes geltend gemacht werden, das in einer Bestimmung der Bauordnung oder in einer auf Grund dieser erlassenen Verordnung begründet ist, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendung). Derartige Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16 b TROG, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden. Von alledem wird in der Beschwerde lediglich die Verletzung der Vorschriften über die Abstände erkennbar geltend gemacht. Allerdings stützt sich die Beschwerdeführerin dabei lediglich auf § 6 Abs. 2 lit. g TBO, wonach freistehende Werbeeinrichtungen nur dann vor die Baufluchtlinie vorragen oder vor dieser errichtet werden dürfen, wenn dadurch weder das Orts- und Straßenbild noch die Sicherheit des Verkehrs beeinträchtigt werden. Die Beschwerdeführerin versucht aber gar nicht darzutun, inwiefern die Situierung der Hinweistafel, sofern man sie überhaupt als Werbeeinrichtung qualifizieren kann, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte durch Verletzung des Abstandes beeinträchtigen könnte. Einen Anspruch auf Einhaltung der Abstandsvorschriften des § 6 TBO hat von vornherein nur der Eigentümer der der öffentlichen Verkehrsfläche gegenüberliegenden Grundfläche, was nach dem Beschwerdevorbringen keinesfalls zutrifft. Es war daher auch nicht zu prüfen, ob überhaupt ein Bebauungsplan vorhanden ist, der § 6 TBO erst anwendbar macht und ob es sich um eine "Werbeeinrichtung" im eigentlichen Sinn handelt, weil schon aus den genannten Gründen alle Ausführungen über die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. g TBO ins Leere gehen.

Infolge der beschränkten Parteistellung des Nachbarn im Bauverfahren kann dieser auch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nur soweit geltend machen, als er dadurch in der Verfolgung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte beeinträchtigt wird. Entgegen den Ausführungen der Beschwerde ist die Situierung der konkreten Hinweistafel - insbesondere wenn man Bedeutung und Umfang dieser "baulichen Anlage" berücksichtigt - mehr als hinreichend determiniert. Es trifft auch nicht zu, daß es der Berufungsbehörde verwehrt gewesen wäre, die baubehördliche Bewilligung hinsichtlich der in der Natur unbestreitbar vorhandenen Hinweistafel durch eine entsprechende Umschreibung und Hinweise auf Pläne festzulegen. Da es sich bei der Bewilligung der in der Natur vorhandenen Hinweistafel eindeutig um dieselbe "Sache" handelte, war die Berufungsbehörde nach der vorangegangenen Rückverweisung durch die Gemeindeaufsichtsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, in der Sache selbst zu entscheiden und dementsprechend den Bescheid abzuändern, also auch den Bescheidinhalt zu präzisieren.

Da sohin bereits die Ausführungen der Beschwerde zeigen, daß durch das Baurecht geschützte Rechte der Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060222.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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