TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/11 90/06/0206

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Veröffentlicht am 11.04.1991
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;

Norm

BauO Stmk 1968 §2;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litb;
BauO Stmk 1968 §58 Abs1 lita;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 8. November 1990, Zl. A 17-K-6080/1990-1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Buchhandlung X), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, Zl. 90/06/0113, verwiesen. Darin wurde festgestellt, daß die Häuser A-Straße m (Eigentum der Mitbeteiligten) und A-Straße n (Eigentum des Beschwerdeführers) einen gemeinsamen Lichthof aufweisen, der bis in den 1. Stock durch eine Mauer getrennt war. Im Jahre 1929 soll im Hause A-Straße m im Parterre und im 1. Stock durch den Lichthof je ein Gang zum Osttrakt geschaffen worden sein. Der Fußboden des Ganges im ersten Stock habe aus Luxfergläsern bestanden, die Zierverglasung der Decke soll durch ein schräges Glasdach geschützt gewesen sein. Gegenstand des Erkenntnisses vom 6. Dezember 1990 war die Erteilung einer Baubewilligung an die mitbeteiligte Partei für eine neue Stahlbetondecke und eine Brüstungsmauer im Innenhof im Bereich des zweiten Obergeschoßes gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem Erkenntnis vom 6. Dezember 1990 den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil dem Bauansuchen ein Bauplan mit Baubeschreibung, aus dem die für die Bewilligung maßgeblichen Umstände ersichtlich waren, fehlten und die belangte Behörde § 58 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung in der Fassung LGBl. Nr. 14/1989 unrichtig ausgelegt hat.

Am 2. März 1990 brachte die Mitbeteiligte ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung zur Anbringung einer Markise (Breite 7,90 m, Ausladung von 2,30 m) im zweiten Obergeschoß des Hauses A-Straße m, im Bereich des Innenhofes ein. Über dieses Ansuchen wurde am 23. April 1990 eine Verhandlung für den 14. Mai 1990 ausgeschrieben, zu der auch der Beschwerdeführer als Nachbar unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG geladen wurde. In der Verhandlung verwies der Beschwerdeführer auf seine Einwendungen, die er gegen diesen Zubau in einem anderen Verfahren erhoben habe, insbesondere auf das Erfordernis der Widmung, den fehlenden Verwendungszweck, die Verletzung festzulegender innerer Baufluchtlinien, des Abstandes und der Höhe. Es handle sich um ein Regendach, die Ableitung von Regenwasser auf seinen Grund sei unzulässig. Die Gefahr einer Umfunktionierung der Markise in ein Dach liege angesichts der unzureichenden Beschreibung und der fehlenden Auflagen auf der Hand.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 22. Juni 1990 wurde der Mitbeteiligten die beantragte Baubewilligung mit zahlreichen "allgemeinen Vorschreibungen" erteilt. Als "besondere Auflage" wurde vorgeschrieben, daß die Niederschlagswässer in den öffentlichen Kanal einzuleiten seien. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 58 Abs. 2 (offensichtlich: StmkBO) entfalle die Pflicht zum Nachweis der Widmung bei Bauführungen nach § 57 Abs. 1 lit. c, dies gelte auch für die gegenständliche Markise, die nicht über die Nachbargrenze rage. Die Niederschlagswässer würden von der Markise auf den gegenständlichen Bauplatz rinnen und seien über das bestehende Kanalsystem abzuleiten.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung änderte der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. November 1990 den erstinstanzlichen Spruch insofern ab, als die Beschreibung der Markise (Breite 7,90 m, Ausladung von 2,30 m, in Stoffausführung) in den Bescheidspruch aufgenommen wurde, im übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten und eine Gegenschrift vorgelegt, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgebenden Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung in der Fassung LGBl. Nr. 14/1989 (BO) lauten:

"§ 57

Bewilligungspflicht

(1) Einer Bewilligung der Baubehörde bedürfen Gebäude, Bauwerke und Anlagen (§ 25 Abs. 3 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974) wie

a)

Neubauten oder Bauten, bei denen nach Abtragung oder Zerstörung eines bestehenden Baues dessen Grund- und Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden;

b)

Zubauten, das sind Vergrößerungen von Bauten in waagrechter oder lotrechter Richtung;

c)

Umbauten, Bauveränderungen und Änderungen des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen derselben, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluß sein können oder auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Rechte der Nachbarn anzuwenden sind;

.........."

"§ 58

Ansuchen

(1) Dem Ansuchen um Bewilligung sind anzuschließen:

a)

der Nachweis der Widmungsbewilligung oder, wenn gleichzeitig um die Widmungsbewilligung angesucht wird, die hiezu erforderlichen Unterlagen (§ 2),

b)

ein amtlicher Grundbuchsauszug, nicht älter als 6 Wochen,

c)

die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer ist,

d)

die Baupläne in zweifacher Ausfertigung,

e)

eine Baubeschreibung mit allen für die Bewilligung maßgebenden Umständen, insbesondere auch mit Angaben über den Verwendungszweck der Bauten, in zweifacher Ausfertigung.

(2) Die Pflicht zum Nachweis der Widmung entfällt bei Bauführungen nach § 57 Abs. 1 lit. c bis h, bei allen Bauten vorübergehenden Bestandes (§ 62 Abs. 4), für Gartenhäuser, Kleingewächshäuser, Gerätehütten, Holzlagen, Wartehäuser, Plakattafeln, elektrische Verteilungsanlagen und kleinere sakrale Bauten."

Während die Baubehörde erster Instanz noch davon ausging, daß die Anbringung der Markise eine bauliche Maßnahme im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. c BO darstelle und daher ihrer Ansicht nach die Pflicht zum Nachweis der Widmung entfalle, hat sich die belangte Behörde mit der Frage, ob eine Widmungsbewilligung erforderlich sei, nicht auseinandergesetzt, obwohl der Beschwerdeführer in seiner Berufung auch diesen Fragenkomplex angeschnitten hat.

Gemäß § 61 Abs. 2 BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese Einwendungen sind in der Folge unter den lit. a bis k taxativ aufgezählt. Lit. a normiert das Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung (§ 2 Abs. 1 und 58 Abs. 1 lit. a).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in dem zitierten Erkenntnis vom 6. Dezember 1990 ausgeführt, § 57 Abs. 1 lit. b BO biete keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein Zubau nur dann vorliege, wenn eine Vergrößerung des Bauvolumens erfolge. Im Gegensatz zu anderen Bauordnungen liegt nämlich nach der Steiermärkischen Bauordnung ein Zubau auch dann vor, wenn damit keine raumbildende Anlage errichtet wurde. Da es bei der Beurteilung der Bewilligungspflicht einer baulichen Anlage auch nicht darauf ankommt, welche Baustoffe verwendet werden (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1990, Zlen. 90/06/0147, AW 90/06/0048), ist nicht grundsätzlich auszuschließen, daß die 7,90 m breite Markise mit einer Ausladung von 2,30 m über dem zweiten Obergeschoß einen Zubau im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. b BO darstellt. Dies allerdings unter der Voraussetzung, daß die "Markise" nicht einrollbar, ohne entsprechenden Einziehungsmechanismus hergestellt werden soll und es sich daher tatsächlich um ein aus Stoff bestehendes Vordach handelt. Dem vorgelegten Verwaltungsakt ist kein Hinweis zu entnehmen, aus dem sich die Einziehungsmöglichkeit der "Markise" ergäbe, auch die Art der Befestigung ist nicht beschrieben. Der Umstand, daß eine Auflage betreffend die Ableitung der Niederschlagswässer vorgeschrieben worden ist, und diese Auflage von der Mitbeteiligten nicht bekämpft wurde, läßt eher auf einen dauernden Bestand schließen.

Da der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt, nämlich der genauen Beschreibung der "Markise" einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Aufwandersatz die Umsatzsteuer bereits eingeschlossen ist und Stempelgebühren für eine nicht erforderliche Ausfertigung der Beschwerde nicht zuzuerkennen waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060206.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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