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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Tir. GVG 1983; keine Bedenken gegen §4 Abs1; keine Bedenken gegen die Bestimmungen über die Zusammensetzung der Landesgrundverkehrsbehörde im Hinblick auf Art6 Abs1 MRK; keine denkunmögliche oder willkürliche Anwendung des §6 Abs1 litc - Annahme der Nichtselbstbewirtschaftung der Grundstücke durch die kaufende Gemeinde vertretbarSpruch
Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Kaufvertrag vom 5.9./4.11.1985 veräußerte M G-B die
ihr gehörige Liegenschaft EZ ... II KG N..., bestehend aus den Gpn.
..., und ... an die Gemeinde N....
2.1. Mit Eingabe vom 25.November 1985 suchte der von beiden Vertragsparteien mit der Errichtung und Durchführung des Kaufvertrages betraute Rechtsvertreter um grundverkehrsbehördliche Genehmigung an und verwies darauf, daß nach seiner Information die kaufende Gemeinde die in Rede stehende Liegenschaft einer Agrargemeinschaft zuführen wolle. Es wurde daher auch um Gebührenbefreiung angesucht.
Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Nauders bei der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 17. Juni 1986 wurde dem beabsichtigten Rechtserwerb gemäß §6 Abs1 litc Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 (künftig: GVG) die Zustimmung versagt, weil die kaufende Gemeinde selbst keine Landwirtschaft betreibe und nach Auskunft des Bürgermeisters auch nicht die Absicht habe, die erworbenen Grundstücke selbst landwirtschaftlich zu nutzen.
2.2. In der gegen diesen Bescheid von der Verkäuferin erhobenen Berufung brachte die Berufungswerberin vor, sie habe am 17. März 1986 bei der Grundverkehrsbehörde erster Instanz die zeugenschaftliche Einvernahme von Gemeinderäten zum Nachweis dafür beantragt, daß die Gemeinde Nauders die Absichtserklärung abgegeben habe, die Liegenschaft der Agrargemeinschaft zuführen zu wollen. Eine positive Erledigung des Genehmigungsansuchens sei auch bei einer telephonischen Rückfrage zunächst in Aussicht gestellt worden. Erst in der weiteren Folge habe der Bürgermeister in einer Stellungnahme überraschend der Grundverkehrsbehörde eröffnet, daß das Grundstück lediglich als Tauschgrund angekauft würde. Die gesamte Verhaltensweise der Gemeinde Nauders deute darauf hin, daß sie sich nunmehr durch Änderung der beabsichtigten Nutzung der Verpflichtung aus dem Kaufvertrag entledigen wolle. Nach dem gesamten Ablauf des Verfahrens liege der Schluß nahe, daß Vertreter der Gemeinde massiv interveniert hätten, um sich aus der Verpflichtung des Kaufvertrages zu lösen.
Im Zuge des von der Landesgrundverkehrsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens bestätigte die Gemeinde Nauders die im Verfahren erster Instanz bereits telephonisch erfolgte Bekanntgabe schriftlich, daß der Grundkauf "im Hinblick darauf getätigt wurde, allenfalls Tauschgrund zur Verfügung zu haben".
Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 12. Oktober 1987, Z LGv-154/3-86, wurde sodann die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:
"Es ist unbestritten geblieben, daß es sich bei den vertragsgegenständlichen Liegenschaften um Grundstücke im Sinne des §1 Abs1 Z1 GVG handelt, sodaß deren Erwerb nach §3 Abs1 lita leg.cit. der Zustimmung durch die Grundverkehrsbehörde bedarf.
Gemäß §4 Abs1 GVG ist die Zustimmung nach §3 Abs1 bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken nur dann zu erteilen, wenn der Erwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung und Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht.
In Auslegung dieser allgemeinen öffentlichen Interessen führt §6 Abs1 litc GVG aus, daß einem Grunderwerb
insbesondere dann nicht zuzustimmen ist, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird.
Juristische Personen sind nach dem Tiroler GVG in Ansehung des Inländergrundverkehrs natürlichen Personen gleichgestellt; . . .
Nach dem Ausweis der Verwaltungsakten und dem eigenen
Vorbringen der Käuferin im Verwaltungsverfahren kann als außer
Streit gestellt erachtet werden, daß die Rechtserwerberin weder
über einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb . . . verfügt,
noch sie eine wie immer geartete Intention aufweist, die
Kaufgrundstücke als Basis für einen solchen - noch zu gründenden -
Betrieb zu verwenden. . . .
Soweit seitens der rechtsfreundlich vertretenen Einschreiterin geltend gemacht wird, daß die Kauffläche zu 'Arrondierungs- oder Kommassierungszwecken der Agrargemeinschaft zugeführt werden soll', genügt der Hinweis, daß dieses Parteivorbringen nicht im Einklang mit der Aktenlage steht bzw. der im Verwaltungsverfahren abgegebenen Erklärung der Rechtserwerberin widerspricht. Warum bei einer derartigen Situation die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten gewesen wäre, ist für die Landesgrundverkehrsbehörde nicht erkennbar, zumal eine ausschließlich von Verkäuferseite aufgestellte Behauptung bezüglich des Zweckes des Rechtserwerbes vor dem Hintergrund des §15 Abs2 GVG 1983 nicht genügen kann, um bei den Behörden des Verwaltungsverfahrens weitergehende Ermittlungspflichten auszulösen. Im übrigen ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung weder nach dem GVG 1983 noch nach dem AVG 1950 zwingend vorgesehen (siehe auch VwGH-Erk. vom 22.5.1986, Zln. 86/07/0009,0010-6).
Mit dem von der Berufungswerberin erhobenen Vorwurf, die Verhaltensweise der Käuferseite deute darauf hin, daß sich diese der Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zu entledigen beabsichtige, übersieht die rechtsfreundlich vertretene Einschreiterin, daß Gegenstand eines grundverkehrsbehördlichen Verfahrens ausschließlich die Frage ist, ob öffentliche Interessen im Sinne des GVG bestehen, dem Rechtsgeschäft die Genehmigung zu versagen, und damit in eben diesem öffentlichen Interesse das Rechtswirksamwerden des Rechtsgeschäftes auszuschließen, nicht aber etwa das nach Privatrecht zu beurteilende Ausmaß der Vertragsobliegenheiten der Parteien, worüber im Streitfall die nach §1 Jurisdiktionsnorm berufenen ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind (siehe hiezu auch das Erkenntnis des VwGH. vom 16.2.1977, Zl. 105/77-3). Des weiteren ist auch für die Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen eines Vertragspartners am Nichtzustandekommen der Rechtswirksamkeit des Rechtsgeschäftes im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden kein Raum (vergl. das Erk. des VwGH. vom 7.6.1971, Zl. 1863/70).
Soweit die Rechtsmittelwerberin auf §5 (Z. 1) GVG 1983 hinweist, ist für sie hieraus ebenfalls nichts zu gewinnen, da auch unter den Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle einem Rechtserwerb nur zuzustimmen ist, wenn kein ausreichender Grund zur Annahme vorliegt, daß der Erwerber den Grund nicht selbst oder nicht in einer der Beschaffenheit entsprechenden Weise bewirtschaften wird (vergl. hiezu auch das Erk. des VfGH. vom 13.6.1986, B67/84-12)."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Anwendung verfassungswidriger Gesetzesstellen behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Zunächst ist festzuhalten, daß der VfGH die von der Bf. behaupteten Normbedenken gegen §4 Abs1 GVG nicht teilt. Die Bf. meint, die Formulierung sei zu allgemein gehalten, sie überlasse es dem entscheidenden Organ, einem Rechtserwerb die Genehmigung ohne Prüfung der Kaufinteressen zu versagen, sodaß nicht ausgeschlossen sei, daß die Behörde einen Willkürakt setze. Dazu genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen, nach der gegen die in Rede stehende Bestimmung weder unter dem Aspekt des Determinierungsgebotes (vgl. VfSlg. 7198/1973, 7546/1975, 9063/1981) noch unter anderen Aspekten (vgl. insbesondere VfSlg. 6991/1973, 7836/1976, 8011/1977, 8518/1979 und in jüngerer Zeit VfSlg. 11413/1987, 11436/1987, 11690/1988 betr. §5 Abs1 Vbg. GVG) verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.
4.2. Soweit die Bf. argumentiert, der "Umweg über das Höchstgericht" (gemeint der Verfassungsgerichtshof) sei unzumutbar, weil diesem nur die Möglichkeit der Kassation eingeräumt sei, nicht aber die Befugnis meritorisch zu entscheiden, und daraus ableitet, hieraus ergebe sich eine unbillige Länge der Verfahren, geht das Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil es sich gegen eine in der Verfassung selbst enthaltene Regelung richtet.
Gleiches gilt für den Beschwerdevorwurf, daß der Ausschluß der Zuständigkeit des VwGH für Bescheide, die von einer Kommission nach Art133 Z4 B-VG erlassen werden, gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verstoße; auch dieser Vorwurf richtet sich gegen eine Verfassungsbestimmung, nämlich Art133 Z4 B-VG.
4.3.1. Die Ausführungen der Bf., sie sei auf Grund der Zusammensetzung der bel. Beh. in dem aus Art6 Abs1 MRK erfließenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung durch ein unparteiisches Tribunal verletzt, berücksichtigen weder die Rechtsprechung des VfGH noch jene des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Nach dieser Judikatur kann von einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nach Art6 Abs1 MRK nicht schon gesprochen werden, wenn einem Tribunal fachkundige Beamte angehören, die in ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit als Verwaltungsbeamte mit ähnlichen Angelegenheiten befaßt sind wie den vom Tribunal zu entscheidenden, soferne diese Beamten in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Tribunals weisungsfrei sind und in ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit keine funktionelle oder dienstliche Unterordnung zu einer Verfahrenspartei besteht (vgl. hiezu insbesondere VfSlg. 10634/1985, 10639/1985, aber auch EGMR, Fall Sramek, Urteil 22.10.1984). Daß eine derartige, zu Art6 MRK in Widerspruch stehende Konstellation bestanden hätte, behauptet die Bf. gar nicht.
4.3.2. Die Bf. meint jedoch weiters, der angefochtene Bescheid verstoße gegen die eben zitierte Konventionsbestimmung, weil die bel. Beh. den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens mißachtet habe.
Hiezu genügt es, auf das Erkenntnis des VfGH VfSlg. 11569/1987 zu verweisen, dessen Ausführungen auch für den vorliegenden Fall vollinhaltlich zutreffen.
4.4. Die Bf. wirft des weiteren der bel. Beh. eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Liegenschaftserwerbsfreiheit vor. So wie die bel. Beh. das Gesetz auslege, würden Gemeinden praktisch von einem Liegenschaftserwerb überhaupt ausgeschlossen.
Auch dieser Vorwurf trifft nicht zu, weil die bel. Beh. erkennbar nicht von einem solchen Standpunkt ausgegangen ist. Die Versagung der Genehmigung beruht ausschließlich darauf, daß dem Gebot einer Selbstbewirtschaftung auch von juristischen Personen entsprochen werden müsse, dies auch von Gemeinden, die worauf in der Gegenschrift verwiesen wird - durch keine Bestimmung des Grundverkehrsrechtes davon ausgenommen würden. Es ist offenkundig, daß diese Ausführungen dem Gesetz keinen Inhalt unterstellen, der zum Recht auf Liegenschaftserwerbsfreiheit in Widerspruch steht.
4.5.1. Mit dem Vorwurf, die bel. Beh. sei willkürlich vorgegangen, weil sie als außer Streit gestellt erachtet habe, daß die Rechtserwerberin über keinen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb verfüge, macht die Bf. eine Verletzung des Gleichheitsgebotes geltend; mit dem Vorwurf, das Gesetz denkunmöglich ausgelegt zu haben, weil §6 Abs1 litc GVG die Wendung "im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes" verwende und nicht seines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, wird der Sache nach auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht.
4.5.2. Auch diese Beschwerderügen sind offenkundig verfehlt.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985).
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die bel. Beh. im angefochtenen Bescheid zu Recht auf eine "Außerstreitstellung" des Faktums berufen konnte, daß die Gemeinde Nauders über keinen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb verfügt, weil es sich hiebei um keine tragende Aussage des angefochtenen Bescheides handelt. Bei der gegebenen Sachlage - die Gemeinde erklärte ausdrücklich, das Kaufobjekt lediglich als Tauschgrundstück verwenden zu wollen - kann der bel. Beh. jedenfalls nicht Willkür vorgeworfen werden; die Annahme der bel. Beh., daß eine Nichtselbstbewirtschaftung des Kaufobjektes zu besorgen sei, ist unter den gegebenen Umständen jedenfalls vertretbar. Ebenso ist der Vorwurf einer denkunmöglichen Auslegung des §6 Abs1 litc GVG offenkundig schon deshalb zu verneinen, weil die bel. Beh. sich mit ihrer Auffassung ausdrücklich auf die Rechtsprechung des VfGH stützte, was sich bei der gegebenen Sachlage auch keineswegs verbot.
5. Das Verfahren hat auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es aber auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Behördenzuständigkeit GrundverkehrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1359.1987Dokumentnummer
JFT_10119074_87B01359_00