Index
20/02 Familienrecht;Norm
EheG §55a Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 29. Dezember 1989, Zl. B 122-7/89, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erwarb auf Grund einer dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz mit Abgabenerklärung vom 20. Jänner 1983 angezeigten Vereinbarung von der X-Genossenschaft reg. Gen.m.b.H. einen näher bestimmten Anteil an einem inländischen Grundstück. In der Abgabenerklärung machte er Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß "§ 4 (1) Zif. 3b" GrEStG 1955 geltend. Der Erwerbsvorgang blieb vorerst unbesteuert.
Mit Schreiben vom 30. April 1985 gab der Beschwerdeführer gegenüber der genannten Genossenschaft die Erklärung ab, daß er auf das (ihm mit der genannten Vereinbarung eingeräumte) Anwartschaftsrecht bezüglich der Wohnung Nr. 20 im streitgegenständlichen Hause zugunsten seiner geschiedenen Gattin verzichte.
Dem lag zugrunde, daß sich der Beschwerdeführer in einem im Zuge eines Verfahrens nach § 55a Ehegesetz abgeschlossenen Vergleich verpflichtet hatte, gegenüber der Genossenschaft sämtliche notwendigen Erklärungen abzugeben, um dieses Anwartschaftsrecht auf seine Ehegattin zu überbinden.
Mit Bescheid vom 22. März 1988 setzte sodann das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz gegenüber dem Beschwerdeführer für den oben genannten Erwerbsvorgang Grunderwerbsteuer in Höhe von 8 % der Gegenleistung fest, da durch die Weiterveräußerung der "Grundanteile" vor Begründung von Wohnungseigentum an die geschiedene Ehegattin der begünstigte Zweck nicht erfüllt worden sei.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte darin vor, tatsächlich sei das Wohnungseigentum bereits begründet gewesen. Die Grunderwerbsteuer sei lediglich mit 2 % des anteiligen Einheitswertes zu bemessen.
Im Zuge des Berufungsverfahrens brachte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 18. August 1989 weiters (zum Teil berichtigend) vor, im Zuge des Scheidungsvergleiches sei vereinbart worden, daß die Ehegattin das Anwartschaftsrecht, nachdem zu diesem Zeitpunkt der Wohnungseigentumsvertrag noch nicht abgeschlossen gewesen sei, vom Beschwerdeführer übernehme. Zu diesem Zeitpunkt sei die Wohnung bereits von der Familie bewohnt worden. Der Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag sei dann von der geschiedenen Gattin des Beschwerdeführers am 14. Mai 1985 abgeschlossen worden. Es sei daher nicht von einer Aufgabe des begünstigten Zweckes auszugehen. Im übrigen sei das Sorgerecht für die Kinder der Gattin übertragen worden und daher der Wohnungsbedarf für die Gattin gegeben gewesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion für Steiermark die Berufung als unbegründet ab. Unbestritten sei, daß der Beschwerdeführer mit Scheidungsvergleich vom 30. Dezember 1983 seine Anwartschaftsrechte an der gegenständlichen Eigentumswohnung an seine Ehegattin übertragen habe. Es sei von ihm daher der begünstigte Zweck nicht erfüllt bzw. aufgegeben worden. Die Grunderwerbsteuer sei gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG 1955 mit 8 % - im Verhältnis zur Verkäuferin - von der Gegenleistung vorzuschreiben. Nicht der Rechtsvorgang der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens sei Gegenstand der grunderwerbsteuerlichen Betrachtung, sondern die Nichterfüllung des begünstigten Zweckes gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG 1955. Eine Differenzierung, aus welchen Gründen der begünstigte Zweck nicht erfüllt worden sei, sei gesetzlich nicht vorgesehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, daß ihm gegenüber für den eingangs erwähnten Erwerbsvorgang Grunderwerbsteuer nicht festgesetzt werde. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorausgeschickt sei, daß der Zeitpunkt des seinerzeitigen Erwerbsvorganges dem Akteninhalt nicht eindeutig entnommen werden kann. Das zur Grundlage der Besteuerung herangezogene Anbotschreiben der Genossenschaft trägt das Datum
6. Dezember 1979; die Annahme dieses Anbotes durch den Beschwerdeführer ist nicht datiert. Die Abgabenbehörde erster Instanz geht sowohl im Abgabenbescheid vom 22. März 1988 als auch in ihrer Berufungsvorentscheidung vom 6. Juni 1988 von einem "Anbot vom 20. 1. 1983", dem Datum der Abgabenerklärung, aus, was mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufungsergänzung vom 18. August 1989 übereinstimmt. Eine Klärung dieser Frage ist jedoch entbehrlich, weil sich hieraus für die Lösung der entscheidenden Rechtsfragen kein Unterschied ergibt.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 des im Beschwerdefall noch anzuwendenden GrEStG 1955 unterlagen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke bezogen, ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründete, der Grunderwerbsteuer.
Nach § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b leg. cit. in der Fassung VOR dem Abgabenänderungsgesetz 1985, BGBl. Nr. 557, war beim Wohnungseigentum der erste Erwerb eines Anteiles eines Grundstückes, auf dem eine in lit. a genannte Vereinigung oder ein gemeinnütziger Bauträger ein Wohnhaus geschaffen hatte, durch eine Person, die den Grundstücksanteil zur Begründung von Wohnungseigentum erwarb, von der Besteuerung ausgenommen. Durch Abschnitt VIII Art. I Z. 3 des Abgabenänderungsgesetzes 1985 wurde in diese Bestimmung nach den Worten "ein Wohnhaus geschaffen" die Worte "oder zu schaffen" (hat) eingefügt. Nach Art. II Abs. 1 dieser Gesetzesstelle war diese Fassung auf alle Vorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1979 verwirklicht wurden.
Gemäß § 4 Abs. 2 dritter Satz GrEStG 1955 idF vor dem Abgabenänderungsgesetz 1985 unterlagen unter anderem die im Abs. 1 Z. 1 bis 4 bezeichneten Erwerbsvorgänge der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wurde. Durch Abschnitt VIII Art. I Z. 4 des Abgabenänderungsgesetzes 1985 wurde diesem Absatz ein Satz folgenden Wortlautes angefügt:
"Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten, wodurch gleichteiliges Eigentum der Ehegatten an Wohnstätten im Sinne des Abs. 1 Z. 1 bis 3 begründet wird, gelten nicht als Aufgabe des begünstigten Zweckes, wenn der erwerbende Ehegatte den begünstigten Zweck innerhalb von acht Jahren, gerechnet vom Erwerb des übertragenden Ehegatten, erfüllt."
Gemäß Art. II Z. 2 des Abschnittes VIII des Abgabenänderungsgesetzes 1985 war der letzte Satz des § 4 Abs. 2 in der Fassung des Art. I Z. 4 auf alle Vorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1985 verwirklicht wurden.
In seinem Erkenntnis vom 14. Februar 1991, Zl. 90/16/0195, hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der damals belangten Behörde, die damalige Beschwerdeführerin habe den begünstigten Zweck des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 im Sinne des § 4 Abs. 2 dritter Satz leg. cit. durch eine Vereinbarung nach § 55a Abs. 2 EheG aufgegeben, weil sie nicht vorher Wohnungseigentum begründet hatte, unter Hinweis auf Vorjudikatur nicht als rechtswidrig erkannt. Im genannten Beschwerdefall hatten die damalige Beschwerdeführerin und ihr in der Folge von ihr geschiedener Ehegatte JE ZUR HÄLFTE die Ansprüche auf Übereignung einer Eigentumswohnung und eines Autoeinstellplatzes erworben; die Beschwerdeführerin hatte sodann mit gerichtlichem Vergleich ihr "Hälfteeigentum" an der Wohnung an ihren geschiedenen Ehegatten abgetreten.
Nichts anderes kann daher auch im vorliegenden Fall gelten, in welchem der Beschwerdeführer ALLEIN das Anwartschaftsrecht an der Wohnung erworben, jedoch vor Begründung des Wohnungseigentums an seine geschiedene Ehegattin übertragen hat.
Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, schlägt nicht durch.
Fehl geht der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1989, Zl. 88/16/0107. Damals ging es lediglich um die Frage der GEGENLEISTUNG in einem Fall, in welchem im Zuge der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Sinne der §§ 81 ff EheG jedem der beiden Ehegatten eine von zwei Eigentumswohnungen zufallen sollte. Die Frage einer allfälligen Aufgabe eines begünstigten Zweckes war nicht Gegenstand dieses Erkenntnisses.
Richtig ist zwar, daß - worauf auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem zuletzt zitierten Erkenntnis hingewiesen hat - das Bundesgesetz vom 15. Juni 1978, BGBl. Nr. 280, nach der Absicht des Gesetzgeber die Folgen einer gescheiterten Ehe für alle Betroffenen möglichst erleichtern wollte. Das GrEStG 1955 wurde durch dieses Gesetz (und zwar durch dessen Art. XI) jedoch lediglich in seinem § 14 Abs.1 Z. 1 (Steuersatz bei der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und eheliche Ersparnisse) geändert. Im übrigen war es, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 14. Februar 1991, Zl. 90/16/0195, dargetan hat, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Entstehung der Steuerschuld nach § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 unerheblich, aus welchen Gründen der begünstigte Zweck nicht erfüllt wurde. Es ist daher im Beschwerdefall auch ohne Bedeutung, daß - wie der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgebracht hat - auf Grund der Übertragung des Sorgerechtes für die Kinder an seine geschiedene Gattin ein dringendes Wohnbedürfnis derselben bestanden habe. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Verfahrensrüge war die belangte Behörde daher auch nicht verpflichtet, über diesen Umstand Ermittlungen zu pflegen.
Es kommt auch nicht darauf an, daß der Beschwerdeführer den Wohnungseigentumsvertrag bei Unterbleiben der Scheidung selbst abgeschlossen HÄTTE und ob die Überlassung der Wohnung an die geschiedene Gattin freiwillig oder etwa auf Grund einer aus dem Familienrecht resultierenden Verpflichtung erfolgt sei, wie der Beschwerdeführer behauptet.
Auch aus dem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1981, Zl. 16/1227/80 (Slg. Nr. 5603/F) ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Damals hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, der Ehegatte, der nur den "Anteil am Mindestanteil" gemäß § 9 Abs. 1 WEG 1975 an seinen Ehegatten übertrage, gebe nicht den im § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 angeführten begünstigten Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 2 dritter Satz leg. cit. auf, WENN die Verpflichtung im Sinne des § 90 ABGB idF BGBl. Nr. 412/1975 zum gemeinsamen Wohnen unverändert weiterbestehe. Gerade letzteres trifft jedoch im Beschwerdefall nicht zu, dies ganz abgesehen davon, daß nicht nur der "Anteil am Mindestanteil", sondern das gesamte Anwartschaftsrecht übertragen wurde.
Beim Verwaltungsgerichtshof sind auch - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 entstanden, die ihn zu einer Anfechtung dieser Bestimmung beim VfGH veranlassen könnten. Der Beschwerdeführer meint, es sei sachlich nicht gerechtfertigt und widerspreche daher dem Gleichheitsgrundsatz, wenn eine dem Zwecke der Befriedigung des Wohnbedürfnisses einer Familie erworbene Eigentumswohnung einerseits beim Ersterwerb steuerlich begünstigt werde, andererseits beim "teilweisen" Zerfall der diese Wohnung benützenden Familie davon ausgegangen werde, der Zweck wäre insgesamt weggefallen. Die Bestimmung des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 sei hinsichtlich der Voraussetzungen für den Wegfall der Privilegierung zu weit gefaßt und sehe eine notwendige Ausnahme - im Sinne der vorgebrachten Bedenken - nicht vor.
Hiebei verkennt der Beschwerdeführer zunächst schon, daß der Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b leg. cit. in jeder der beiden genannten Fassungen NICHT auf das Wohnbedürfnis einer Familie abstellt, sondern die Schaffung von Wohnungseigentum an sich begünstigen wollte. Davon abgesehen wurde die vom Beschwerdeführer gemeinte "Privilegierung" erst durch den mit dem Abgabenänderungsgesetz 1985 neu geschaffenen vierten Satz des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 ins Leben gerufen. Gerade diese Bestimmung ist jedoch nach dem bereits zitierten Art. II Z. 2 des Abschnittes VIII des Abgabenänderungsgesetzes 1985 nur auf jene Vorgänge anzuwenden, die NACH dem 31. Dezember 1985 verwirklicht wurden. Die Aufgabe des begünstigten Zweckes seitens des Beschwerdeführers erfolgte jedoch bereits mit Schreiben vom 30. APRIL 1985. In der sohin anzwendenden Fassung des 4 Abs.2 GrEStG 1955 idF VOR dem Abgabenänderungsgesetz 1985 war jedoch die erwähnte Privilegierung nicht enthalten, eine Ungleichbehandlung der Übertragung von Wohnungseigentum bei aufrechter Ehe einerseits, im Zuge einer Scheidung andererseits daher nicht gegeben.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990160039.X00Im RIS seit
11.04.1991