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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 23. Oktober 1990, Zl. 5-212 Re 44/4-90, betreffend Übertretung des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen (mitbeteiligte Partei: Herbert R. in U., Hauptstraße 85), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Das Arbeitsinspektorat für den 11. Aufsichtsbezirk in Graz erstattete unter Berufung auf die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Arbeitsinspektionsgesetz 1974 mit Schreiben vom 17. April 1990 Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung und beantragte, gegen die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wegen Übertretungen der §§ 11 Abs. 1, 16, 18 Abs. 3 und 19 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 - KJBG Geldstrafen in der Höhe von je S 3.000,-- und wegen der Übertretung des § 26 Abs. 1 des KJBG eine Geldstrafe von
S 1.000,-- zu verhängen. Die mitbeteiligte Partei sei bereits mit "Strafbescheid" vom 28. August 1985 wegen einer Übertretung des KJBG bestraft worden; es liege somit ein Wiederholungsfall gemäß § 30 leg. cit. vor. Entsprechend diesem Antrag erkannte die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung mit Strafverfügung vom 28. Mai 1990 die mitbeteiligte Partei für schuldig, Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 26 Abs. 1 in fünf Fällen,
2.)
§ 11 Abs. 1 in vier Fällen, 3.) § 16 in vier Fällen,
4.)
§ 18 Abs. 3 in fünf Fällen, 5.) § 19 Abs. 2 in fünf Fällen und 6.) § 11 Abs. 1 in fünf Fällen, jeweils des KJBG begangen zu haben. Gemäß § 30 KJBG wurden Geldstrafen von zu 1.) je
S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe je 48 Stunden), insgesamt daher
S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe insgesamt 10 Tage), 2.) je
S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe je 4 Tage), insgesamt daher
S 12.000,-- (Ersatzarreststrafe insgesamt 16 Tage), 3.) je
S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe je 4 Tage), insgesamt daher
S 12.000,-- (Ersatzarreststrafe insgesamt 16 Tage), 4.) je
S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe je 4 Tage), insgesamt daher
S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe insgesamt 20 Tage), 5.) je
S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe je 4 Tage), insgesamt daher
S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe insgesamt 20 Tage) und zu
6.) je S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe je 4 Tage), insgesamt daher S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe insgesamt 20 Tage), verhängt.
Gegen diese Strafverfügung erhob die mitbeteiligte Partei Einspruch, welcher sich lediglich gegen die Höhe der verhängten Strafen richtete. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Oktober 1990 gab die belangte Behörde diesem, gemäß § 49 Abs. 2 VStG 1950 als Berufung zu wertenden Rechtsmittel insoweit teilweise Folge, als die Geldstrafen zu den Übertretungen 2.) bis 6.) auf je S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe je 3 Tage) reduziert wurden. In der Begründung wurde ausgeführt, daß das aufrichtige Schuldgeständnis sowie die schlechte finanzielle Lage der mitbeteiligten Partei als strafmildernde Umstände zu werten seien. Weiters sei auf das Vorbringen Bedacht genommen worden, daß die mitbeteiligte Partei Maßnahmen getroffen habe, durch die die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften des KJBG sichergestellt erscheine. Dem Einwand des Arbeitsinspektorates, daß es sich um einen Wiederholungsfall handle und daher die gesetzliche Mindeststrafe S 3.000,-- betrage, wurde von der belangten Behörde entgegengehalten, daß die Bestrafung im August 1985 lediglich wegen EINER Verwaltungsübertretung erfolgt sei, und nur mehr wenige Monate für die Erreichung der Tilgung fehlten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, gemäß § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 erhobene Beschwerde. Das Beschwerdevorbringen läßt sich dahin zusammenfassen, der Beschwerdeführer vertrete den Standpunkt, daß ein Unterschreiten der im § 30 KJBG vorgesehenen Mindeststrafe von S 3.000,-- für den hier gegebenen Wiederholungsfall nicht zulässig sei, da die mitbeteiligte Partei unbestritten im Jahre 1985 wegen einer Übertretung des KJBG rechtskräftig bestraft worden sei. Es sei unerheblich, ob die Tilgungsfrist in wenigen Monaten ablaufe und die Bestrafung im Jahre 1985 lediglich wegen EINER Verwaltungsübertretung erfolgt sei.
Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde; die mitbeteiligte Partei erstattete keine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 30 erster Satz KJBG ist, wer diesem Bundesgesetz oder einer aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,--, im Wiederholungsfall von S 3.000,-- bis S 30.000,--, oder mit Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen zu bestrafen.
Der mit "Tilgung der Strafe" überschriebene § 55 VStG 1950 lautet:
(1) Ein wegen einer Verwaltungsübertretung verhängtes Straferkenntnis zieht, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, keinerlei Straffolgen nach sich und gilt nach Ablauf von fünf Jahren nach Fällung des Straferkenntnisses als getilgt.
(2) Getilgte Verwaltungsstrafen dürfen in amtlichen Leumundszeugnissen oder Auskünften für Zwecke eines Strafverfahrens nicht erwähnt und bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren nicht berücksichtigt werden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 12. Februar 1982, Zl. 81/04/0100) hat die Berufungsbehörde allenfalls auch erst während des Berufungsverfahrens eingetretene Umstände bei der Strafbemessung wahrzunehmen. Dies gilt auch für den Ablauf der Tilgungsfrist hinsichtlich einer Vorstrafe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Jänner 1978, Zl. 2035/77).
Ausgehend davon hatte die belangte Behörde auf den den Strafrahmen ändernden Umstand des Vorliegens eines Wiederholungsfalles im Grunde des § 30 erster Satz KJBG nur dann Bedacht zu nehmen, wenn zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides die erwähnte (einzige) Vorstrafe der mitbeteiligten Partei noch nicht getilgt war. Dies ist allerdings zu verneinen, zumal kein Anhaltspunkt dafür - auch der Beschwerdeführer behauptet solches nicht - besteht, daß das mit 28. August 1985 datierte Straferkenntnis so spät erlassen wurde, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides die Tilgung dieser Vorstrafe gemäß § 55 Abs. 1 VStG 1950 noch nicht eingetreten war. Die belangte Behörde hatte daher nicht von einem Wiederholungsfall im Sinne des § 30 erster Satz KJBG auszugehen.
Daraus folgt, daß sich die Beschwerde als unbegründet erweist, was gemäß § 42 Abs. 1 VwGG zu ihrer Abweisung führt.
Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde war im Grunde des § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.
Schlagworte
Erschwerende und mildernde Umstände Vorstrafen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990190586.X00Im RIS seit
15.04.1991