Index
L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;Norm
SHG NÖ 1974 §42;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Februar 1990, Zl. VII/1-F-31.694/4-90, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 25. November 1975 wurde Josef N (Vater des Beschwerdeführers) gemäß § 9 Abs. 4 des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-0, Hilfe zum Lebensunterhalt (erstmalig) durch Unterbringung im Landesaltenheim M ab Aufnahmetag gewährt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 10. Mai 1979 wurde Josef N gemäß § 9 Abs. 4 des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-0, Hilfe zum Lebensunterhalt durch Unterbringung im NÖ Landesaltenheim P ab Aufnahmetag gewährt. Der Genannte wurde am nn in das besagte Landesaltenheim aufgenommen und ist seither dort untergebracht.
Mit Bescheid vom 9. Mai 1989 sprach die Bezirkshauptmannschaft Amstetten (BH) aus, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht verpflichtet sei, "zu den Kosten der Sozialhilfe" für seinen Vater Josef N "ab 1. Februar 1989 einen Kostenersatz von S 36,-- täglich zu leisten". Diesen Betrag müsse der Beschwerdeführer bis Fünften eines jeden Monates an die BH, Sozialkasse, zahlen. Die Rechtsgrundlage für diese Entscheidung sei § 42 des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-6
(NÖ SHG).
Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die NÖ Landesregierung (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 5. Februar 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 teilweise Folge und sprach gemäß § 42 NÖ SHG aus, der Beschwerdeführer sei verpflichtet, zu den Kosten der Sozialhilfe für seinen Vater Josef N ab 1. Februar 1989 bis 30. August 1989 einen Kostenersatz von S 235,-- monatlich und ab 1. September 1989 einen Kostenersatz von S 997,-- monatlich zu leisten.
Begründend führte die belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefaßt - aus: Der Vater des Beschwerdeführers beziehe eine Invaliditätspension (Mindestpension), und zwar seit 1975, da er krankheitsbedingt arbeitsunfähig sei. Seit diesem Zeitpunkt habe er, unterbrochen durch Aufenthalte im Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Mauer, in niederösterreichischen Landesaltenheimen gelebt, da er auf Grund seines Krankheitsbildes "nicht in der Lage war und ist, allein zu leben". Der Vater habe für den Beschwerdeführer bis Juni 1986 eine monatliche Unterhaltsleistung erbracht. Auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches vom 3. Dezember 1971 sei der Vater des Beschwerdeführers verpflichtet gewesen, monatlich S 550,-- an Unterhalt zu bezahlen. In den Jahren 1979 bis 1981 habe die Unterhaltsleistung 50 Prozent der Invaliditätspension, das seien S 1.554,-- monatlich, betragen. Der Vater des Beschwerdeführers habe daher für dessen Unterhalt im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit gesorgt. Die täglichen Verpflegskosten im Landesaltenheim P betrügen von Jänner 1989 bis 30. August 1989 S 180,-- und ab 1. September 1989 S 205,--, somit pro Monat S 5.490,-- bzw. S 6.252,--. Ziehe man zum Vergleich die Unterbringungskosten in einem Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie heran, so handle es sich um eine im vorliegenden Fall kostengünstige Unterbringung. Da der Vater des Beschwerdeführers auf Grund seines Krankheitsbildes (depressive Antriebslosigkeit) gar nicht in der Lage gewesen sei, vom Landeskrankenhaus Mauer bzw. von P mit dem Beschwerdeführer in N persönlich Kontakt aufzunehmen und er überdies - wie er niederschriftlich angegeben habe - dem Beschwerdeführer mehrmals geschrieben, jedoch keine Antwort erhalten habe, könne keine Rede davon sein, daß wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen ein Kostenersatz sittlich nicht gerechtfertigt wäre. Im übrigen habe der Vater des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Wiederverehelichung der Mutter des Beschwerdeführers das Gefühl gehabt, unerwünscht zu sein.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der ihren Ausführungen zufolge Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht, nicht zum Kostenersatz für die Josef N geleistete Sozialhilfe herangezogen zu werden, verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 42 Abs. 1 NÖ SHG haben Personen, die unter anderem gesetzlich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten. Eine Verpflichtung zum Kostenersatz besteht gemäß § 42 Abs. 2 NÖ SHG nicht, wenn dieser wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt wäre.
Nach § 143 Abs. 1 ABGB schuldet das Kind unter anderem seinen Eltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.
Der Beschwerdeführer wendet zunächst wie schon im Verwaltungsverfahren ein, eine Verpflichtung zum Kostenersatz bestünde im vorliegenden Fall nicht, da der Kostenersatz infolge des Fehlens jeglichen Kontaktes zwischen ihm und seinem Vater sittlich nicht gerechtfertigt wäre. Zu berücksichtigen wäre hiebei noch, daß Josef N die geringfügigen Unterhaltsleistungen nicht freiwillig erbracht habe, sondern vom Jugendamt dazu verhalten worden sei.
Dieses Vorbringen ist nicht stichhältig. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides, die vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen werden, sowie der Lage der Verwaltungsakten wurden vom Vater des Beschwerdeführers regelmäßig von der Geburt des Beschwerdeführers bis zu seiner Selbsterhaltungsfähigkeit Unterhaltsleistungen in der Weise erbracht, daß diese jeweils zunächst von seinem Lohn und in der Folge von seiner Invaliditätspension einbehalten und an die Mutter des Beschwerdeführers ausbezahlt wurden. Nach der Aktenlage besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Vater des Beschwerdeführers zu irgendeinem Zeitpunkt imstande gewesen wäre, auf Grund seines Einkommens höhere (als die von der belangten Behörde festgestellten) Unterhaltsleistungen zu erbringen. Bei diesem Sachverhalt kann daher keine Rede davon sein, daß der Vater des Beschwerdeführers seine Unterhaltspflicht dem Beschwerdeführer gegenüber vernachlässigt, geschweige denn gröblichst vernachlässigt hat. Was aber das weiters vom Beschwerdeführer seinem Vater zum Vorwurf gemachte Fehlen des persönlichen Kontaktes zu ihm anlangt, so hat die belangte Behörde der Aussage des Vaters folgend festgestellt, daß teilweise die laut den Verwaltungsakten mindestens seit 1974 bei ihm bestehende psychische Krankheit und teilweise die einer Kontaktaufnahme entgegenstehende Haltung der Mutter des Beschwerdeführers nach erfolgter Ehescheidung die persönliche Kontaktaufnahme verhindert haben. Da auch diese Feststellungen vom Beschwerdeführer unbekämpft geblieben sind, vermag der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde daraus gezogenen Schluß, daß der fehlende Kontakt zwischen Vater und Sohn, an dem den Vater kein Verschulden treffe, keinen Grund bilde, wodurch der Kostenersatz im Sinne des § 42 Abs. 2 NÖ SHG sittlich nicht gerechtfertigt wäre, keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.
Auch aus dem Hinweis der Beschwerde, auf das Ersuchen des Vaters des Beschwerdeführers, seinen Sohn nicht zum Kostenersatz heranzuziehen, kann für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen werden, weil gemäß § 42 Abs. 4 NÖ SHG selbst ein Verzicht des Hilfeempfängers auf jeglichen Unterhalt gegenüber dem Sozialhilfeträger keinerlei Rechtswirkung zu erzeugen vermag.
Der Beschwerdeführer hat in dem den Kostenrückersatz betreffenden Verwaltungsverfahren (ebenso in der Beschwerde) die Rechtmäßigkeit des Bescheides der BH vom 10. Mai 1979, mit welchem dem Josef N Hilfe zum Lebensunterhalt durch Unterbringung im NÖ Landesaltenheim P gewährt worden war, insofern in Zweifel gezogen, als er die medizinische Notwendigkeit des Aufenthaltes seines Vaters im NÖ Landesaltenheim P bestreitet. Zur Erhebung eines solchen Einwandes war der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes legitimiert. Nach der ständigen Judikatur des Gerichtshofes steht ein Gewährungsbescheid nicht der Berücksichtigung von Einwendungen des zum Kostenersatz Herangezogenen gegen die Berechtigung der Gewährung der Sozialhilfeleistung in dem die Ersatzpflicht betreffenden Verfahren entgegen; vielmehr ist die Behörde gehalten, in diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit der Zuerkennung der Leistung ohne Bindung an den Gewährungsbescheid neuerlich zu klären (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 1. März 1988, Zl. 87/11/0232, und die dort zitierten Judikate sowie vom 18. Februar 1991, Zl. 90/19/0526).
Die belangte Behörde hat zwar in dem angefochtenen Bescheid allgemein festgestellt, daß Josef N an depressiver Antriebslosigkeit leide und "auf Grund seines Krankheitsbildes nicht in der Lage war und ist, allein zu leben". Angesichts der mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug ausgesprochenen Kostenersatzpflicht des Beschwerdeführers ab 1. Februar 1989 stellt sich die Frage der Notwendigkeit der Unterbringung des Josef N in dem genannten Landesaltenheim in zeitlicher Hinsicht allein für den Zeitraum ab 1. Februar 1989. Dem angefochtenen Bescheid ist nicht zu entnehmen, worauf sich die erwähnten Feststellungen gründen und auf welchen Zeitpunkt sie sich beziehen. Die Verwaltungsakten enthalten lediglich einen undatierten "Befundbericht" von einem Facharzt namens Dr. Helmut S, in dem bestätigt wird, daß Josef N seit März 1974 in seiner Behandlung stehe und daß es sich diagnostisch um eine Defektpsychose mit völliger Antriebslosigkeit handle. Diesem Befund folgte dann die erste Aufnahme des Vaters des Beschwerdeführers in das Landesaltenheim M mit dem eingangs erwähnten Bescheid vom 25. November 1975. Des weiteren erliegt in den Akten ein "ärztlicher Befund" des Vorstandes der I. Rehabilitations- und Arbeitstherapeutischen Abteilung für Männer des NÖ Landeskrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie in Mauer vom 12. Februar 1979, in dem bescheinigt wird, daß ein schizophrener Defekt vorliege, der Patient sei introvertiert, kontaktarm und bedürfe unbedingt einer regelmäßigen Therapie. Offenbar bildete dieser Befund die Grundlage für die Aufnahme von Josef N in das NÖ Landesaltenheim P mit Bescheid vom 10. Mai 1979.
Aus dem Vorstehenden folgt, daß, selbst wenn im Zeitpunkt der Aufnahme des Vaters des Beschwerdeführers in das Landesaltenheim P die Notwendigkeit des Anstaltsaufenthaltes geprüft worden sein sollte - wofür sich in den vorgelegten Verwaltungsakten kein Hinweis findet -, jedenfalls für den im Beschwerdefall bedeutsamen Zeitraum nicht auf sachverständiger Basis die Notwendigkeit des Aufenthaltes im Landesaltenheim dargetan worden ist und damit die Berechtigung der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt an Josef N durch Unterbringung im genannten Landesaltenheim nicht feststeht. Bei der gegebenen Sachlage wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, vor Erlassung ihrer den Beschwerdeführer zum Kostenersatz verpflichtenden Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen (gemäß § 52 Abs. 1, allenfalls nach § 52 Abs. 2 AVG 1950) zu der in Rede stehenden Frage einzuholen und dazu Parteiengehör zu gewähren.
Da erst dann, wenn einwandfrei die Notwendigkeit des Aufenthaltes des Josef N im NÖ Landesaltenheim P ab 1. Februar 1989 feststeht, von der Berechtigung der Gewährung der Sozialhilfe an Josef N in Form der Unterbringung im NÖ Landesaltenheim gemäß § 9 Abs. 4 NÖ SHG ausgegangen werden kann, was im derzeitigen Verfahrensstadium nicht der Fall ist, kann derzeit vom Verwaltungsgerichtshof auch nicht beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 42 Abs. 1 NÖ SHG im Rahmen seiner Unterhaltspflicht zum Kostenersatz herangezogen worden ist.
Nach dem Gesagten ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das über den zugesprochenen Betrag hinausgehende Mehrbegehren war mangels Anspruches abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990190234.X00Im RIS seit
13.07.2001