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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §62 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 6. November 1990, Zl. 14-SV-3368/5/90, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 4. Februar 1991, Zl. 14-SV-3068/1/91, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. November 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als das gemäß § 9 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher angeführten Gesellschaft zu verantworten, daß, wie anläßlich einer Überprüfung einer näher bezeichneten Baustelle durch ein Organ des Arbeitsinspektorates am 16. Jänner 1989 festgestellt worden sei, sechs auf dieser Baustelle beschäftigten, namentlich genannten Arbeitnehmern keine normgerechten Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt worden seien, obwohl für die Genannten bei deren beruflicher Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen oder Hautabschürfungen für die Beine bestanden habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch sechs Verwaltungsübertretungen nach § 70 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Bescheid vom 4. Februar 1991 berichtigte die belangte Behörde ihren Bescheid vom 6. November 1990 gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 bezüglich des Vornamens des Beschwerdeführers.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf den erwähnten Berichtigungsbescheid ist dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen der Boden entzogen, da der angefochtene Bescheid in seiner berichtigten Fassung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugrunde zu legen ist (vgl. den Beschluß eines hg. verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.329/A).
Die Absätze 1 und 2 des mit "Schutz der Gliedmaßen"
überschriebenen § 70 AAV lauten wie folgt:
(1) Jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen oder Hautschädigungen für die Arme insbesondere durch mechanische Einwirkungen, Flammen-, Hitze- und Kälteeinwirkungen, Strahlung, infektiöse, ätzende oder reizende Arbeitsstoffe besteht, ist ein passender, zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material zur Verfügung zu stellen, wie Schutzhandschuhe, erforderlichenfalls mit Stulpen oder Fingerstahlkappen, Handleder, Arm- oder Pulsschützer; dies gilt auch für Tätigkeiten, bei denen die Arme mit giftigen Arbeitsstoffen in Kontakt kommen können, sowie für Arbeiten, die mit einer starken Verunreinigung verbunden sind. Schutzhandschuhe sind erforderlichenfalls nach ihrer Benützung ausreichend zu reinigen, zu desinfizieren oder auszuscheiden.
(2) Jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen oder Hautschädigungen für die Beine insbesondere durch Einwirkungen nach Abs. 1 besteht und für diese Tätigkeit Arbeitsschuhe nicht geeignet sind, ist ein passender, zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material zur Verfügung zu stellen, wie Sicherheitsschuhe, Stiefel, Gamaschen, Schienbeinschützer oder Knieschützer. Schuhwerk muß erforderlichenfalls gegen Eindringen von Nässe, geschmolzenem heißem oder glühendem Material sowie von giftigen ätzenden oder reizenden Arbeitsstoffen schützen, mit durchtrittsicherer, gleitsicherer oder antistatischer Sohle ausgestattet sein, Zehen-, Knöchel- oder Mittelfußschutz besitzen sowie leicht und schnell abstreifbar sein.
Entsprechend dem dem Beschwerdeführer gemachten Vorwurf hatte die belangte Behörde daher zu prüfen, ob die in Rede stehenden Arbeitnehmer zur Tatzeit eine Tätigkeit entfaltet haben, bei der im Sinne des ersten Satzes des § 70 Abs. 2 AAV die Gefahr von Verletzungen oder Hautschädigungen für die Beine, insbesondere durch im ersten Satz des ersten Absatzes dieses Paragraphen beschriebene Einwirkungen bestanden hat und zur Gefahrenabwehr mit Arbeitsschuhen nicht das Auslangen gefunden werden konnte.
Insoweit stützte sich die belangte Behörde auf die zeugenschaftliche Aussage des Organes des Arbeitsinspektorates vom 22. Februar 1990, wonach die Arbeitnehmer "Verputzarbeiten und sonstige Maurerarbeiten" auf der genannten Baustelle durchgeführt hätten. Auf einer derartigen Baustelle bestünde die Verpflichtung, Sicherheitsschuhe zu tragen, um Verletzungen (wie zum Beispiel Nageleintreten, Anstoßen, Quetschungen von Zehen durch herabfallende Gegenstände) zu verhindern. Auch beim Gerüstaufstellen und beim -abtragen sei das Tragen von Sicherheitsschuhen erforderlich.
Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings der Ansicht, daß diese Zeugenaussage vom 22. Februar 1990 nicht ausreicht, einen verläßlichen Schluß darauf zu ziehen, daß der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Tat zu verantworten habe. Vielmehr hätte es - da der Beschwerdeführer diesbezügliche Zweifel geäußert hat und dies keineswegs auf der Hand liegt - der Einholung eines entsprechenden Gutachtens eines Sachverständigen bedurft, welcher unter näherem Eingehen auf die von den Arbeitern zur Tatzeit durchgeführten Arbeiten schlüssig darzulegen gehabt hätte, inwieweit dabei die Gefahr von Verletzungen oder Hautschädigungen für die Beine im Sinne des Gesagten besteht und für diese Tätigkeit zur Gefahrenabwehr mit Arbeitsschuhen nicht das Auslangen gefunden werden kann, sondern hiefür Sicherheitsschuhe erforderlich sind. Dazu wird es allerdings allenfalls erforderlich sein, vorerst Feststellungen zu treffen, was unter "sonstigen Maurerarbeiten" im Sinne der erwähnten Zeugenaussage vom 22. Februar 1990 zu verstehen ist, und ob die Arbeiter neben diesen Arbeiten und den Verputzarbeiten auch mit dem Aufstellen oder dem Abtragen eines Gerüstes beschäftigt waren, sofern der Sachverständige nicht schon zum Schluß kommt, daß schon die Verputzarbeiten allein die Verwendung von Sicherheitsschuhen erforderlich gemacht haben.
Zu einem diesbezüglichen Beschwerdeeinwand sei allerdings darauf verwiesen, daß im hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1989, Zl. 89/07/0020, nicht die Aussage getroffen wurde, im Falle einer auf § 66 Abs. 2 AVG 1950 gestützen Zurückverweisung einer Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung sei der schließlich (im zweiten Rechtsgang) ergangene Berufungsbescheid in jedem Fall vom Verwaltungsgerichtshof aufzuheben, wenn eine Verhandlung nicht durchgeführt wurde. Vielmehr ist aus diesem Erkenntnis zu entnehmen, daß der so ergangene Berufungsbescheid nur dann aufzuheben ist, wenn diesem Verfahrensmangel Relevanz in dem Sinne zukommt, daß die Berufungsbehörde bei dessen Unterbleiben zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Ob ein solcher Verfahrensmangel im Beschwerdefall vorliegt, braucht allerdings im Hinblick auf den oben aufgezeigten Verfahrensmangel nicht untersucht zu werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Inhalt der BerufungsentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990190590.X00Im RIS seit
15.04.1991