TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/16 90/11/0124

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Veröffentlicht am 16.04.1991
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1978 §37 Abs2 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des K gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 8. Mai 1990, Zl. 685.947/1-2.5/89, betreffend Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst, in der Fassung des Berichtigungsbescheides des Bundesministers für Landesverteidigung vom 31. Jänner 1991, Zl. 685.947/10-2.5/90, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 8. Mai 1990 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Oktober 1988 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß (dem im vorliegenden Beschwerdefall noch anzuwendenden) § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 können Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Die belangte Behörde hat im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer - auf Grund eines mit seinem Bruder Michael abgeschlossenen Notariatsaktes vom 13./14. November 1985 - zu 50 Prozent Teilhaber an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zum Zwecke der Führung eines näher bezeichneten Gastgewerbebetriebes ist, wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers an der von ihm begehrten Befreiung angenommen, jedoch die besondere Rücksichtswürdigkeit dieser Interessen verneint. Sie hat ihm u.a. unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu auch die Erkenntisse vom 30. Juni 1987, Zl. 87/11/0093, vom 16. Mai 1989, Zl. 88/11/0177, und vom 7. November 1989, Zl. 89/11/0054) sinngemäß entgegengehalten, daß es Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, daß einer Einberufung keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entgegenstehen, zumal der Wehrpflichtige die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes so vorzunehmen hat, daß für den Fall der Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert, nicht aber vergrößert oder gar erst geschaffen werden. Der Beschwerdeführer habe auf Grund des Ergebnisses der im Jahre 1979 erfolgten Stellung sowie des letzten ihm gewährten Aufschubes des Antrittes des ordentlichen Präsenzdienstes auf Grund seines Hochschulstudiums bis Februar 1989 wissen müssen, daß er mit seiner Einberufung zu rechnen habe, dessen ungeachtet aber bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen darauf nicht Bedacht genommen. Der Begründung des angefochtenen Bescheides läßt sich allerdings nicht mit Bestimmtheit entnehmen, ob die belangte Behörde eine Verletzung der Harmonisierungspflicht im dargestellten Sinne durch den Beschwerdeführer bereits in der Gründung des betreffenden Unternehmens oder erst in seinem späteren Verhalten (insbesondere durch Eingehen weiterer finanzieller Verpflichtungen im Rahmen dieses Betriebes bzw. auf Grund mangelnder Vorsorge, einen "leitenden Angestellten" einzustellen, der den Beschwerdeführer während seiner präsenzdienstbedingten Abwesenheit ersetzen könnte) erblickte, wobei demnach im übrigen sogar offengeblieben ist, ob der Beschwerdeführer schon deshalb nicht als vom Betrieb unabkömmlich angesehen werden könnte, weil der Betrieb auch allein durch seinen Bruder (trotz dessen festgestellter Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 Prozent) ohne Existenzgefährdung weitergeführt werden könnte.

In der Begründung seines Befreiungsantrages heißt es, daß der Beschwerdeführer seit dem Wintersemester 1981/82 an der Universität Innsbruck Betriebswirtschaftslehre studiert habe und während des Studiums "immer im elterlichen Betrieb" (nach der Aktenlage handelt es sich um ein Feinkostgeschäft im selben Gebäude, in dem dann der Beschwerdeführer und sein Bruder Michael ihr Unternehmen gründeten) tätig gewesen sei. "Auf Grund familiärer und wirtschaftlicher Überlegungen" hätten sein Bruder und er einen eigenen Betrieb gegründet. Die betriebliche Situation nach der Wintersaison 1985/86 und "die gesundheitlichen Probleme" seines Bruders hätten den Abbruch des Studiums und seine volle Mitarbeit im Betrieb erfordert. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 24. Februar 1989 brachte er in diesem Zusammenhang vor, daß er "ursprünglich im ersten Betriebsjahr" sein Studium habe beenden und dann den Präsenzdienst habe leisten wollen, doch habe "die wirtschaftliche Situation, wie ich schon geschrieben habe, den Abbruch meines Studiums erfordert". Er weise auch nochmals darauf hin, daß sein Bruder "große gesundheitliche Probleme" habe, auf Grund der dieser aus dem Betrieb ausscheiden müsse und nicht mehr aktiv mitarbeiten könne. "Auch dies" sei für den Beschwerdeführer "nicht von vornherein absehbar" gewesen und stelle ihn "vor neue Probleme". In der Beschwerde wird - grundsätzlich auf dem Boden der wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - geltend gemacht, daß "dem Einzelfall des Beschwerdeführers" zu seinen Lasten nicht Rechnung getragen worden sei. Zur Beurteilung der Rücksichtswürdigkeit sei "zunächst zu unterscheiden, ob der Beschwerdeführer SCHULDLOS oder SCHULDHAFT in die zu beurteilende gegenwärtige Situation gelangt" sei. "Ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers" könne darin, "daß er zusammen mit seinem Zwillingsbruder 1985 begann, einen gastgewerblichen Betrieb aufzubauen, wohl nicht gesehen werden". Er bestreite "selbstverständlich nicht, daß er wissen mußte, einmal den Präsenzdienst ableisten zu müssen". Er sei "jedoch der festen Überzeugung, alles getan zu haben, für diesen Fall vorzusorgen und zwar auch im Hinblick auf die Weiterführung des neuen Unternehmens". "Dies" sei "ja mit ein Grund" gewesen, "warum der Beschwerdeführer das Unternehmen nicht als Einzelperson einging, sondern in Form einer Gesellschaft mit einem Vertrauensmann, seinem Zwillingsbruder". Was die belangte Behörde nach Auffassung des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang jedoch übersehe, sei die Tatsache, "daß auch dem Beschwerdeführer nicht bekannt sein konnte und auch dieser nicht vorausahnen konnte, daß sein Zwillingsbruder, also sein Geschäftspartner, im Juli 1989 ......... zu 70 Prozent erwerbsgemindert eingestuft werden würde". Die Behörde werde dem Beschwerdeführer "sicher zugestehen", daß er in seinem Bruder "einen tüchtigen Mitstreiter beim Aufbau des Unternehmens" gesehen gehabt und mit dessen besonders intensiver Mithilfe gerechnet habe. Wenn sich diese Dinge anders, nämlich zu Lasten des Beschwerdeführers, negativ entwickelt hätten, könne dies dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gereichen, hinsichtlich der Unternehmensführung nicht ausreichend disponiert zu haben.

Daraus ergibt sich zum einen, daß der Beschwerdeführer nie konkrete Umstände angeführt hat, wodurch die Notwendigkeit der Gründung des Unternehmens vor Ableistung seines Präsenzdienstes dargetan worden wäre. Dennoch könnte von einer Verletzung der Harmonisierungspflicht im dargestellten Sinne durch den Beschwerdeführer auf Grund des Umstandes, daß er mit der Gründung des Unternehmens nicht zugewartet hat, nicht gesprochen werden, wenn er für den Fall seiner präsenzdienstbedingten Abwesenheit vom Betrieb hinreichend Vorsorge getroffen hätte, um damit verbundenen, vorhersehbaren Schwierigkeiten zu begegnen. Diesbezüglich enthält aber zum anderen das Vorbringen des Beschwerdeführers keine geeigneten Ausführungen. Der Beschwerdeführer beruft sich zwar auf die von ihm bei Gründung des Unternehmens angenommene Möglichkeit einer entsprechenden Unterstützung durch seinen Bruder, doch hat er weder Umstände dargetan, die in der Zwischenzeit zu einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes seines Bruders geführt hätten, noch aufgezeigt, daß im Falle einer solchen Änderung diese für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei. Dem Beschwerdeführer ist vielmehr das von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegte fachärztliche Attest vom 26. Juni 1989 entgegenzuhalten, aus dem hervorgeht, daß sein Bruder Michael IM JULI 1978 einen schweren Verkehrsunfall erlitt, wobei das linke Bein von einem Zwillingreifen eines Fernlasters überrollt wurde, die Diagnose auf "Zerquetschung des linken Unterschenkels mit teilweisem Verlust der Unterschenkelmuskulatur, offener Trümmerbruch des Schien- und Wadenbeins, Hautdefekt, Riß des inneren u. vorderen Kreuzbandes am linken Kniegelenk" lautete, demnach der erste Krankenhausaufenthalt zehn Wochen betrug, zur Korrektur des Hautdefektes, der verzögerten Knochenheilung und zur Wiederherstellung des Bandapparates am Kniegelenk seit 1978 ein siebenmaliger Krankenhausaufenthalt notwendig war und zur Zeit ein Muskel-Sehnenausfall am linken Fuß auf Grund des Muskeldefekts, Störungen auf Grund des Hautdefekts und Bandinstabilität am Kniegelenk bestehen. Daß sein Bruder auf Grund dieses Verkehrsunfalls körperlich schwer beeinträchtigt ist und aus diesem Grunde allenfalls nicht in der Lage sein wird, den Betrieb allein zu führen, hätte daher dem Beschwerdeführer schon von vornherein klar sein müssen, weshalb er unter Mitberücksichtigung dieses entscheidenden Gesichtspunktes seine Dispositionen hätte treffen müssen. Die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit seines Bruders erst in diesem Attest bzw. der darauf folgenden amtsärztlichen Stellungnahme vom 19. Juli 1989 ändert daran, daß dem Beschwerdeführer die gesundheitliche Beeinträchtigung seines Bruders bereits vorher bekannt war bzw. hinreichend bekannt sein mußte, nichts. Die belangte Behörde ist daher schon deshalb im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht als besonders rücksichtswürdig zu werten sind.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 24. Februar 1989 auch das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen geltend gemacht, weil aus den genannten gesundheitlichen Gründen auf seiten seines Bruders und im Hinblick auf dessen Beteiligung am Unternehmen "eine Unterstützungsbedürftigkeit seinerseits" gegeben sei und die Ableistung des Präsenzdienstes durch den Beschwerdeführer auch die Existenz seines Bruders gefährden würde. Die belangte Behörde hat die von ihr an sich anerkannten familiären Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig erachtet, indem sie - nach Zitierung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach vom Vorliegen derartiger Interessen nur gesprochen werden kann, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, und diese Interessen nur dann als besonders rücksichtswürdig zu werten sind, wenn durch die Nichtunterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1991, Zl. 90/11/0120, mit weiteren Judikaturhinweisen) - die Ansicht vertreten hat, daß "dies jedoch in Ihrem Fall nicht gegeben" sei, "da Ihr Bruder den Bar- und Servicebereich betreut und ihm überdies noch neun Beschäftigte zur Unterstützung zur Verfügung stehen". Damit ist die belangte Behörde zwar auf die in diesem Zusammenhang gebrauchte Argumentation des Beschwerdeführers nicht eingegangen. Der Beschwerdeführer hat aber in der Beschwerde richtig erkannt, daß "die wirtschaftlichen und familiären Interessen im gegenständlichen Fall kaum zu trennen sind" und "beide Bereiche verzahnend ineinander übergreifen". Denn wäre durch die präsenzdienstbedingte Abwesenheit des Beschwerdeführers dessen eigene Existenz gefährdet (was unter den Aspekt seiner wirtschaftlichen Interessen fällt), so würde dies - ohne Hinzukommen weiterer, nicht aktenkundiger Umstände - auch für seinen am Unternehmen gleichermaßen beteiligten Bruder gelten. Der Beschwerdeführer mußte aber auf Grund des ihm bekannten Gesundheitszustandes seines Bruders bei Gründung des Unternehmens nicht nur damit rechnen, daß sich im Falle seiner Einberufung zum Grundwehrdienst in Ansehung seiner eigenen wirtschaftlichen Interessen, sondern ebenso in Ansehung der wirtschaftlichen Interessen seines Bruders und damit seiner eigenen familiären Interessen Schwierigkeiten ergeben. Der Beschwerdeführer wurde daher auch dadurch in keinem subjektiven öffentlichen Recht verletzt, daß die belangte Behörde die besondere Rücksichtswürdigkeit seiner familiären Interessen verneint hat.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990110124.X00

Im RIS seit

16.04.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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