TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/16 90/14/0279

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Veröffentlicht am 16.04.1991
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §1220;
ABGB §1221;
ABGB §1225;
ABGB §1231;
BAO §115 Abs1;
BAO §115 Abs2;
BAO §119 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs2;
EStG 1972 §34 Abs3;
EStG 1972 §34;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 7. November 1990, Zl. B 181-3/90, betreffend Einkommensteuer 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt einen Maschinenbau und bezieht daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelt. Sein Sohn heiratete am 9. Mai 1987. Er bezahlte ihm im Dezember 1988 einen Ausstattungsbetrag von S 150.000,--. Die Aufwendung hiefür machte er in der Einkommensteuererklärung für 1988 als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Bezahlung mehr als eineinhalb Jahre nach der Eheschließung begründete er mit Kapitalmangel infolge außergewöhnlicher Investitionen. Das Finanzamt versagte der Aufwendung die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung. Im Berufungsvorlageantrag führte der Beschwerdeführer zur Begründung des Zahlungszeitpunktes weiter aus:

"Ich habe 1982 begonnen eine Betriebshalle in L zu errichten und in diesem Sinne in den Jahren 1982 bis 1986 über 5 Millionen Schilling investieren müssen, die ich großteils fremdfinanziert habe. Aus diesem Grund war meine finanzielle Situation im Jahre 1987 trotz wirtschaftlicher Gewinne so angespannt, daß es mir erst 1988 möglich war, meiner Verpflichtung zur Zahlung des Heiratsgutes nachzukommen. Obwohl ich bereits 1986 einen erheblichen wirtschaftlichen Gewinn erzielte und auch 1987 positiv abgeschlossen habe, waren 1987 meine Kredite voll ausgeschöpft, sodaß mir keine liquiden Mittel zur Verfügung standen und mir von den Banken kein Kredit eingeräumt wurde, um das Heiratsgut zu bezahlen. Ich bin der Verpflichtung zur Bezahlung des Heiratsgutes zum ehestmöglichen Termin nachgekommen und habe den Zahlungstermin nicht willkürlich verlagert, sondern bin aus den oben angeführten Gründen dazu gezwungen worden."

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab, weil es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, berechtigte zwingende Gründe für die Entrichtung eines Ausstattungsbetrages erst im Jahr nach der Hochzeit glaubhaft zu machen. Seiner Behauptung der "Illiquidität" zum Zeitpunkt der Hochzeit infolge betrieblicher Investitionstätigkeiten in den Jahren 1982 bis 1986 stünden die erzielten Gewinne aus Gewerbebetrieb eindeutig entgegen (1986: S 513.831,-- nach Bildung einer Investitionsrücklage in Höhe von S 201.000,--; 1987: S 182.945,-- nach Bildung einer Investitionsrücklage in Höhe von S 71.000,--). Andere zwangsläufige Aufwendungen, die gegenüber der Heiratsausstattung des Sohnes als vorrangig anzusehen gewesen wären, seien vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Es müsse somit davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer - noch dazu bei eigenen Einkünften der Ehegattin - sehr wohl bereits im Jahre 1987 seinem Sohn einen angemessenen Ausstattungsbeitrag hätte leisten können. Eine (allfällige) vorübergehende Einschränkung des eigenen Lebensstandards hätte er hiebei jedenfalls hinnehmen müssen.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in dem Recht auf Berücksichtigung der Dotation als außergewöhnliche Belastung verletzt. Er behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesen Gründen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. In einer Gegenschrift wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die von § 34 Abs. 1 und 3 EStG 1972 geforderte Zwangsläufigkeit als wesentliches Merkmal außergewöhnlicher Belastung muß auch auf den Zeitpunkt der Aufwendung zutreffen, weil der Aufwand nicht willkürlich in einen anderen Zeitraum verlagert werden darf als jenen, in dem die Zahlung geleistet werden mußte. Diese Auslegung des Gesetzes wird von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht in Frage gestellt. Sie entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. in jüngster Zeit etwa die Erkenntnisse vom 19. Dezember 1990, 90/13/0204, und vom 20. November 1990, 90/14/0236, sowie die in diesen zitierte Vorjudikatur).

Da gemäß den §§ 1220 ff ABGB der Ausstattungsanspruch zum Zeitpunkt der Eheschließung fällig wird, kann die Zahlung in einem späteren Kalenderjahr als dem der Eheschließung nur dann als zwangsläufig angesehen werden, wenn für diese verspätete Zahlung berechtigte zwingende Gründe vorliegen (vgl. die bereits zitierten Entscheidungen; dieser Judikatur folgend Wanke, Nachträgliche Leistung einer Heiratsausstattung, ÖJZ 1991, Seite 113 ff).

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer in der Ansicht der belangten Behörde, beide Elternteile seien zur Unterhaltsleistung gleichmäßig verpflichtet, dies treffe auf die Hingabe des Heiratsgutes zu, sodaß das Einkommen der Ehefrau ebenfalls heranzuziehen sei, womit die wirtschaftliche Frage der Liquiditätsprobleme im Betrieb des Beschwerdeführers nicht mehr zu prüfen gewesen wäre.

Diese unrichtige Rechtsansicht wurde von der belangten Behörde nicht vertreten. Sie wertete die Einkünfte der Ehegattin des Beschwerdeführers lediglich als Indiz für die umso eher gegebene Zumutbarkeit der Leistung des Ausstattungsbetrages im Jahre 1987. Die Aussage kann daher nur so verstanden werden, daß die eigenen Einünfte der Ehegattin den Beschwerdeführer jedenfalls von einer Unterhaltspflicht der Ehefrau gegenüber entsprechend entlastet haben. Diese Meinung ist nicht rechtswidrig.

Hingegen kommt dem Vorwurf, die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, weil sie sich mit dem Einwand mangelnder Liquidität und zu hoher Verschuldung nicht (ausreichend) befaßte, im Ergebnis Berechtigung zu.

Zwingende wirtschaftliche Gründe, die der Entrichtung des Ausstattungsbetrages im gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt entgegenstehen und den Dotationspflichtigen dazu berechtigten, eine spätere Zahlung des Ausstattungsbetrages oder ratenweise Entrichtung vom Berechtigten zu verlangen, können in der Liquiditätslage des Ausstattungspflichtigen gelegen sein. Einen solchen Fall behauptete der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde konkretisiert und brachte in diesem Zusammenhang vor, daß er über keine liquiden Mittel verfügte, die Kredite voll ausgeschöpft gewesen seien und Banken ihm keinen Kredit mehr eingeräumt hätten. Damit trug der Beschwerdeführer der Abgabenbehörde zwingende Gründe für eine verspätete Hingabe des Ausstattungsbetrages vor. Die belangte Behörde begegnet diesem Vorbringen im angefochtenen Bescheid nur mit dem Hinweis auf die Gewinne des Jahres 1986 und 1987 und die in diesen Jahren gebildeten Investitionsrücklagen, ohne sich mit der Liquiditätsfrage auseinanderzusetzen. Der Beschwerdeführer ermittelt, wie bereits eingangs erwähnt, seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Die Reingewinne und die gebildeten Investitionsrücklagen geben keinen Aufschluß über die Liquiditätslage oder die Möglichkeit des Beschwerdeführers, seinen Stand flüssiger Mittel durch weitere Verschuldung zu erhöhen. Durch die Begründung des angefochtenen Bescheides wurde daher das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht widerlegt.

Behauptet der Abgabepflichtige Umstände, die an sich geeignet wären, die Zwangsläufigkeit verspäteter Hingabe des Ausstattungsbetrages zu begründen, so ist es Sache der Abgabenbehörde, den Abgabepflichtigen zum Nachweis dieser Umstände aufzufordern, sofern er nicht bereits von sich aus entsprechende Beweismittel vorgelegt hat (vgl. Wanke, a.a.O. und die dort zitierte Judikatur). Dieser Verpflichtung kam die belangte Behörde nicht nach. Sie verletzte dadurch Verfahrensvorschriften, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zu dem Hinweis veranlaßt, daß für die Frage, ob dem Dotationspflichtigen ein Anspruch auf ratenweise oder spätere Abstattung des Heiratsgutes zusteht, auch eine Abwägung zwischen der Dringlichkeit des Bedarfs des Ausstattungsberechtigten auf der einen Seite und der Belastbarkeit des Ausstattungspflichtigen auf der anderen Seite entscheidend sein kann (vgl. in diesem Zusammenhang ebenfalls Wanke a.a.O und die von diesem zitierte Rechtsprechung der Zivilgerichte). Auch im vorliegenden Fall könnte daher nach Maßgabe des Ergebnisse der Liquiditätsprüfung auch noch das Problem der Interessenabwägung einer Klärung durch die belangte Behörde bedürfen.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Für Schriftsatzaufwand gebührt danach der Pauschbetrag. Ein weiterer Aufwandersatz für Schriftsatzaufwand (Umsatzsteuer) ist durch die Rechtslage nicht gedeckt; das darauf entfallende Mehrbegehren war abzuweisen.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990140279.X00

Im RIS seit

16.04.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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