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61/01 Familienlastenausgleich;Norm
FamLAG 1967 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 1. Februar 1990, Zl. 43.050-4/89, betreffend Schulfahrtbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein ÖBB-Bediensteter, beantragte die Gewährung einer Schulfahrtbeihilfe für Fahrten, die seine Tochter während des Studienjahres 1987/88 zwischen dem Hauptwohnort Lienz in Osttirol und Wien, wo sie an der Universität für Bodenkultur studierte und in einem Studentenheim wohnte, unternahm. Er brachte unter anderem vor, seine Tochter sei zumindest einmal pro Monat mit eigenem Pkw oder mittels Fahrgemeinschaft zu ihrem Hauptwohnsitz zurückgekehrt, wodurch ihm ein Aufwand an Fahrtkosten (Benzingeld) entstanden sei. Zwischendurch habe sie auch die Bundesbahn beansprucht. Belege seien nicht mehr vorhanden.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Gewährung der beantragten Schulfahrtbeihilfe. Aus dem Sinn des Familienlastenausgleichsgesetzes und aus dem Zusammenhalt seines § 30b Abs. 1 mit § 30c ließe sich der Grundsatz ableiten, daß kein Anspruch auf Schulfahrtbeihilfe für den gesamten oder für jenen Teil des Schulweges bestehe, der zufolge der Möglichkeit der Freifahrt kostenlos befahren werden könne. Dieser Schluß gelte auch für pauschalierte Kostenersätze, weil diese lediglich der globalen Schätzung der Höhe von solchen Auslagen dienten, die dem Grunde nach tatsächlich entstanden seien. Im vorliegenden Fall sei unbestritten, daß die Tochter des Beschwerdeführers als Kind eines ÖBB-Beamten die Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Studienort Wien auf Grund von Freifahrtscheinen kostenlos auf den Strecken der österreichischen Bundesbahnen durchführen hätte können. Im betreffenden Studienjahr hätten zwischen Wien und Lienz täglich neun Zugsverbindungen in jeder Richtung bestanden. Daß die Benützung der Züge der österreichischen Bundesbahn der Tochter des Beschwerdeführers nicht zumutbar gewesen wäre, sei nicht einmal behauptet worden. Wer eine für ihn unentgeltliche und zumutbare Beförderungsmöglichkeit nicht wahrnehme oder durch sein beihilfenvermittelndes Kind nicht wahrnehmen lasse, habe aber dem Grunde nach keinen Anspruch auf Schulfahrtbeihilfe. Dies gelte auch für die Anreise bei Beginn und die Abreise am Ende des Studienjahres, weil es der Tochter des Beschwerdeführers durchaus zumutbar gewesen sei, bei diesen Gelegenheiten ihre Koffer auf der Bahnfahrt mitzunehmen.
Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Gewährung von Schulfahrtbeihilfe gemäß § 30a und § 30c FLAG verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 FLAG werden die nach diesem Bundesgesetz vorgesehenen Leistungen zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie gewährt. Zu diesen Leistungen zählen auch Schulfahrtbeihilfe und Schülerfreifahrten (Abschn. Ia).
Unstrittig ist, daß im Beschwerdefall die Voraussetzungen gemäß § 30a Abs. 1 und 3 und § 30c Abs. 4 FLAG für die Gewährung einer Schulfahrtbeihilfe in bestimmter Höhe erfüllt sind.
Strittig ist aber die Auslegung des ersten Satzes des § 30b Abs. 1 FLAG, welcher lautet:
"Kein Anspruch auf Schulfahrtbeihilfe besteht für den Teil des Schulweges, der von einem Verkehrsmittel befahren wird, das der Schüler unentgeltlich benutzen kann (§ 30f), wenn dem Schüler die Benutzung dieses Verkehrsmittels zumutbar ist."
Der in Klammern angeführte § 30f FLAG betrifft die Schülerfreifahrt auf Grund von zwischen dem Bund und Verkehrsunternehmen abgeschlossenen Verträgen.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß seine Tochter die Bundesbahn zwischen Wien und Lienz unentgeltlich benützen kann, da sie als Kind eines ÖBB-Bediensteten Freifahrt genießt. Er meint aber, die Anführung des § 30f im § 30b FLAG zeige ebenso wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle BGBl. Nr. 284/1972 (310 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, 13. Gesetzgebungsperiode), daß nur die Möglichkeit der Schülerfreifahrt im Sinne des § 30f FLAG den Anspruch auf Schulfahrtbeihilfe ausschließe.
Richtig ist, daß der Gesetzgeber durch den erwähnten Hinweis auf § 30f FLAG verhindern wollte, daß Schulfahrtbeihilfe trotz Möglichkeit zur Schülerfreifahrt im Sinne der zitierten Bestimmung in Anspruch genommen wird. Eine solche Schülerfreifahrt hatte auch der Verwaltungsgerichtshof im Auge, als er in seinem Erkenntnis vom 4. Mai 1982, Zl. 82/14/0050, ausgesprochen hat, es könne nicht im Sinne des Gesetzes gelegen sein, neben der Schulfahrtbeihilfe für Fahrten aus den dort genannten Gründen außerdem noch Freifahrten zu finanzieren; die Gewährung von Freifahrten käme in einem solchen Fall einem durch nichts gerechtfertigten doppelten Ersatz desselben Aufwandes gleich.
Nach Auffassung des Gerichtshofes bedeutet das in Rede stehende Klammerzitat aber nicht, daß ein Anspruch auf Schulfahrtbeihilfe bestünde, wenn der Schüler aus anderen Gründen als aus dem des § 30f FLAG Freifahrt auf einem Verkehrsmittel, das zwischen Hauptwohnort und Schulort verkehrt und dessen Benützung zumutbar ist, genießt. Vielmehr hat der Gesetzgeber lediglich einen sich aus einer weiteren Bestimmung desselben Gesetzes ergebenden Fall hervorgehoben. Sowohl nach dem aus der programmatischen Erklärung seines § 1 hervorleuchtenden Zweck des Familienlastenausgleichsgesetzes im allgemeinen als auch nach dem Zweck des § 30b Abs. 1 FLAG im besonderen kommt ein staatlicher Beitrag zu einem vermeidbaren Aufwand - als der sich Benzinkosten für Pkw-Fahrten bei Bahnfreifahrt nach derselben Destination grundsätzlich darstellen - nicht in Frage. Daß in der die Höhe der Schulfahrtbeihilfe bestimmenden Vorschrift des § 30c FLAG Pauschbeträge vorgesehen sind, ändert nichts daran, daß zunächst dem Grunde nach ein Anspruch - auch im Hinblick auf § 30b FLAG - zu Recht bestehen muß.
Zu prüfen bleibt, ob der Tochter des Beschwerdeführers zwischen Wien und Lienz Bahnfahrten zuzumuten waren. Hiezu wies die belangte Behörde auf die zahlreichen täglichen Zugsverbindungen zwischen diesen Orten hin, sodaß die Verkehrsverhältnisse durchaus nicht ungünstig seien. Erstmals in der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, seine Tochter habe am Beginn und Ende des Studienjahres Gegenstände wie Bettwäsche, Kochgeschirr und Bücher transportieren müssen, während bei ihren etwa monatlichen Heimfahrten Wäsche und Nahrungsmittel (Brot und Geselchtes vom Bauern, Gemüse aus der Gemüsehandlung der Schwägerin, Eingemachtes) mitgeführt worden seien. Hiebei handelt es sich um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen. Der Beschwerdeführer wurde bereits im Verwaltungsverfahren mit dem Hinweis der Finanzverwaltung auf die ÖBB-Freifahrtmöglichkeit seiner Tochter konfrontiert. Es wäre daher ihm, der eine Begünstigung anstrebte, oblegen, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht bereits im Verwaltungsverfahren die Unzumutbarkeit von Bahnfahrten darzustellen. Nur am Rande sei bemerkt, daß die österreichischen Bundesbahnen neben dem (leicht tragbaren) Handgepäck auch Reisegepäck befördern. Aus der Beschwerde ergibt sich nicht, daß das Gepäck der Tochter des Beschwerdeführers einen solchen Umfang hatte, daß es über Handgepäck hinausging, daß es nicht einmal als Reisegepäck aufgegeben hätte werden können oder, daß das Gepäck der Angehörigen von ÖBB-Bediensteten nicht unentgeltlich befördert wird.
Es mag sein, daß die Manipulation mit umfangreicherem Gepäck in öffentlichen Verkehrsmitteln Unannehmlichkeiten bereiten kann; die allenfalls insoweit größere Bequemlichkeit von Pkw-Reisen gegenüber Bahnfahrten (die wiederum andere Annehmlichkeiten bieten) machen diese aber nicht schon im Sinne des § 30b Abs. 1 FLAG unzumutbar. Im übrigen sind die Gepäckbeförderungskapazitäten von Pkw insbesondere in Fällen von mehreren Mitreisenden durchaus begrenzt.
Somit erweist sich die Rechtsrüge des Beschwerdeführers als unbegründet.
Aber auch die behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor: Ob die Tochter des Beschwerdeführers überhaupt mit dem Pkw nach Wien fuhr (im Verwaltungsverfahren hatte der Beschwerdeführer zeitweilige Bahnbenützung eingeräumt) und ob der Beschwerdeführer Benzinkosten zu tragen hatte, ist nach der oben dargestellten Rechtslage unerheblich; entscheidend ist nämlich die Möglichkeit zu unentgeltlichen und zumutbaren Bahnfahrten. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen zur Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, von Amts wegen Ermittlungen über den Umfang des von der Tochter des Beschwerdeführers mitgeführten Gepäcks durchzuführen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich als nicht rechtswidrig. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990140070.X00Im RIS seit
01.06.2001