TE Vfgh Erkenntnis 1988/9/26 B695/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.1988
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Tir GVG 1983 §4 Abs1
Tir GVG 1983 §5
Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc

Leitsatz

Keine Bedenken gegen §§4 Abs1, 6 Abs1 litc Tir. GVG 1983; Maßgeblichkeit dieser Bestimmungen auch für juristische Personen; Versagung der Zustimmung zum Rechtserwerb wegen Weiterverpachtung - keine gleichheitswidrige Gesetzesanwendung; keine Verletzung der Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Kaufvertrag vom 9. Dezember 1985 erwarb der D-Frauen-Convent Lienz von Th K 1/3 ideelle Anteile der Liegenschaft EZ ... KG Lienz, bestehend aus den Gpn. ... und ....

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Lienz vom 16. März 1987 wurde die Zustimmung zu diesem Rechtserwerb gemäß §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 (künftig: GVG) versagt.

2.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung beider Vertragsparteien wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 28. Dezember 1987, Z LGv-319/3, als unbegründet abgewiesen.

Dies wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

"In Auslegung (der) allgemeinen öffentlichen Interessen führt §6 Abs1 litc GVG aus, daß einem Grunderwerb

insbesondere dann nicht zuzustimmen ist, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird. . .

.

         Eine juristische Person kann zwar ihrem Wesen nach

niemals unter persönlichem Arbeitseinsatz ein Grundstück

bewirtschaften, gleichwohl muß aber im Falle des

Grundstückerwerbes durch eine juristische Person eine persönliche

Nahbeziehung im Sinne des §6 Abs1 litc GVG vorliegen. . . .

         Angesichts der Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens zu

dem eigenen Vorbringen der Erstgesuchstellerin im Rahmen der

mündlichen Berufungsverhandlung kann als außer Streit erachtet

werden, daß die Rechtserwerberin den Großteil ihrer

landwirtschaftlichen Besitzungen verpachtet hat und auch an der

bisherigen (Fremd-)Bewirtschaftung des Kaufgegenstandes keine

Änderung eintreten soll. . . .

Die Nichtselbstbewirtschaftung nach §6 Abs1 litc GVG bildet einen speziellen Versagungstatbestand

(VfGH-Slg. 8245/1978), woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, daß das in Rede stehende Grundstück auch vom bisherigen Eigentümer nicht selbst bewirtschaftet worden ist. Nach dem Erkenntnis des VfGH vom 13. 3. 1965, VfGH-Slg. 4933/1965, läßt der Wortlaut des §6 Abs1 litc GVG die Auslegung zu, daß die Zustimmung auch dann zu versagen ist, wenn das Grundstück schon bisher vom Eigentümer nicht selbst bewirtschaftet wurde und diesbezüglich durch die Eigentumsübertragung keine Änderung eintritt. Es ist nur entscheidend, ob der Erwerber die Liegenschaft selbst bewirtschaften wird oder nicht. Das Gesetz verbietet die Eigentumsübertragung an eine Person, die nicht selbst bewirtschaftet, schlechthin, ohne auf die Art der bisherigen Verwendung Bedacht zu nehmen (vergl. auch z. B. VfGH-Slg. 7685/1975, 8245/1978).

Soweit die Berufungswerber auf §5 (Z. 1) GVG 1983 hinweisen, ist für sie hieraus nichts zu gewinnen . . . (vergl. hiezu auch das Erk. des VfGH. vom 13. 6. 1986, B67/84-12). Die von den Rechtsmittelwerbern vertretene Ansicht, daß einem Rechtserwerb nach dieser Gesetzesstelle immer dann zuzustimmen wäre, wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Grundstückes von dritter Seite (hier: von einem Pächter) aufrechterhalten bleibt, steht in einem unlösbaren Widerstreit zum Versagungstatbestand des §6 Abs1 litc GVG und würde auch auf eine Unanwendbarkeit dieser - tragenden - Vorschrift des Grundverkehrsrechts hinauslaufen. Dem Gesetzgeber kann aber weder unterstellt werden, daß er eine überflüssige, ja sogar sinnlose Bestimmung getroffen hat, noch daß er eine Regelung schaffen wollte, die mit den übrigen Bestimmungen des Gesetzes im Widerspruch steht."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs geltend gemacht, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt und für den Fall der Abweisung der Beschwerde deren Abtretung an den VwGH beantragt wird.

Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen.

Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, richtet sich nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 9682/1983). Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung des Rechtsgeschäftes versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen (VfSlg. 9070/1981, 10797/1986). Dies ist offenkundig nicht der Fall.

4.2.1. Die Bf. behaupten weiters, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Der bf. Konvent sei Eigentümer des "K"-Betriebes, der mehrere landwirtschaftliche Liegenschaften umfasse und einen geschlossenen Hof im Sinne des Höfegesetzes bilde. Es sei wohl richtig, daß ein Teil des Landwirtschaftsbetriebes "K" verpachtet sei. Die gärtnerisch nutzbaren Grundflächen im Ausmaß von ca. 2 ha würden jedoch vom Konvent zur Produktion von Kartoffeln und Obst selbst bewirtschaftet; auch die forstwirtschaftlichen Grundstücke im Ausmaß von 24,4716 ha würden selbst bewirtschaftet. Dies könne auch von der bel. Beh. nicht abgestritten werden. In dem angefochtenen Bescheid werde aber das Gesetz in einer in den Zielsetzungen des GVG 1983 nicht gedeckten Weise ausgelegt. §4 Abs1 GVG unterscheide zwei Tatbestände; demnach sei die Zustimmung zu einem Rechtserwerb zu erteilen, wenn dieser weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspreche. Der zweite Tatbestand ziele somit lediglich auf die Erhaltung der landwirtschaftlichen Nutzung einer Liegenschaft ab. Es lasse sich nun durch nichts ableiten, daß aufgrund des hier in Rede stehenden Erwerbes die Kaufobjekte der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen würden. Daß der Zukauf von Liegenschaften durch den Eigentümer eines geschlossenen Hofes der Erhaltung von wirtschaftlich gesundem land- und forstwirtschaftlichem Grundbesitz widerspreche, sei denkunmöglich. Dazu komme, daß die kaufgegenständlichen Flächen schon bisher von einem Pächter ortsüblich bewirtschaftet wurden. Selbst wenn man der Ansicht der bel. Beh. folge, daß der D-Frauen-Convent kein Landwirt sei, berühre das vorliegende Rechtsgeschäft die Interessen an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht, da unter diesem Aspekt davon auszugehen sei, daß es sich um ein Rechtsgeschäft zwischen zwei Nichtlandwirten handle. Ein dem Bauernstand angehöriger Interessent für den Erwerb der Liegenschaften sei jedoch nicht auffindbar gewesen. Dem nach Ansicht der bel. Beh. "tragenden Grundsatz" der Selbstbewirtschaftung habe aber das Gesetz selbst die Bewirtschaftung in einer der Beschaffenheit des Grundes entsprechenden Weise als gleichwertig gegenübergestellt. Eine solche Gleichwertigkeit zur Selbstbewirtschaftung liege auch bei einer Bewirtschaftung durch einen Pächter vor. Der angefochtene Bescheid stehe daher mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße in Widerspruch.

4.2.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 10413/1985) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985).

Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §4 Abs1 und §6 Abs1 litc GVG. Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Bestimmungen genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen (vgl. zB VfSlg. 7198/1973, 7546/1975, 7685/1975, 8245/1978, 9063/1981). Daß diese Bestimmungen auch für juristische Personen maßgeblich sind, hat der VfGH ebenfalls bereits wiederholt ausgesagt (VfSlg. 8069/1977, 8768/1980). Eine Verletzung der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz käme daher nur dann in Betracht, wenn die Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte. Auch dies ist offenkundig nicht der Fall. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten und dem eigenen Vorbringen der Bf. sollen die kaufgegenständlichen Liegenschaften auch künftig durch einen Pächter bewirtschaftet werden. Die Nichtselbstbewirtschaftung ist nach ständiger Rechtsprechung des VfGH ein spezieller Versagungstatbestand (vgl. zB VfSlg. 8518/1979). Es ist auch keineswegs willkürlich, wenn die bel. Beh. - der Rechtsprechung des VfGH folgend - angenommen hat, daß der erwähnte Versagungstatbestand selbst dann eintritt, wenn das Grundstück schon vom bisherigen Eigentümer nicht selbst bewirtschaftet worden ist (vgl. VfSlg. 7685/1975 und 8245/1978). Im Ergebnis ist daher die Vorgangsweise der bel. Beh., die, gestützt auf §4 Abs1 und §6 Abs1 litc GVG, ihre Zustimmung zu dem in Rede stehenden Rechtsgeschäft deshalb verweigerte, weil der kaufende Konvent die gegenständlichen Liegenschaften nicht selbst bewirtschaften, sondern an den bisherigen Pächter weiterverpachten will, jedenfalls nicht denkunmöglich. Soweit sich schließlich die Bf. auf §5 GVG berufen, ist festzuhalten, daß nach dieser Gesetzesstelle für die Zustimmung zu einer Eigentumsübertragung die Voraussetzungen des §4 GVG vorliegen müssen.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt somit nicht vor.

4.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde war abzuweisen, da die Landesgrundverkehrsbehörde eine Kommission nach Art133 Z4 B-VG ist und im Gesetz die Zulässigkeit einer Beschwerde an den VwGH nicht vorgesehen ist.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung, Ausländergrunderwerb

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B695.1988

Dokumentnummer

JFT_10119074_88B00695_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten