TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/16 90/08/0036

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Veröffentlicht am 16.04.1991
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §228 Abs1 Z3 idF 1987/609;
ASVG §502 Abs1 idF 1987/609;
ASVG §502 idF 1987/609;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der AF gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Jänner 1990, Zl. MA 14 - W 37/89, betreffend Begünstigung gemäß den §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei:

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien II, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid lehnte die belangte Behörde die Begünstigung der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 4. März 1933 bis 31. März 1959 gemäß den §§ 500 ff ASVG ab. Begründend wurde ausgeführt, es stehe auf Grund der Aktenlage fest, daß die Beschwerdeführerin nach dem gesetzlichen Stichtag des 1. Juli 1927 bis zu ihrer Emigration (im August 1939) keine Beitragszeiten gemäß § 226 ASVG bzw. Ersatzzeiten gemäß den §§ 228 oder 229 leg. cit. in der Pensionsversicherung der Angestellten zurückgelegt habe. Unbestritten sei ferner ihre Zugehörigkeit zu dem im § 500 ASVG genannten Personenkreis sowie die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin am 12. März 1938 ihren Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich gehabt habe. Nach eigenen Angaben habe die am 29. Juli 1921 geborene Beschwerdeführerin in der Zeit vom September 1935 bis 2. März 1936 ein Privatrealgymnasium sowie in der Zeit von September 1936 bis Juni 1938 eine Fortbildungsschule ohne Öffentlichkeitsrecht in Wien besucht. Die Beschwerdeführerin sei aus Gründen der Abstammung in der Zeit von August 1939 bis nach dem gesetzlichen Stichtag 31. März 1959 emigriert gewesen; sie sei am 13. Jänner 1939 in England eingereist. In der Zeit von Jänner 1940 bis Jänner 1952 habe sie nach eigener Aussage Schul- und Studienzeiten in England zurückgelegt. Sie habe nicht die für eine Begünstigung gemäß § 502 Abs. 1 und 4 ASVG erforderliche Vorversicherungszeit aufzuweisen. Auch die in der Zeit von Jänner 1940 bis Jänner 1952 geltend gemachten ausländischen Schul- und Studienzeiten könnten nicht als Vorversicherungszeit für eine Begünstigung gemäß § 502 Abs. 4 ASVG herangezogen werden, da der strittige Schulbesuch im vorliegenden Fall nicht vor der Auswanderung, sondern erst nach der Emigration zurückgelegt worden sei. Ebenso liege eine Ersatzzeit gemäß § 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG mangels einer der Auswanderung vorangehenden oder nachfolgenden Beitrags- oder Ersatzzeit nicht vor. § 502 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 4 ASVG sei nicht anwendbar, weil die Beschwerdeführerin nicht in der Zeit vom 12. März 1938 bis 9. Mai 1945, sondern bereits am 29. Juli 1936 das 15. Lebensjahr vollendet habe. Im übrigen treffe es nicht zu, daß die Beschwerdeführerin aus Gründen, auf die sie keinen Einfluß hatte, nicht in der Lage gewesen wäre, Beitrags- oder Ersatzzeiten der im § 502 Abs. 6 ASVG genannten Art vor dem Eintritt der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit und Auswanderung zu erwerben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin in ihren sich aus § 502 Abs. 1, 4 und 7 ASVG ergebenden Rechten als verletzt erachtet. Sie habe unter anderem Schulzeiten im Sinne des § 502 Abs. 7 zweiter Satz ASVG geltend gemacht. Ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung, diese Schulzeit sei prinzipiell nicht als Anknüpfungspunkt für die Anrechnung der Auswanderungszeiten anzuerkennen, hätten weder die Pensionsversicherungsanstalt noch die belangte Behörde den diesbezüglich rechtlich relevanten Sachverhalt ermittelt. Die belangte Behörde habe die Möglichkeit der Anrechnung der ausländischen Schulzeiten gemäß § 502 Abs. 7 ASVG mangels Vorliegens einer nachfolgenden Versicherungszeit im Sinne des § 227 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG verneint; überdies sei die Anrechnung der Emigrationszeiten abgelehnt worden, weil die Schulzeiten nicht vor der Emigration lägen. Die Beschwerdeführerin vermöge der belangten Behörde nicht beizupflichten. Durch die 44. Novelle zum ASVG sei dem § 502 Abs. 7 ASVG der Satz angefügt worden, daß Zeiten des Besuches einer mittleren oder höheren Schule oder einer Hochschule im Ausland zwischen dem 4. März 1933 und dem 31. März 1959 für begünstigte Personen (§ 500) den Zeiten im Sinne des § 227 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 228 Abs. 1 Z. 3 gleichzustellen seien. Auf Grund dieser Gleichstellungsanordnung sei auch eine Schulzeit im Sinne des § 502 Abs. 7 in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Z. 1 und § 228 Abs. 1 Z. 1 ASVG ein tauglicher Anknüpfungspunkt im Sinne des § 502 Abs. 1 erster Satz ASVG und § 502 Abs. 4 erster Satz ASVG. § 502 Abs. 1 und Abs. 4 ASVG verlangten nicht das Vorliegen einer (versicherungsrechtlichen) Schulzeit als Anküpfungspunkt, sondern lediglich das "Zurücklegen" einer solchen Versicherungszeit. Der Verwaltungsgerichtshof habe dazu in seinem Erkenntnis vom 15. September 1977, Slg. 9385/A, die Auffassung vertreten, daß zu den sonstigen Versicherungszeiten, die nach dem Verlassen der Schule bzw. nach Beendigung der Ausbildung vorliegen müßten, auch die im § 502 ASVG angeführten Versicherungszeiten (Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Emigration) zählten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es daher zur Beurteilung einer Schulzeit als Anknüpfungspunkt für eine Begünstigung gemäß § 502 Abs. 1 und Abs. 4 ASVG nicht erforderlich, daß eine weitere Versicherungszeit dieser Schulzeit nachfolge und diese Schulzeit somit ohne die Begünstigungszeit bereits den Charakter einer Versicherungszeit aufweise; es genüge vielmehr, wenn die Schulzeit im versicherungsrechtlichen Sinne "zurückgelegt" sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin vertritt sie den Standpunkt, die Beschwerdeführerin übersehe - selbst wenn man ihrer Argumentation, wonach es zur Beurteilung einer Schulzeit als Anknüpfungspunkt für eine Begünstigung gemäß § 502 Abs. 1 und 4 ASVG nicht erforderlich sei, daß eine weitere Versicherungszeit dieser Schulzeit nachfolge -, daß die geltend gemachten Schul- und Studienzeiten im Ausland den Zeiten der Auswanderung nicht vorangingen oder nachfolgten, sondern während der Zeit der Auswanderung zurückgelegt worden seien. § 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG sehe aber zwingend vor, daß Zeiten der Auswanderung nur dann als begünstigt angerechnet werden könnten, wenn diesen eine Beitrags- oder Ersatzzeit vorangehe oder nachfolge. Dies sei bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall. Als Vorversicherungszeit für eine Begünstigung gemäß § 502 Abs. 4 ASVG könnten die geltend gemachten ausländischen Schul- und Studienzeiten schon deshalb nicht herangezogen werden, weil diese nicht in der Zeit vom 1. Juli 1927 bis zur Emigration, sondern erst nach der Emigration zurückgelegt worden seien.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift. Sie führte aus, grundsätzlich könnten auch ausländische Schulzeiten im Sinne des § 502 Abs. 7 ASVG als Basiszeit für eine Begünstigung gemäß § 502 Abs. 4 leg. cit. herangezogen werden, allerdings nur dann, wenn sie vor der Auswanderung lägen. Die Beschwerdeführerin sei unbestrittenermaßen am 13. Jänner 1939 emigriert und habe in der Zeit vorher keine Versicherungszeiten - im speziellen keine Ersatzzeit gemäß § 502 Abs.7 in Verbindung mit § 228 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. - aufzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Mit einer gleichgelagerten Fallkonstellation hatte sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0245, auseinanderzusetzen. Im genannten Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß auch die Zeit des Besuches einer der im § 502 Abs.7 zweiter Satz ASVG genannten Schulen im Ausland, die nach dem Zeitpunkt der Auswanderung liege, als eine für eine Begünstigung nach § 502 Abs. 4 ASVG erforderliche Ersatzzeit gemäß § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG anzusehen sei, ausdrücklich ab. Die Begünstigung nach der zitierten Vorschrift setzt nach ihrem klaren Wortlaut voraus, daß die "Personen, die in der im § 500 angeführten Zeit aus einem der dort angeführten Gründe ausgewandert sind", "vorher" (also vor dem Zeitpunkt, zu dem sie "ausgewandert sind") seit dem 1. Juli 1927 die in der Vorschrift näher angeführten Versicherungszeiten zurückgelegt haben. Im Beschwerdefall ist nicht strittig, daß die Beschwerdeführerin vor der Auswanderung am 13. Jänner 1939 keine Versicherungszeiten, insbesondere keine Ersatzzeiten im Sinne des § 502 Abs. 7 zweiter Satz in Verbindung mit § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG zurückgelegt hat. Die belangte Behörde hat daher zu Recht eine Begünstigung der Beschwerdeführerin nach § 502 Abs. 4 ASVG in Verbindung mit dem zweiten Satz des § 502 Abs. 7 leg. cit. abgelehnt. Mangels einer vorangehenden oder nachfolgenden Beitragszeit oder Ersatzzeit im Sinne des § 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG kam auch eine begünstigte Anrechnung von Zeiten der Auswanderung nach der zuletzt zitierten Vorschrift nicht in Betracht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990080036.X00

Im RIS seit

16.04.1991

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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