TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/17 91/01/0021

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Veröffentlicht am 17.04.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. November 1990, Zl. 4.284.661/4-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1956 geborene Beschwerdeführer - ein türkischer Staatsangehöriger - reiste am 23. September 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte durch seinen Rechtsfreund am 2. Oktober 1989 Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zur Begründung führte er zunächst aus, er sei Vorstandsmitglied eines Vereines zur Förderung kultureller Tätigkeiten gewesen. Es handle sich dabei um einen demokratischen Verein, der sich insbesondere für Menschenrechte, vor allem die Rechte der Kurden einsetze. Der Verein sei 1977 legal gegründet und nach dem Putsch des Jahres 1980 verboten worden. Seither seien die Vorstandsmitglieder des Vereines, darunter auch der Beschwerdeführer, politisch verfolgt worden. Zahlreiche Mitglieder seien verhaftet worden oder es sei ihnen die Flucht ins Ausland gelungen. Der Beschwerdeführer sei "untergetaucht", um nicht das gleiche Schicksal wie seine Vorstandskollegen zu erleiden. Zum Beweis seiner Angaben berief er sich auf seinen Bruder.

Bei der schriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am 30. Oktober 1989 führte dieser ergänzend aus, er habe vom April 1977 bis Oktober 1978 den Militärdienst abgeleistet. Als Fluchtgrund führte er an, er sei Vorstandsmitglied der in der Türkei verbotenen und verfolgten Partei HALKIN Kurtulusu-HK gewesen. Weitere Angaben über Sitz und Vorstandsmitglieder wolle er zum Schutze der Organisation nicht machen.

Die Behörde erster Instanz übermittelte sodann dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers das Protokoll über die schriftliche Einvernahme zur Stellungnahme und fügte bei, daß es sich nach ihrer Kenntnis bei der angeblichen Partei HALKIN Kurtulusu ("Befreiung des Volkes") nicht um eine Organisation, sondern um eine Zeitung handle, nämlich das Presseorgan der proletarisch-revolutionären Bewegung in der Türkei. Nicht die Partei, die als solche nicht bestehe, sondern die Zeitung sei verboten worden. Hiezu führte der Beschwerdeführer aus, daß sein bisher erstattetes Vorbringen vollinhaltlich aufrecht bleibe. Seine Angaben seien durch keine wie immer gearteten objektiven Beweisergebnisse widerlegt.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. Februar 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen lasse nicht erkennen, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatland unmittelbar vor der Ausreise gravierenden und individuellen Verfolgungen im Sinne des Asylgesetzes ausgesetzt gewesen wäre. Der Wunsch nach Emigration, wirtschaftliche Gründe, die Ablehnung des Regimes und eventuelle Benachteiligungen der Nichtparteimitglieder rechtfertigten nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung Berufung, es sei auf sein Vorbringen im bekämpften Bescheid nicht eingegangen worden. Hätte sich die Behörde erster Instanz damit auseinandergesetzt, hätte sie zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfüllt seien. Hätte die Behörde erster Instanz hiezu entsprechende Sachverhaltsfeststellungen getroffen, wäre sie zu einem für den Beschwerdeführer positiven Ergebnis gelangt. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, daß die Angaben des Beschwerdeführers durch keine wie immer gearteten Beweisergebnisse widerlegt seien.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. November 1990 wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, der Bescheid der Behörde erster Instanz weise alle im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz vorgeschriebenen Merkmale auf. Überdies werde im Berufungsverfahren auf das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers Bedacht genommen. Es sei dem Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren aber nicht möglich gewesen, konkrete Verfolgungen seiner Person aus einem der in der Genfer Konvention taxativ aufgezählten Tatbestände darzutun. Daher sei nicht davon auszugehen, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit allein könne nicht als Grund für seine Anerkennung als Konventionsflüchtling angesehen werden. Auch habe der Beschwerdeführer Widersprüche weder bei seiner ergänzenden Befragung noch in seiner Berufung aufklären können. Von einer Einvernahme seines Bruders habe Abstand genommen werden können, da aus dem Antrag nicht hervorgehe, welche konkreten Vorfälle der Bruder des Beschwerdeführers bezeugen könne und der Beschwerdeführer selbst niemals konkrete Übergriffe gegen seine Person habe anführen können. Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei, daß den vom Asylwerber im Laufe des Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Argumenten eine konkrete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung entnommen werden müsse. Dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 126, in der Fassung der Novelle vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Punkt 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne des Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Auszugehen ist davon, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zentrale Erkenntnisquelle im Asylverfahren das eigene Vorbringen des Asylwerbers ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1990, Zl. 90/01/0108 u. a.m.).

Nun hat der Beschwerdeführer im Antrag vom 2. Oktober 1989 behauptet, aus politischen Gründen verfolgt worden zu sein, weil er Vorstandsmitglied eines 1980 verbotenen Vereines zur Förderung kultureller Tätigkeiten gewesen sei. Bei seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz am 30. Oktober 1989 hat der Beschwerdeführer indes angegeben, Vorstandsmitglied einer in seinem Heimatland verbotenen und verfolgten Partei gewesen zu sein, über die nähere Angaben zu machen, er sich weigerte. Diese unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers hat die Behörde erster Instanz zutreffend durch Einholung einer Stellungnahme des Beschwerdeführers aufzuklären versucht, wobei sie darauf hingewiesen hat, daß es sich bei der angegebenen Partei nicht um eine Organisation, sondern um eine Zeitung handle. Diesem Ersuchen ist der Beschwerdeführer weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufungsschrift nachgekommen. Auch die Beschwerde gibt dazu keine Aufklärung. Es ist daher weder aktenwidrig noch rechtswidrig, wenn die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, der Beschwerdeführer habe eine konkrete politische Verfolgung seiner Person nicht glaubhaft machen können. Weigert sich der Beschwerdeführer, wie im vorliegenden Fall, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken und für eine Klarstellung seiner eigenen widersprüchlichen Angaben trotz gebotener Gelegenheiten zu sorgen, dann handelt die Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie die Einvernahme des namhaft gemachten Zeugen (hier: Bruder des Beschwerdeführers) unterläßt. Es ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, wozu der Zeuge vernommen hätte werden sollen; denn ein konkretes Beweisthema hat der Beschwerdeführer nicht bekanntgegeben. Die von der belangten Behörde gegebene Begründung für die unterbliebene Einvernahme des Zeugen ist bei dieser Sachlage ausreichend und schlüssig. Im übrigen hat der Beschwerdeführer, wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat, keine konkreten Verfolgungshandlungen durch die staatlichen Behörden seines Heimatstaates gegen seine Person, die seiner Ausreise unmittelbar vorangegangen wären, aufzuzeigen vermocht.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 5. März 1991, BGBl. Nr. 104.

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels Beweismittel Beschuldigtenverantwortung Beweismittel Zeugenbeweis Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991010021.X00

Im RIS seit

17.04.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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