TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/22 90/12/0207

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Veröffentlicht am 22.04.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/06 Dienstrechtsverfahren;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
DVG 1984 §1;
DVG 1984 §8;
PG 1965 §3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 8. Februar 1990, Zl. 55 5110/21-II/15/89, betreffend Bemessung des Ruhegenusses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesrechenamtes vom 21. Juni 1988 betreffend die Bemessung des Ruhegenusses nicht statt und bestätigte den bekämpften Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950. Nach der Bescheidbegründung habe das Bundesrechenamt mit dem im Spruch genannten Bescheid festgestellt, daß dem Beschwerdeführer nach den §§ 3 bis 7 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (PG 1965), vom 1. Juli 1968 an ein Ruhegenuß in der Höhe von monatlich S 13.405,80 brutto und nach § 12 PG 1965 eine Ruhegenußzulage aus der Wachdienstzulage von monatlich S 504,10 brutto gebühre. Mit der rechtzeitig eingebrachten Berufung erhebe der Beschwerdeführer keinen Einspruch gegen die Höhe des Ruhebezuges, sondern gegen den Ausspruch, daß ihm vom 1. Juli 1988 an ein Ruhebezug gebühre, zumal seiner Meinung nach der Ruhestandsversetzungsbescheid des Bundesministeriums für Inneres nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Er sei daher noch ein Beamter des Dienststandes. Nach § 3 Abs. 1 PG 1965 gebühre unter bestimmten Voraussetzungen dem Beamten des Ruhestandes ein monatlicher Ruhegenuß. Das Ruhestandsverhältnis beginne mit dem Wirksamwerden der Versetzung in den Ruhestand bzw. mit dem Übertritt in den Ruhestand. Nach dem Berufungsbescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 21. April 1988 gelte der Beschwerdeführer als mit 30. Juni 1988 in den Ruhestand versetzt. Der Einwand des Beschwerdeführers, daß er den zitierten Bescheid des Bundesministeriums für Inneres nie übernommen habe und dieser Bescheid daher nie in Rechtskraft erwachsen sei, habe der Beschwerdeführer nicht beweisen können. Anfragen bei den zuständigen Stellen, nämlich beim Bundesministerium für Inneres, aber auch bei der Bundespolizeidirektion für Wien hätten übereinstimmend ergeben, daß der Bescheid sehr wohl in Rechtskraft erwachsen sei. Der Beschwerdeführer sei somit vom 1. Juli 1988 an Beamter des Ruhestandes und habe Anspruch auf Ruhebezug. Seiner Berufung habe daher nicht stattgegeben werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich strittig, ob der mit 21. April 1988 datierte Bescheid des Bundesministers für Inneres, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. April 1986 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer daher mit Ablauf des auf die Zustellung dieses Bescheides folgenden Monatsletzten, das sei der 30. Juni 1988, in den Ruhestand versetzt gelte, dem Beschwerdeführer auch tatsächlich vor dem 1. Juli 1988 zugestellt wurde.

Der Beschwerdeführer wendet gegen die diese Frage bejahende Annahme der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ein, es sei ihm der Bescheid des Bundesministers für Inneres entgegen der Meinung der belangten Behörde niemals zugestellt worden. Die Rechtskraft dieses Bescheides sei von Amts wegen zu prüfen. Demgemäß habe nicht der Beschwerdeführer zu beweisen, daß er den Bescheid nie übernommen habe. Die belangte Behörde könne sich auch nicht auf Anfragen über die Rechtskraft dieses Bescheides berufen. Tatsächlich sei dem Beschwerdeführer der Bescheid niemals ordnungsgemäß zugestellt worden; er habe sich hiebei auf den diesbezüglichen Akt des Bundesministeriums für Inneres bezogen. Dadurch, daß die entsprechenden Feststellungen von der belangten Behörde aus diesem Akt nicht getroffen worden seien, sei das Verfahren in wesentlichen "Gründen" mangelhaft geblieben.

Diese Einwände sind berechtigt. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer in seiner von der belangten Behörde mit Recht als Berufung gewerteten Stellungnahme vom 26. Juli 1988 zum Bescheid des Bundesrechenamtes vom 21. Juni 1988 behauptete, ihm sei der Inhalt des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 21. April 1988 nicht bekannt, weil er diesen Bescheid nie habe übernehmen können, es liege daher kein rechtskräftiger Bescheid über seine Ruhestandsversetzung vor, hatte die belangte Behörde gemäß den nach den §§ 1 Abs. 1 und 8 DVG auch im Dienstrechtsverfahren geltenden Bestimmungen der §§ 37 ff AVG von Amts wegen zu prüfen, ob der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. April 1988 gegenüber dem Beschwerdeführer wirksam erlassen worden ist; von den Ergebnissen amtlicher Erhebungen und Beweisaufnahmen hatte die belangte Behörde den Beschwerdeführer - im Hinblick auf sein Berufungsvorbringen - in Kenntnis zu setzen und ihm Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen (§ 8 Abs. 2 DVG schränkte im Hinblick auf das genannte Berufungsvorbringen sein Recht auf Parteiengehör nicht ein: vgl. u.a. das Erkenntnis vom 31. März 1977, Zl. 2377/76).

Diese Rechtslage verkennt die belangte Behörde, wenn sie den Berufungseinwand des Beschwerdeführer, er habe den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. April 1988 nie übernommen und der Bescheid sei daher nie in Rechtskraft erwachsen, damit abtut, der Beschwerdeführer habe dies nicht beweisen können. Abgesehen davon ist dieser Einwand aber - bei Zugrundelegung der Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift - unverständlich, da danach unbestritten zu sein scheint, daß der Beschwerdeführer diesen Bescheid tatsächlich nie übernommen hat.

Was die weitere Frage betrifft, ob der strittige Bescheid des Bundesministers für Inneres auf andere Weise gegenüber dem Beschwerdeführer als erlassen gilt und damit in Rechtskraft erwachsen ist, stellt die diesbezügliche Bescheidbegründung, Anfragen bei den zuständigen Stellen, nämlich beim Bundesministerium für Inneres und bei der Bundespolizeidirektion für Wien, hätten "übereinstimmend ergeben, daß der Bescheid sehr wohl in Rechtskraft erwachsen sei", keine den §§ 60, 67 AVG 1950 entsprechende Begründung dar. Denn nach dem gemäß § 67 AVG 1950 auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher (für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebende) Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtete. Bei einander inhaltlich widerstreitenden Ermittlungsergebnissen ist sie deshalb verpflichtet, eindeutig auszusprechen, welchen der verschiedenen Versionen sie folgt, und schlüssig darzulegen, aus welchen Gründen sie eine Version als erwiesen erachtet (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die belangte Behörde hat nun zwar in der Begründung des angefochtenen Bescheides als Ergebnis ihrer rechtlichen Bewertung der Erledigungen ihrer Anfragen beim Bundesministerium für Inneres und bei der Bundespolizeidirektion von Wien (damit sind offensichtlich die Schreiben dieser Behörden vom 14. August und 15. September 1989 gemeint) angeführt, es sei der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. April 1988 in Rechtskraft erwachsen; sie hat aber weder den Inhalt dieser Erledigungen wiedergegeben noch festgestellt, welchen für die im Beschwerdefall vorzunehmende rechtliche Bewertung maßgebenden Sachverhalt sie auf Grund dieser Erledigungen angenommen hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie daraus den rechtlichen Schluß gezogen hat, es sei der mehrfach genannte Bescheid des Bundesministers für Inneres gegenüber dem Beschwerdeführer vor dem 1. Juli 1988 erlassen worden. Überdies wurden die angeführten Erledigungen dem Beschwerdeführer - entgegen dem § 45 Abs. 3 AVG 1950 - nicht zur Kenntnis gebracht. Die Nachholung der Begründung in der Gegenschrift ersetzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die der Behörde obliegende Verpflichtung, Parteiengehör zu gewähren und den Bescheid entsprechend den §§ 60, 67 AVG 1950 zu begründen. Die aufgezeigten Verfahrensmängel verhinderten aber nicht nur die Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers, sondern machen auch eine nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unmöglich.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990120207.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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