TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/23 90/04/0323

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Veröffentlicht am 23.04.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
B-VG Art10;
B-VG Art130;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131;
B-VG Art18;
GewO 1973 §354 idF 1988/399;
GewO 1973 §356 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungsoberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde 1. der Stadtgemeinde X, 2. des N, 3. der O,

4. der P und 5. der Q gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 1. Oktober 1990, Zl. 5/02-653/5-1990, betreffend Genehmigung eines Versuchsbetriebes gemäß § 354 Gewerbeordnung (mitbeteiligte Partei: A in Z), zu Recht erkannt:

Spruch

1.) Die Beschwerde wird, soweit sie von der Fünftbeschwerdeführerin erhoben wurde, zurückgewiesen.

2.) Die Beschwerde wird, soweit sie von den Erst- bis Viertbeschwerdeführern erhoben wurde, abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und aus dem ihr in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid geht der folgende entscheidungswesentliche Sachverhalt hervor:

Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung hat mit Bescheid vom 13. November 1989 über Ansuchen der mitbeteiligten Partei gemäß § 354 GewO 1973 die gewerbebehördliche Genehmigung für die Durchführung eines Versuchsbetriebes bis 10. Februar 1990 im Zusammenhang mit dem gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren für die Wiedererrichtung der durch Brand zerstörten Betriebsanlagenteile sowie Installierung einer Abluftreinigung für die Holztrocknungsanlagen im Spanplattenwerk W unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 und 4 GewO 1973 mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Parteistellung von Nachbarn gewerblicher Betriebsanlagen in einem Genehmigungsverfahren sei in § 356 Abs. 3 und 4 GewO 1973 geregelt. Demnach stehe Nachbarn im Genehmigungsverfahren, die auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eingeleitet würden, unter den in Abs. 3 näher geregelten Voraussetzungen Parteistellung zu. Darüber hinaus enthalte § 356 Abs. 4 in einer taxativen Aufzählung jene Verfahren, in denen die im § 356 Abs. 3 leg. cit. genannten Nachbarn Parteistellung hätten. Zu keinem dieser im Gesetz taxativ angeführten Fällen zähle das im § 354 leg. cit. geregelte Verfahren. Es sei daher davon auszugehen, daß im Verfahren nach § 354 GewO 1973 den Nachbarn der Betriebsanlage Parteistellung nicht zukomme. Wenn aber einem Nachbarn im Verfahren betreffend die Genehmigung eines Versuchsbetriebes nach § 354 GewO 1973 Parteistellung nicht zukomme, so könne er auch für sich das ausschließlich Verfahrensparteien zustehende Berufungsrecht gegen einen gemäß § 354 leg. cit. erlassenen Bescheid nicht in Anspruch nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Parteistellung im Verfahren zur Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung für einen Versuchsbetrieb verletzt. Die Beschwerdeführer bringen hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im wesentlichen vor, nach § 356 Abs. 1 GewO 1973 seien die Nachbarn - und insofern eröffne ihnen der Gesetzgeber daher die Parteistellung - in einem Verfahren zur Genehmigung der Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage bzw. ihrer genehmigungspflichtigen Änderung zur Augenscheinsverhandlung zu laden und werde ihnen damit die Möglichkeit eröffnet, in Ausschöpfung des Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung ihre Parteistellung zu wahren. Der Wortlaut des Abs. 1 des § 356 GewO 1973 enthalte keinerlei Differenzierung oder - im Gegensatz zu anderen Bestimmungen, wie z.B. § 359a oder § 356 Abs. 4 GewO 1973, die jeweils auch die entsprechende Bestimmung der GewO 1973 zitieren - Einschränkung dahingehend, daß diese Möglichkeit zur Wahrung der Parteienrechte nur im Zusammenhang mit der Erlassung eines Bescheides nach z.B. § 77 Abs. 1 GewO 1973 zulässig sein soll und nicht auch nach § 354 GewO 1973. Dabei sei festzuhalten, daß der Sache nach, also hinsichtlich des in der Natur vorhandenen Gegenstandes, zwischen dem Gegenstand einer Versuchsbetriebsgenehmigung und einer sozusagen endgültigen Genehmigung kein Unterschied bestehen könne. In beiden Fällen müsse es sich um genehmigungspflichtige Betriebsanlagen(-änderungen) handeln, die errichtet und betrieben werden sollen. Dabei sei auch zu bedenken, daß sich die Annahme eines etwaigen Ausschlusses der Nachbarparteistellung im Verfahren nach § 354 GewO 1973 ausschließlich auf die Bescheiderlassung selbst beschränken könnte, nicht aber auf das diesem Bescheid zugrundeliegende Verfahren. Zumindest - auf die anderen im § 354 genannten Tatbestände (Projektstellung, Ergebnisse von Vorarbeiten) sei hier nicht einzugehen - die Erteilung einer Versuchsbetriebsgenehmigung sei ausschließlich im Zuge eines anhängigen Verfahrens zur Erteilung einer sozusagen endgültigen Genehmigung zulässig. Antragsvoraussetzungen könnten in beiden Fällen nur jene sein, die in formaler Hinsicht in § 353 GewO 1973 umschrieben seien; fehle doch eine andere Regelung über den das Verfahren auslösenden Antrag. Desweiteren sei zu beachten, daß § 354 GewO 1973 zum Inhalt des Bescheides, mit dem der Versuchsbetrieb genehmigt werde, keinerlei nähere Festlegungen enthalte. Das gelte z.B. auch für die Frage einer zeitlichen Befristung, worauf bereits früher im Schriftum hingewiesen worden sei (Duschanek, ZfV 1989, S. 221). Auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes z.B. im Zusammenhang mit der Erteilung von Gewerbeberechtigungen sei in Betracht zu ziehen, wonach eine zeitliche Befristung von Konzessionen nicht zulässig sei, weil dafür im Gesetz keine Grundlage zu finden sei (z.B. aus jüngster Zeit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1990, Zl. 89/04/0142). Dafür spreche auch die Regelung des § 78 Abs. 2 GewO 1973 über den Probebetrieb, die dessen zeitliche Begrenzung ausdrücklich und ausführlich festlege. Eine Versuchsbetriebsgenehmigung weise daher im Ergebnis den gleichen Inhalt auf, wie eine sozusagen endgültige Betriebsanlagengenehmigung. Es fehle daher jede sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung der Parteistellung je nach dem, ob es sich um die Erlassung eines Bescheides handle, mit dem ein Versuchsbetrieb genehmigt werde, oder eines solchen, mit dem die sozusagen endgültige Genehmigung erteilt werde. Dies werde noch deutlicher, wenn eine sozusagen endgültige Genehmigung in Anwendung des § 78 Abs. 2 GewO 1973 unter dem Vorbehalt einer Betriebsbewilligung ergehe; bedürfe doch die tatsächliche Inbetriebnahme - sofern es sich nicht um die Ausschöpfung eines zugelassenen oder angeordneten Probebetriebes handle - sogar noch eines weiteren behördlichen Aktes, eben der Betriebsbewilligung, bei dessen Erlassung den Nachbarn im Umfang des § 356 Abs. 4 GewO 1973 ausdrücklich die Parteistellung eingeräumt sei. Im Falle des § 354 GewO 1973 aber könne auch die Inbetriebnahme bereits unmittelbar auf Grund der (rechtskräftigen) Versuchsbetriebsgenehmigung erfolgen. Daß ein solcher Betrieb für die nach § 74 Abs. 2 GewO 1973 zu schützenden Nachbarinteressen ohne oder von geringerer Bedeutung wäre, könne gleichfalls nicht ernstlich angenommen werden. Es hieße daher, dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt zu unterstellen, wollte man dem Nachbarn die Parteistellung im Zusammenhang mit der Erlassung eines Bescheides über die Genehmigung eines Versuchsbetriebes nach § 354 GewO 1973 verwehren. Es treffe daher zweifellos zu, daß die Parteistellung der Nachbarn im Zusammenhang mit der Erlassung eines Bescheides nach § 354 GewO 1973 in Abs. 4 des § 356 leg. cit. nicht erwähnt sei und daher darin keine Grundlage finde. Gerade eine Wortinterpretation des Abs. 1 des § 356 GewO 1973 erweise jedoch, daß diese Regelung alle Verfahren, die einen auf die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage(-änderung) gerichteten Antrag zum Gegenstand hätten, erfaße und damit auch solche, in denen vor der Erlassung des sozusagen endgültigen Genehmigungsbescheides die Genehmigung eines Versuchsbetriebes beantragt sei. Damit erweise sich die Rechtsansicht der belangten Behörde als im Gesetz nicht gedeckt.

ZUR BESCHWERDE, SOWEIT SIE VON DER FÜNFTBESCHWERDEFÜHRERIN

ERHOBEN WURDE:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Bei der Beurteilung der zunächst zu prüfenden Beschwerdeberechtigung kommt es danach lediglich darauf an, ob der Beschwerdeführer nach der Lage des Falles in einem Recht verletzt sein konnte und nicht etwa darauf, ob ihm in den vorangegangenen Verwaltungsverfahren die Stellung einer Partei eingeräumt bzw. eine Ausfertigung des verwaltungsbehördlichen Bescheides zugestellt wurde (vgl. hiezu etwa den hg. Beschluß vom 4. Juli 1968, Slg. N. F. Nr. 7387/A).

Nach dem Inhalt des normativen Abspruches des angefochtenen Bescheides - dem im übrigen auch dessen Begründung entspricht - wurde damit ausschließlich über eine gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 13. November 1989 erhobene Berufung der Erst- bis Viertbeschwerdeführer dahin erkannt, daß diese gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 und 4 GewO 1973 mangels Parteistellung zurückgewiesen wurde. Aus der aus der Kopie des angefochtenen Bescheides ersichtlichen Zustellverfügung ergibt sich weiters, daß dieser Bescheid (ausschließlich) an die Erst- bis Viertbeschwerdeführer erging.

Daraus folgt aber - da insbesondere auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, daß die Berufung etwa namens der Fünftbeschwerdeführerin erhoben worden wäre -, daß die Fünftbeschwerdeführerin durch den von ihr als angefochten bezeichneten Bescheid nicht im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden sein konnte.

Die vorliegende Beschwerde war somit, soweit sie von der Fünftbeschwerdeführerin erhoben wurde, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde zurückzuweisen.

ZUR BESCHWERDE, SOWEIT SIE VON DEN ERST- BIS

VIERTBESCHWERDEFÜHRERN ERHOBEN WURDE:

Gemäß § 354 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung nach der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, kann die Behörde, wenn sich das Ermittlungsverfahren wegen des außergewöhnlichen Umfanges oder der besonderen Beschaffenheit der Anlage voraussichtlich auf einen längeren Zeitraum erstrecken wird und anzunehmen ist, daß die Errichtung und der Betrieb der Anlage bei Vorschreibung bestimmter Auflagen zulässig sein wird, oder wenn zur Ausarbeitung des Projektes einer Anlage Vorarbeiten erforderlich sind oder wenn das Vorliegen des Ergebnisses bestimmter Vorarbeiten für die Entscheidung der Behörde (§§ 333, 334 und 335) von wesentlicher Bedeutung ist, mit Bescheid, erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen, schon vor der Genehmigung der Errichtung und des Betriebes der Anlage die Durchführung der erforderlichen Arbeiten (z.B. eines Versuchsbetriebes) genehmigen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 29. Mai 1990 (ebenso der hg. Beschluß vom selben Tag, Zl. 90/04/0060) dargelegt hat, sind die Bestimmungen hinsichtlich Verfahren betreffend Betriebsanlagen in der Gewerbeordnung 1973 im IV. Hauptstück unter Pkt. 2i (§§ 353 bis 359b) zusammengefaßt, wobei die Frage der Parteistellung der Nachbarn im § 356 Abs. 3 und 4 leg. cit. geregelt ist. Zufolge der in Abs. 3 dieser Gesetzesstelle enthaltenen Verweisung auf deren Abs. 1 steht Nachbarn im Genehmigungsverfahren, welche auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eingeleitet wurden, unter den in Abs. 3 näher geregelten Voraussetzungen Parteistellung zu. Nach § 356 Abs. 4 leg. cit. haben Nachbarn ferner Parteistellung im Verfahren betreffend die Erteilung der Betriebsbewilligung (§ 78 Abs. 2), im Verfahren betreffend die Abstandnahme von der Verpflichtung zur Herstellung des dem Genehmigungsbescheid oder Betriebsbewilligungsbescheid entsprechenden Zustandes (§ 78 Abs. 4), im Verfahren betreffend die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen (§ 79), im Verfahrenn betreffend die Anpassung einer bereits genehmigten Betriebsanlage an eine Verordnung gemäß § 82 Abs. 1 (§ 82 Abs. 2), im Verfahren betreffend die Festlegung der von den Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 82 Abs. 1 abweichenden Maßnahmen (§ 82 Abs. 3) und im Verfahren betreffend die Vorschreibung der über die Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 82 Abs. 1 hinausgehenden Auflagen (§ 82 Abs. 4).

Wie der Gerichtshof weiter ausgeführt hat, zählt zu keinem dieser im Gesetz taxativ aufgezählten Fälle das im § 354 GewO 1973 geregelte Verfahren. Es ist daher schon auf Grund der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang davon auszugehen, daß im Verfahren nach § 354 GewO 1973 den Nachbarn Parteistellung nicht zukommt.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch im Lichte des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen (zu dieser Rechtsprechung kritisch Aichlreiter, Versuchsbetriebsgenehmigung und Nachbarparteistellung in: Wirtschaftsrechtliche Blätter 1990, S. 334 ff; eine Nachbarparteistellung im Verfahren nach § 354 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988 ebenfalls bejahend Mache-Kinscher, Die Gewerbeordnung5, Anm. 3 zu § 354 GewO 1973; die Nachbarparteistellung verneinend Duschanek in:

Zeitschrift für Verwaltung 1989, S. 223).

Es ist zunächst davon auszugehen, daß die Schaffung von subjektiven Rechten, die die Parteistellung begründen (wozu auch die Schaffung von Legalparteien zählt), eine Angelegenheit des materiellen Rechts ist und durch den nach den Kompetenzvorschriften der Verfassung zur Regelung der Sachmaterie zuständigen Gesetzgeber zu erfolgen hat (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes4, Rz. 126). Im Rahmen der gegebenen verfassungsrechtlichen Schranken kann der Materiengesetzgeber anordnen, in welchem Verfahren einer bestimmten Partei bestimmte Rechte einzuräumen sind; die Durchsetzung eines anders gearteten rechtspolitischen Anliegens ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes und zwar selbst dann, wenn die positive Rechtslage als rechtspolitisch verfehlt oder doch unbefriedigend angesehen werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1980, Slg. N. F.

Nr. 10.220/A).

Soweit nun die Beschwerdeführer eine Parteistellung der Nachbarn in einem Verfahren nach § 354 GewO 1973 aus der Regelung des Abs. 1 des § 356 GewO 1973 abzuleiten suchen, so vermag der Verwaltungsgerichtshof dieser Rechtsansicht nicht beizutreten.

Nach § 356 Abs. 1 GewO 1973 hat die Behörde (§§ 333, 334, 335), ausgenommen in den Fällen des § 359b, auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen. Gegenstand, Zeit und Ort der Augenscheinsverhandlung sowie die gemäß Abs. 3 bestehenden Voraussetzungen für die Begründung der Parteistellung sind den Nachbarn durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG 1950) und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern und in den auf den an diese Häuser unmittelbar angrenzenden Grundstücken stehenden Häusern bekanntzugeben; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden. Der Eigentümer des Betriebsgrundstückes und die Eigentümer der an dieses Grundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke sind persönlich zu laden.

Aus der Anordnung des § 356 Abs. 1 GewO 1973 kann nicht geschlossen werden, daß die Behörde - schlechthin - in allen auf Betriebsanlagen bezogenen Verfahren eine Augenscheinsverhandlung nach dieser Gesetzesstelle im Hinblick auf die den Nachbarn gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 eingeräumte Berechtigung zur Erhebung von Einwendungen anzuberaumen hat; sondern eben nur auf Grund eines "Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage" (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1983, Zl. 82/04/0103, wonach im Feststellungsverfahren nach § 358 Abs. 1 GewO 1973 die Bestimmungen über das Verfahren betreffend Betriebsanlagen keine Anwendung finden, weil "im besonderen die Bestimmungen des § 356 Abs. 3 über die Parteistellung von Nachbarn ausschließlich Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage (§ 356 Abs. 1 GewO 1973) zum Inhalt hat").

Der diesbezüglich klare Wortlaut des § 356 Abs. 1 GewO 1973 läßt keinen Raum dafür, daß auch im Verfahren zur Genehmigung eines "Versuchsbetriebes" (bzw. von "Vorarbeiten") die Behörde - und zwar im Grunde des § 356 Abs. 1 GewO 1973 - zur Anberaumung einer Augenscheinsverhandlung ermächtigt wäre.

Insofern kann daher der in der Beschwerde vertretenen Rechtsansicht nicht beigetreten werden, daß die Parteistellung der Beschwerdeführer im Verfahren zur Erteilung einer Versuchsbetriebsgenehmigung nach § 354 GewO 1973 bereits durch § 356 Abs. 1 GewO 1973 gegeben sei.

Es ist aber auch weiters davon auszugehen, daß in Ansehung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 354 GewO 1973 dem Verfahren zur Genehmigung eines Versuchsbetriebes der Charakter eines Provisorialverfahrens zukommt. Schon aus dem Begriff "Versuchsbetrieb" (bzw. "Vorarbeiten") leuchtet dabei hervor, daß die nach § 354 GewO 1973 zu genehmigenden Vorhaben nur vorübergehender Natur sein dürfen.

In Ansehung dessen erscheint es auch sachlich begründbar, wenn der Schutz der öffentlichen Interessen im Verfahren nach § 354 GewO 1973 (nur) der Behörde von Amts wegen obliegt und den Nachbarn keine Stellung eingeräumt ist, deren Beeinträchtigung von ihnen als Verletzung ihrer subjektiven öffentlichen Rechte geltend gemacht werden könnte. Hinzu kommt, daß durch die Genehmigung eines Versuchsbetriebes späteren Feststellungen über Art und Umfang der möglichen Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen und nachteiligen Einwirkungen im Verfahren zur Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder zur Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage nicht vorgegriffen wird. Damit werden die Nachbarn auch nicht beschränkt, ihre subjektiven öffentlichen Rechte im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren zu wahren.

Vor diesem Hintergrund vermag der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die Rechtsansicht der Beschwerdeführer zu teilen, wonach eine Versuchsbetriebsgenehmigung im Ergebnis den gleichen Inhalt aufweise, wie eine sozusagen endgültige Betriebsanlagengenehmigung. Im Lichte des vorliegenden Beschwerdefalles hat der Verwaltungsgerichtshof nicht das Bedenken, daß die hier in Frage stehende (unterschiedliche) Regelung der Parteistellung sachlich nicht begründbar wäre. Der Gerichtshof vermag sich damit auch nicht der Rechtsmeinung der Beschwerdeführer anzuschließen, es hieße dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt zu unterstellen, wollte man dem Nachbarn die Parteistellung im Zusammenhang mit der Erlassung eines Bescheides über die Genehmigung eines Versuchsbetriebes nach § 354 GewO 1973 verwehren.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß das Beschwerdevorbringen, wonach § 354 GewO 1973 zum Inhalt des Bescheides, mit dem der Versuchsbetrieb genehmigt werde, keinerlei nähere Festlegungen enthalte, in dieser Allgemeinheit nicht zutrifft. So hat nach § 354 leg. cit. die Genehmigung z. B. eines Versuchsbetriebes "erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen" zu erfolgen.

Da somit ausgehend von diesen Erwägungen der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Erst- bis Viertbeschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040323.X00

Im RIS seit

23.04.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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