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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N-AG gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. Oktober 1990, Zl. 313.268/1-III-3/90, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt :
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Landeshauptmann von Niederösterreich sprach mit Bescheid vom 9. Mai 1990 aus, daß auf Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 1990 gemäß § 81 GewO 1973 die Genehmigung für die Änderung der Treibstofftankstelle im Standort X, A-Straße 6, entsprechend nachstehender Beschreibung erteilt werde:
"Es ist der Abbruch der gesamten bestehenden Tankstellenanlage samt den unterirdischen Lagerbehältern geplant, lediglich der erst vor kurzer Zeit verlegte, geteilte (10.000 l Super bleifrei, 20.000 l Super verbleit) doppelwandige Behälter bleibt erhalten (Bescheid des Amtes der NÖ Landesregierung vom 5. Februar 1988, .....)
Folgende Baumaßnahmen sind geplant: .....
2. Treibstofflagerung:
Zusätzlich zum bestehenden, oben erwähnten Behälter werden drei neue doppelwandige unterirdische Treibstofflagerbehälter mit je 13.000 l Inhalt für Benzin, Heizöl extra leicht und Dieselkraftstoff so verlegt, daß die aufgeschweißten, nicht überfahrbaren Domschächte in der Grüninsel zu liegen kommen.
....."
Es wurde unter anderem folgende Auflage vorgeschrieben:
"81. Bei der Befüllung sämtlicher unterirdischer Lagerbehälter ist darauf zu achten, daß nie mehr als 40.000 l Gefahrenklasse I gelagert werden darf, wobei die Gefahrenklasse I und III im Verhältnis 1 : 20 umzurechnen und zu summieren sind."
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit Anbringen vom 23. Juli 1990 gab die Beschwerdeführerin bekannt, daß in Hinkunft bei der Tankstellenanlage kein Ofenheizöl verkauft werden soll. Die projektierte Verlegung eines 13.000 l Lagerbehälters samt der dazugehörigen Zapfsäule werde somit nicht durchgeführt. Um jedoch die ölbefeuerte Zentralheizungsanlage versorgen zu können, bestehe die Absicht, im "rückwärtigen Teil" des Tankstellenareals unmittelbar hinter dem Stationsgebäude einen 10.000 l Behälter, geteilt für 7.000 l Heizöl extra leicht und 3.000 l Altöl, zu verlegen. Dadurch, daß eine unterirdische Lagermöglichkeit für Altöl geschaffen werde, könne der im Projektplan vorgesehene oberirdische Altöltank entfallen.
Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. Oktober 1990 wurde der erstbehördliche Bescheid behoben und das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 1990, modifiziert mit Schreiben vom 23. Juli 1990, im Grunde des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 abgewiesen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, das gegenständliche Betriebsgrundstück (Gst 1109/5, 186/1 KG X) sei nach dem derzeit geltenden Bebauungsplan Nr. 7239-67/2 als "Bauland-Kerngebiet" (§ 16 Abs. 1 Z. 2 NÖ ROG 1976) gewidmet, wobei für das Grundstück 1109/5 zusätzlich die Nutzungsart "Tankstelle" ausgewiesen sei. Die NÖ Mineralölordnung sei ein Sondergesetz im Bereich des Baurechtes (vgl. § 1 Abs. 4 leg.cit.). Die Gewerbebehörde habe auch baurechtliche Bestimmungen dahingehend zu prüfen, ob durch diese das Errichten oder Betreiben der projektierten gewerblichen Betriebsanlage in dem in Aussicht genommenen Standort verboten sei. Es handle sich bei § 16 Abs. 1 der NÖ Mineralölordnung um eine für die gewerbliche Betriebsanlage nach § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen zu beachtende Rechtsvorschrift. In der gegenständlichen Betriebsanlage würden brennbare Flüssigkeiten der Gefahrenklasse I und III im Sinne des § 2 der NÖ Mineralölordnung gelagert. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Lagerung dieser Treibstoffe auf dem als "Bauland-Kerngebiet" gewidmeten Betriebsgrundstück mit der Mengenbegrenzung in der zitierten Bestimmung des § 16 Abs. 1 leg.cit. vereinbar sei, sei der Umrechnungsschlüssel gemäß § 3 Abs. 4 leg.cit. heranzuziehen. Dies bedeute, daß die Menge aller brennbaren Flüssigkeiten im vorliegenden Fall auf die Gefahrenklasse III umzurechnen sei. Nach diesem Umrechnungsschlüssel könne für das beantragte Projekt die Lagerung von 880.000 Litern brennbarer Flüssigkeiten der Gefahrenklasse III errechnet werden (43.000 Liter der Gefahrenklasse I x 20 plus 20.000 Liter der Gefahrenklasse III ergäben insgesamt 880.000 Liter). Diese Menge übersteige eindeutig die im vorliegenden Fall nach § 16 Abs. 1 leg. cit höchstzulässige Lagermenge. Die projektierte Treibstofflagerung im Rahmen des Tankstellenbetriebes sei daher im gegenständlichen Standort nach dieser Bestimmung nicht zulässig. Für die Betriebsanlage liege also eine Verbotsnorm im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 vor. Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung zutreffend ausgeführt habe, biete § 77 Abs. 1 zweiter Satz leg.cit. in dieser Hinsicht auch keine Rechtsgrundlage für die Vorschreibung von Auflagen durch die Gewerbebehörde. Eine Teilgenehmigung für die Lagerung bloß einer bestimmten Menge von Treibstoff sei im vorliegenden Fall ebenfalls nicht in Betracht gekommen, zumal diese das eingereichte Projekt auf Grund des gegenständlichen Ansuchens in seinem Wesen berühren und somit eine Projektsänderung darstellen würde, wozu die Gewerbebehörde jedoch nicht berechtigt sei. Die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung sei nämlich ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt. Unzutreffend sei die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach Tankstellen grundsätzlich als Verkehrsflächen im Sinne des § 18 NÖ ROG 1976 anzusehen seien, weil in dieser Bestimmung lediglich festgelegt werde, welche Flächen als Verkehrsflächen vorzusehen seien. Wie bereits ausgeführt, sei jedoch das gegenständliche Betriebsgrundstück tatsächlich als Kerngebiet und nicht als Verkehrsfläche gewidmet, wobei auch die für das Grundstück 1109/5 zusätzlich ausgewiesene Nutzungsart "Tankstelle" an dieser Widmung nichts ändere. § 16 Abs. 1, 1. Fall der NÖ Mineralölordnung sei daher im vorliegenden Fall maßgeblich. Aufgrund der bestehenden Widmung sei somit das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage durch die Rechtsvorschrift des § 16 Abs. 1 leg.cit. verboten, weshalb gemäß der Bestimmung des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973, die auch im Verfahren gemäß § 81 leg.cit. anzuwenden sei, die Genehmigung zu versagen gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht auf gewerbebehördliche Genehmigung der den Gegenstand des Genehmigungsansuchens bildenden Änderung ihrer gewerblichen Betriebsanlage verletzt. Sie trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die Berechnungen der belangten Behörde seien unrichtig. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung übersteige die beantragte Lagermenge selbst dann nicht die nach der NÖ Mineralölordnung zulässigen Höchstmengen, wenn man die verfahrensgegenständliche Tankstelle nicht als "Verkehrsfläche" i. S.d. § 18 NÖ ROG 1976 ansehe. Die Beschwerdeführerin habe, wie die belangte Behörde zutreffend vermerke, die Einlagerung von 43.000 l Flüssigkeit der Gefahrenklasse I sowie 20.000 l der Gefahrenklasse III beantragt. Die Bestimmung des § 3 Abs. 4 der NÖ Mineralölordnung schränke nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Mengenbegrenzung des § 16 Abs. 1 leg. cit. insofern ein, als die dort enthaltenen Begrenzungen bei Einlagerung von brennbaren Flüssigkeiten verschiedener Gefahrenklassen eben nicht innerhalb einer Gefahrenklasse gelten, sondern vielmehr nach Umrechnung in die jeweils niedrigste Gefahrenklasse ein Gesamtvergleich anzustellen sei. Zutreffend führe die belangte Behörde aus, daß nach dem in § 3 Abs. 4 der NÖ Mineralölordnung genannten Umrechnungsschlüssel für das beantragte Projekt die Lagerung von 880.000 l brennbarer Flüssigkeiten der Gefahrenklasse III errechnet werden könne.
Entgegen der - überhaupt nicht begründeten und im Bescheid selbst auch nicht durch eine entsprechende Rechenoperation nachvollziehbar gemachten - Auffassung der belangten Behörde übersteige diese Menge die nach § 16 Abs. 1 erster Fall der NÖ Mineralölordnung höchstzulässige Lagermenge eindeutig nicht. Rechne man die in § 16 Abs. 1 erster Fall der NÖ Mineralölordnung genannten Höchstmengen von 40.000/80.000/200.000 l in Mengen der Gefahrenklasse III um, so ergebe sich eine Höchstmenge von 1,160.000 l Flüssigkeit der Gefahrenklasse III. Diese Menge sei höher als die beantragte Menge, weshalb § 16 Abs. 1 erster Fall der NÖ Mineralölordnung einer Genehmigung der beantragten Änderung der Betriebsanlage nicht entgegenstehe und demgemäß auch § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 nicht angewendet werden könne. Bereits aus diesem Grunde sei der angefochtene Bescheid aufzuheben. Die beantragte Betriebsanlagenänderung hätte jedoch noch aus einem anderen Grund bewilligt werden müssen. Unverständlich sei es nämlich, warum die belangte Behörde dem bereits in der Berufung vertretenen Argument, Tankstellen seien "Verkehrsflächen" im Sinne des § 18 NÖ ROG 1976, weshalb die höheren Grenzen des § 16 Abs. 1 zweiter Fall der NÖ Mineralölordnung anzuwenden seien, nicht gefolgt sei.
Mit der Argumentation, in § 18 NÖ ROG 1976 sei lediglich geregelt, welche Flächen als Verkehrsflächen "vorzusehen" seien, entscheidend wäre im gegenständlichen Fall jedoch die tatsächliche Widmung, widerspreche sich die belangte Behörde selbst, weil sie grundsätzlich zutreffend ausführe, für das Grundstück 1109/5 sei "zusätzlich" die Nutzungsart "Tankstelle" ausgewiesen. Die damit im Zusammenhang gemachte Behauptung, diese Nutzungsart ändere an der "Widmung als Kerngebiet" nichts, sei in keiner Weise begründet. Selbst wenn man der Auffassung der belangten Behörde folge, wonach § 18 NÖ ROG 1976 zwar die Widmung der gegenständlichen Tankstelle als "Verkehrsfläche" vorschreibe, eine solche Widmung faktisch jedoch nicht bestehe, müßte man - auf der Basis der (unten freilich kritisierten) Rechtsansicht der belangten Behörde, sie hätte im Rahmen des § 77 Abs. 1, zweiter Satz GewO 1973 auch landesgesetzliche Vorschriften zu berücksichtigen - zur Anwendung der für Verkehrsflächen geltenden Mengenbegrenzung des § 16 Abs. 1 zweiter Fall der NÖ Mineralölordnung gelangen. Die Widmung der gegenständlichen Tankstelle wäre dann nämlich rechtswidrig und verstieße gegen § 18 NÖ ROG 1976, weshalb die belangte Behörde im Rahmen der Berücksichtigung des NÖ ROG 1976 bei der Prüfung der gewerberechtlichen Zulässigkeit von der gesetzeskonformen Widmung auszugehen gehabt hätte. Schließlich ergebe sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im vorliegenden Fall auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Verstehe man § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 - wie die belangte Behörde - so, daß die Gewerbebehörde nicht bloß bundes-, sondern vielmehr auch landesgesetzliche Vorschriften im Detail zu beachten und, wie dies im vorliegenden Fall ja erforderlich sei, auch die (oft schwierige) Frage der Auslegung landesgesetzlicher Vorschriften (hier § 18 NÖ ROG 1976 sowie § 3 Abs. 4 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 der NÖ Mineralölordnung) zu beantworten habe, so werde § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt, weil eine Bundesbehörde durch einfaches Gesetz nicht dafür zuständig gemacht werden könne, landesgesetzliche Vorschriften zu vollziehen. Die neueste Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047; Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/04/0195) berücksichtige dies offensichtlich, wenn gesagt werde, die in § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 genannten "Rechtsvorschriften" seien von der Verwaltungsbehörde (Gewerbebehörde) "nicht zu vollziehen, sondern von ihr im Sachverhaltsbereich zu berücksichtigen."
Letztere Passage werde von der belangten Behörde zwar offensichtlich zitiert; der angefochtene Bescheid berücksichtige die genannten Maximen jedoch in keiner Weise. Eine "Vollziehung" landesgesetzlicher Vorschriften durch die Gewerbebehörde läge unzweifelhaft vor, wenn diese z.B. die Frage des Verhältnisses von § 3 Abs. 4 zu § 16 Abs. 1 der NÖ Mineralölordnung sowie die Frage des Verhältnisses von § 15 zu § 18 NÖ ROG 1976 zu beurteilen hätte. Es könnte dann ohne weiteres der Fall eintreten, daß die Gewerbebehörde - wie dies die belangte Behörde getan habe - die gewerbebehördliche Genehmigung deshalb versage, weil sie landesgesetzliche Vorschriften in einer bestimmten Weise auslege, die für die Vollziehung dieser Vorschriften zuständige Behörde die landesgesetzlichen Bestimmungen jedoch anders, d.h. in einer für den Genehmigungswerber günstigen Weise, interpretiere. Schon daraus ergebe sich, daß für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Vollziehung von landesgesetzlichen Vorschriften durch Bundesbehörden im Rahmen der Vollziehung von Bundesrecht nicht ins Treffen geführt werden könne, daß damit dem Ziel der Verfahrensökonomie und -konzentration gedient wäre. Durch die Schaffung der in den Art. 10 ff B-VG geregelten Kompetenzverteilung habe der Verfassungsgesetzgeber vielmehr ein gewisses Maß an "Verfahrensunökonomie" bewußt in Kauf genommen.
Eine verfassungskonforme Interpretation des § 77 Abs. 1 zweiter Satz in Verbindung mit § 81 Abs. 1 GewO 1973 müsse daher jedenfalls zu dem Ergebnis führen, daß im gegenständlichen Fall die Begrenzungen des § 16 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Mineralölordnung anzuwenden seien. Sollte der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung sein, daß eine einschränkende Interpretation des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 im dargelegten Sinne - etwa im Hinblick auf entgegenstehende Ziele des Gesetzgebers der Gewerberechtsnovelle 1988 - nicht möglich erscheine, dann ergehe die Anregung, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG zu stellen und den Verfassungsgerichtshof zu einer Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 zu veranlassen.
Gemäß § 77 Abs. 1 erster Satz GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Nach dem zweiten Satz darf die Betriebsanlage nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist.
Nach § 81 Abs. 1 GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.
Aus der sich so darstellenden Gesetzeslage folgt, daß auch im Falle einer einem Genehmigungsverfahren im Sinne des § 81 Abs. 1 GewO 1973 zu unterziehenden Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage seitens der erkennenden Behörde auf die Bestimmung des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 Bedacht zu nehmen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047, zur Anordnung des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 dargetan hat, hat die Gewerbebehörde in Ansehung der konkreten vom Antrag erfaßten Betriebsanlage, und zwar bezogen auf den in Betracht kommenden Standort, zu prüfen, ob sich aus einer Rechtsvorschrift ein Verbot des Errichtens oder Betreibens dieser Anlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag ergibt. Derartige "Rechtsvorschriften", die genereller oder individueller Art (Bescheide) sein können, sind von der Verwaltungsbehörde nicht zu vollziehen, sondern von ihr im Sachverhaltsbereich zu berücksichtigen.
Entgegen der in der vorliegenden Beschwerde vertretenen Auffassung umfaßt die gebotene Berücksichtigung eine Heranziehung der zu berücksichtigenden "Rechtsvorschriften" - in der Formulierung der Beschwerde ausgedrückt - "im Detail" und macht die Beantwortung von sich angesichts der betreffenden "Rechtsvorschriften" ergebenden Auslegungsfragen nicht entbehrlich. Der Unterschied zwischen einer "Berücksichtigung" im Sinne des zweiten Satzes des § 77 Abs. 1 GewO 1973 und der Vollziehung von Rechtsnormen liegt darin, daß es sich bei der Berücksichtigung einer zum Tatbestandselement erhobenen (fremden) Norm lediglich um eine vorläufige inhaltliche Beurteilung handelt und daß Änderungen der betreffenden (fremden) Norm für die Behörde, die sie nicht anzuwenden, sondern zu berücksichtigen hat, Änderungen des Sachverhaltes, der nach Maßgabe seiner Relevanz für die Vollziehung der eigenen Norm im Ermittlungsverfahren festzustellen ist, darstellen. Zur Frage der verfassungsgesetzlichen Zulässigkeit einer solchen Berücksichtigung wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1990, B 1225-1228, hingewiesen.
§ 16 Abs. 1 NÖ Mineralölordnung sieht vor, daß die unterirdische Lagerung von brennbaren Flüssigkeiten im Wohngebiet, im Kerngebiet, im Agrargebiet und im Sondergebiet (§ 16 Abs. 1 Z. 1, 2, 5, und 6 NÖ ROG 1976) nur bis zu einer Menge von höchstens 40.000/80.000/200.000 Litern, im Betriebsgebiet sowie auf Verkehrsflächen, welche an Baulandflächen mit den vorgenannten Nutzungsarten angrenzen, nur bis zu einer Menge von höchstens 100.000/200.000/500.000 Litern je Anlage zulässig ist.
In § 2 Z. 1 leg.cit. wird in Ansehung der brennbaren Flüssigkeiten die Gefahrenklasse I als höchste Gefahrenklasse, die Gefahrenklasse II als mittlere Gefahrenklasse und die Gefahrenklasse III als niederste Gefahrenklasse bezeichnet.
In § 2 Z. 2 leg.cit. wird für die dort als Beispiel angeführte Mengenangabe 200/400/1.000 Liter die folgende Begriffsbestimmung gegeben: "Eine Mengenbegrenzung der brennbaren Flüssigkeiten, wobei sich die erste Zahl auf brennbare Flüssigkeiten der Gefahrenklasse I, die zweite Zahl auf brennbare Flüssigkeiten der Gefahrenklasse II und die dritte Zahl auf brennbare Flüssigkeiten der Gefahrenklasse III beziehen".
Werden brennbare Flüssigkeiten verschiedener Gefahrenklassen in derselben Anlage gelagert, so ist zufolge § 3 Abs. 4 leg.cit. die Lagermenge durch Gleichsetzung eines Liters brennbarer Flüssigkeit der Gefahrenklasse I mit zwei Litern brennbarer Flüssigkeit der Gefahrenklasse II bzw. zwanzig Litern brennbarer Flüssigkeit der Gefahrenklasse III auf die jeweils niedrigere Gefahrenklasse umzurechnen.
Die durch § 16 Abs. 1 leg.cit. bestimmte Rechtslage geht dahin, daß bei einer Lagerung einzig und allein von brennbaren Flüssigkeiten der Gefahrenklasse I die Höchstlagermenge je nach Widmung 40.000 Liter bzw. 100.000 Liter beträgt. Die Regelung des § 16 Abs. 1 leg.cit. erlaubt kein Überschreiten dieser Höchstmengen, und zwar auch nicht in Verbindung mit der Umrechnungsregel des § 3 Abs. 4 leg.cit. unter Heranziehung der für brennbare Flüssigkeiten der Gefahrenklasse II oder III vorgesehenen Höchstlagermengen. Eine Lagerung von brennbaren Flüssigkeiten der Gefahrenklasse I bewirkt vielmehr, daß daneben brennbare Flüssigkeiten der Gefahrenklasse III nicht mehr im Höchstausmaß von 200.000 bzw. 500.000 Litern, sondern nur mit der - nach Abzug des sich unter Anwendung des Umrechnungsschlüssels nach § 3 Abs. 4 leg.cit. zahlenmäßig ergebenden Produktes auf das Höchstausmaß von 200.000 bzw. 500.000 Litern verbleibenden - Restmenge gelagert werden dürfen.
Die belangte Behörde errechnete unter Anwendung des Umrechnungsschlüssels des § 3 Abs. 4 leg.cit. für das beantragte Projekt die Lagerung von 880.000 Litern brennbarer Flüssigkeiten der Gefahrenklasse III (43.000 Liter der Gefahrenklasse I x 20 plus 20.000 Liter der Gefahrenklasse III ergäben insgesamt 880.000 Liter). In dieser Berechnung findet sich keine Unrichtigkeit, die zu Lasten der Beschwerdeführerin gegangen wäre, wie in der vorliegenden Beschwerde von der Beschwerdeführerin selbst zugestanden wird. Die belangte Behörde durfte somit davon ausgehen, daß die nach § 16 Abs. 1 leg.cit. höchstzulässige Lagermenge eindeutig überschritten wird, und zwar ohne Unterschied, ob die Fläche, auf der das Betriebsgrundstück liegt, als Bauland-Kerngebiet gewidmet ist, wonach das Höchstausmaß der Lagermenge 200.000 Liter betrüge, oder ob sie als Verkehrsfläche gewidmet ist, demzufolge die höchstzulässige Lagermenge mit
500.000 Litern ebenfalls noch unter der dem Projekt entsprechenden Menge von 880.000 Litern gelegen wäre.
Bei diesem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Prüfungsverfahrens war ein Eingehen auf die Frage, ob die belangte Behörde die Widmung als Bauland-Kerngebiet rechtens als gegeben erachtete oder nicht, entbehrlich.
Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990040329.X00Im RIS seit
11.07.2001