TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/23 90/07/0035

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Veröffentlicht am 23.04.1991
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Index

L66107 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit Tirol;
80/06 Bodenreform;

Norm

WWSGG §33 Abs1;
WWSGG §33 Abs2;
WWSGG §34 Abs1;
WWSLG Tir 1952 §35;
WWSLG Tir 1952 §38 Abs2;
WWSLG Tir 1952 §39;
WWSLG Tir 1952 §42;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 6. Dezember 1989, Zl. 710.788/01-OAS/89, betreffend Feststellung von Anteilsrechten an einer Weideinteressentschaft und Nutzungsregelungen für Weiderechte (mitbeteiligte Partei: Weideinteressentschaft Arzl, vertreten durch den Obmann), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) hat mit Bescheid vom 12. Juli 1968 unter dem Betreff "Gemeinden Mühlau und Arzl, Sicherung von Weiderechten am Eggenwald" gemäß § 42 des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes, LGBl. Nr. 21/1952 (WWSG), nähere Bestimmungen "für die Ausübung der den Viehbesitzern von (erg. offenbar: in) Arzl liegenden Gütern nach der Servitutenregulierungsurkunde vom 12.2.1871, Nr. 21747/1260, zustehenden Weiderechte" erlassen.

In Spruchpunkt I dieses Bescheides wurde das belastete Gebiet genau umschrieben.

Unter II wurde gemäß § 9 Abs. 2 WWSG festgestellt, "daß die jeweiligen Eigentümer der nachstehenden Güter der KG. Arzl mit dem jeweils auf dem Gut überwinterten Vieh weideberechtigt sind, wobei die Höchstbestoßungsziffer, die Weidezeit, die Beschaffenheit der Rechte und die Modalitäten der Weideausübung sich nach der Servitutenregulierungsurkunde vom 12.2.1871, Nr. 21747/1260, richten";

unter lf. Nr. 7 wurde als berechtigtes Gut "EZl. N3 AH"

aufgezählt.

Gleichzeitig wurde unter III festgestellt,

"daß die Weiderechte in jenen Parzellen, die zugunsten der Gemeinde Arzl zu 2/3 und der Gemeinde Mühlau zu 1/3 bestehen, nunmehr zugunsten der Weideinteressentschaft Arzl zu 2/3 und der Weideinteressentschaft Mühlau zu 1/3 bestehen."

In Spruchpunkt IV schließlich wurden die jeweiligen Eigentümer der angeführten berechtigten Liegenschaften gemäß § 50 Abs. 2 und 3 WWSG zur "Weideinteressentschaft Arzl" (der nunmehrigen mitbeteiligten Partei, in der Folge kurz mP) zusammengefaßt und es wurde für diese ein Vertretungsstatut erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, auf Grund der bereits mehrfach genannten Servitutenregulierungsurkunde stünden den Gemeinden Arzl und Mühlau gegenseitig Weiderechte zu. Bei der Agrarbehörde sei ein Verfahren zur Regelung dieser Weiderechte anhängig. Dieser Regelung komme besonders im Zuge der Maßnahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung auf der Innsbrucker Nordkette größte Bedeutung zu. Bisher sei völlig ungeklärt gewesen, wer tatsächlich zur Ausübung der Weiderechte berechtigt sei. Die Stadtgemeinde Innsbruck (als Rechtsnachfolgerin der Gemeinden Mühlau und Arzl) komme dafür nicht in Betracht. Die Weide habe nur von den Viehhaltern in den einzelnen Orten ausgeübt werden können. Es sei daher eine Klärung der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse geboten, wobei den Weideberechtigten zur Wahrnehmung ihrer Interessen die Selbstverwaltung in Form einer Weideinteressentschaft einzuräumen sei. Der vorliegende Bescheid sei gemäß der Ermächtigung des § 42 WWSG als vorläufige Regelung erlassen worden, weil der Abschluß des Verfahrens nicht vorhergesehen werden könne und sowohl öffentliche Interessen als auch die wirtschaftlichen Interessen der Weideberechtigten eine vertretungsbefugte Selbstverwaltungskörperschaft erforderten.

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Den vorgelegten Akten ist nicht zu entnehmen, daß es damals und in den Folgejahren zur Durchführung eines Regulierungsverfahrens gekommen wäre; dazu kam es auch dann nicht, als Vertreter der mP am 26. Jänner 1976 bei der AB einen Antrag auf Regulierung eingebracht hatten.

Wohl aber wurde mit Bescheid der AB vom 20. Jänner 1977 gemäß § 38 Abs. 2 WWSG festgestellt,

"daß den Mitgliedern der Weideinteressentschaft Arzl, welche durch ha. rechtskräftigen Bescheid vom 12.7.1968, Zl. IIIb 1 - 645/7, gebildet wurde, Weiderechte in nachstehendem Umfange zukommen, deren Ausübung im Rahmen der bestehenden Servitutenregulierungsurkunden, ibs. der Urkunde vom 12.2.1871, Nr. 21747/1260, der Höhe nach beschränkt ist."

Hierauf wurden in Spruchpunkt I unter "Umfang der Weiderechte" in insgesamt 80 laufenden Zahlen die in der KG Arzl gelegenen berechtigten Liegenschaften mit ihrer landwirtschaftlichen Fläche und den daraus ermittelten Weiderechten (insgesamt 374 Weiderechte) aufgezählt, darunter unter lfd. Nr. 6 "n3 AH, CH, mj. DH, FH" mit 3,6966 ha und 8 Weiderechten. Spruchpunkt II enthielt einige nähere Regelungen der Nutzungsausübung.

In der Begründung dieses Bescheides berief sich die AB erneut auf § 38 Abs. 2 WWSG und führte aus, daß bei der Feststellung des Umfanges der Weiderechte davon ausgegangen worden sei, daß zur Haltung einer Großvieheinheit 0,50 ha landwirtschaftliche Fläche erforderlich sei, weshalb für alle Beteiligten bis 0,50 ha ein Recht und für je weitere 0,50 ha ein weiteres Recht zuerkannt worden sei. Die Eigentümer der belasteten Grundstücke seien zu den Feststellungen dieses Bescheides nicht zu hören gewesen, da in ihre Rechtssphäre nicht eingegriffen werde; dieser Bescheid stelle lediglich eine Klarstellung der internen Verhältnisse der Weideinteressentschaft dar.

Gegen diesen Bescheid haben mehrere Weideberechtigte Berufung erhoben. Im Zuge des Berufungsverfahrens kam es am 7. Februar 1980 zu einer Verhandlung, an welcher u.a. auch drei Vertreter der (belasteten) Stadtgemeinde Innsbruck teilnahmen. Der nunmehrige Beschwerdeführer nahm an dieser Verhandlung nicht teil. In dieser Verhandlung wurde eine in der Niederschrift im einzelnen festgehaltene "einvernehmliche Lösung nach den ausdrücklichen Erklärungen der anwesenden Parteien" erzielt.

Ausgehend von dieser "einvernehmlichen Lösung" erließ der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) seinen Berufungsbescheid vom 26. März 1980, mit welchem den bei ihm anhängigen Berufungen Folge gegeben und nunmehr der Vereinbarung entsprechende Feststellungen über "Anteilsrechte an der Weideinteressentschaft Arzl" getroffen wurden. Auch der LAS stützte diesen seinen Berufungsbescheid auf § 38 Abs. 2 WWSG. Der LAS habe keinen Grund gesehen, dem Antrag der Parteien in der Verhandlung nicht zu entsprechen, wonach der Bescheid der AB gemäß den getroffenen Vereinbarungen abgeändert werden solle.

Die von der Stadtgemeinde Innsbruck gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Oberste Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 4. Dezember 1985 gemäß § 1 AgrVG 1950 und § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 38 WWSG als unbegründet ab. Die belangte Behörde bejahte vorerst in diesem Bescheid ihre Zuständigkeit unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 Z. 4 des Agrarbehördengesetzes (AgrBehG 1950) und meinte begründend, daß auf Grund der vor dem LAS getroffenen Vereinbarung der Stadtgemeinde Innsbruck jedes Rechtsschutzinteresse dafür fehle, eine Entscheidung zu bekämpfen, deren Inhalt sie selbst gewünscht habe.

Dieser Bescheid der belangten Behörde wurde über Beschwerde der Stadtgemeinde Innsbruck mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1987, Zl. 86/07/0043, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde eine Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit des LAS bei Erlassung seines Bescheides vom 26. März 1980 unbeachtet gelassen und nicht zum Anlaß einer Aufhebung des zuletzt genannten Bescheides des LAS genommen hatte.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 1. Juli 1987 der Berufung gegen den Bescheid des LAS vom 26. März 1980 "gemäß § 1 AgrVG 1950, § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 38 WWSG" stattgegeben und diesen Bescheid behoben.

Im Zuge des nunmehr wieder vor dem LAS fortgesetzten Verfahrens kam es zu einer schriftlichen Stellungnahme der mP und zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung am 24. September 1987.

Mit Bescheid vom 24. September 1987 gab der LAS neuerlich den Berufungen des B u.a. gegen den Bescheid der AB vom 20. Jänner 1977 Folge und stellte gemäß § 38 Abs. 2 WWSG fest, "daß den Mitgliedern der Weideinteressentschaft Arzl ... nachangeführte Anteilsrechte an der Weideinteressentschaft Arzl zukommen. Die Anteilsberechtigten können ihr Weiderecht wie bisher mit dem auf ihrem Gut überwinterten Viehstand ausüben, wobei die Ausübung im Rahmen der bestehenden Servitutenregulierungsurkunden, insbesondere der Urkunde vom 12.2.1871, Nr. 21747/1260, der Höhe nach beschränkt ist. Weitere Regelungen über die Nutzungsausübung im Rahmen der urkundlichen Bestimmungen erfolgen im Pkt II dieses Bescheides."

Im nachfolgenden Punkt I lit. a dieses Bescheides setzte der LAS den Umfang der Anteilsrechte von insgesamt 81 Eigentümern mit insgesamt 334 Anteilsrechten fest, darunter jenen zur EZl. für "AH, CH, mj. DH, FH" (nunmehr der Beschwerdeführer als Alleineigentümer) mit acht Anteilen. Punkt I lit. b lautete:

"Abgesehen von der Berechtigung jeder Stammsitzliegenschaft, mit dem auf dem Heimgut überwinterten Viehstand die Weide auszuüben, richten sich die Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder der Weideinteressentschaft Arzl nach den zu lit. a festgesetzten Anteilsrechten. Sollte durch die angemeldete Viehzahl der urkundliche Höchstbesatz überschritten werden, so ist das angemeldete Vieh im Verhältnis der Anteilsrechte an der Weideinteressentschaft Arzl zu reduzieren. Nach dem Anteilsrecht richten sich insbesondere die Tragung der Kosten und Lasten und die Verteilung von Überschüssen. Wiederkehrende Lasten bzw. Leistungen sind nach Maßgabe des tatsächlich aufgetriebenen Viehbestandes umzulegen. Dabei ist jedes Stück Rindvieh, unabhängig vom Alter und Gewicht, als gleich anzusehen."

Die weiteren Regelungen über die Nutzungsausübung in Punkt II dieses Bescheides lauteten:

"1) Jeder Anteilsberechtigte an der Weideinteressentschaft Arzl ist berechtigt, mit seinem auf dem Heimgut überwinterten Viehstand im Rahmen des urkundlichen Besatzes die Weide auszuüben.

2) Jeder Anteilsberechtigte hat beim Obmann der Weideinteressentschaft a) bis zum 1.2. eines jeden Jahres die zum Auftrieb gewünschte Kleinviehzahl (Schafe und Ziegen), b) bis zum 1.4. eines jeden Jahres die zum Auftrieb gewünschte Großviehanzahl (Rinder und Pferde), anzumelden.

3) Werden durch das bis zu den vorgenannten Zeitpunkten angemeldete Vieh die urkundlichen Höchstbestoßungsziffern überschritten, dann ist das angemeldete Vieh im Verhältnis der Anteilsrechte der Weideinteressentschaft Arzl bis auf den Höchstbesatz zu reduzieren. Die Reduktion ist vom Ausschuß der Weideinteressentschaft vorzunehmen und das Ergebnis den Anteilsberechtigten spätestens bis 4 Wochen nach Ablauf der Anmeldefrist mitzuteilen."

Begründend führte der LAS nach einer Darstellung des seinem Bescheid vorangegangenen Verfahrens aus, mit seiner Entscheidung sei dem Berufungsbegehren unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes entsprochen worden, insbesondere werde damit im Rahmen der gegebenen Zuständigkeit des LAS auch den einvernehmlichen Parteienerklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 1980 entsprochen.

Gegen diesen Bescheid hat der nunmehrige Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde erhoben, in der er neben Verfahrensmängeln geltend machte, der LAS habe unzulässigerweise außerhalb eines ordnungsgemäß eingeleiteten Regulierungsverfahrens über die durch § 38 Abs. 2 WWSG bzw. durch die §§ 31 bis 34 WWSG gegebenen rechtlichen Möglichkeiten hinausgehende Regelungen getroffen, wobei es insbesondere auch zu Abweichungen von den Servitutenregulierungsurkunden gekommen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 1989 hat die belangte Behörde diese Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 1 AgrVG 1950, § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit §§ 31 Abs. 1 und 38 Abs. 2 WWSG" als unbegründet abgewiesen.

Nach einer Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes setzte sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit ihrer (gemäß § 7 Abs. 2 Z. 4 AgrBehG 1950 bejahten) Zuständigkeit auseinander. Anschließend bejahte sie (wenn auch unter irriger Heranziehung des bereits außer Kraft getretenen § 31 AVG) zutreffend auch die Rechtzeitigkeit der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung.

In der Sache schließe sich die belangte Behörde zunächst der Auffassung des Beschwerdeführers durchaus an, wonach die vom LAS getroffenen Maßnahmen derart einschneidend seien, daß sie nur in einem Regulierungsverfahren hätten getroffen werden können. Es sei auch bereits seit dem Jahre 1976 ein Antrag der mP auf Regulierung der gegenständlichen Weiderechte bei der Agrarbehörde erster Instanz anhängig. Derart einschneidende Regelungen wie die Festlegung des Umfanges der auf die einzelnen Weideberechtigten entfallenden Rechte könnten abschließend nur in einem Regulierungsplan getroffen werden.

Damit sei für den Beschwerdeführer jedoch nichts gewonnen, weil die vom LAS getroffene Regelung nur provisorischen Charakter habe. Daß die Behörde aber solche Vorkehrungen treffen könne, ergebe sich aus § 31 Abs. 1 im Zusammenhalt mit § 13 WWSG. Im Hinblick darauf, daß auf Grund der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Urkunden die Rechte den Gemeinden Arzl und Mühlau ohne nähere Bestimmung der einzelnen Weideberechtigten zustünden und daß sich immer wieder unterschiedliche Auslegungen zwischen den weideberechtigten Liegenschaften und der Grundeigentümerin (Stadtgemeinde Innsbruck) ergeben hätten, sei es auch nach Ansicht der belangten Behörde geboten, zwischenweilige Vorkehrungen für die reibungslose Ausübung der Weiderechte zu treffen. Dies entbinde die Behörde allerdings nicht von der Verpflichtung, unverzüglich entweder ein Regulierungsverfahren einzuleiten oder aber bescheidmäßig gemäß § 38 Abs. 2 WWSG festzustellen, daß ein Regulierungsverfahren nicht durchgeführt werde.

Da nach Meinung der belangten Behörde mit dem Bescheid des LAS vom 24. September 1987 Rechte des Beschwerdeführers keineswegs abschließend und endgültig berührt, sondern nur vorläufige Regelungen des Weideablaufes getroffen würden, und da weiters dieser Bescheid dem Beschwerdeführer keine Verschlechterung gegenüber dem Zustand nach dem Bescheid aus dem Jahre 1968 bringe, habe der Berufung ein Erfolg versagt bleiben müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren sowie darauf verletzt, daß die seiner Stammsitzliegenschaft zukommenden Weiderechte nicht in einem nicht die Garantien eines regulären Servitutenregelungsverfahrens aufweisenden Provisorialverfahren gemindert würden, ferner auch in seinem Recht darauf, daß Provisorialentscheidungen zu rechtfertigen seien.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die mP hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht

beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das WWSG regelt die Behandlung von Wald- und Weidenutzungsrechten sowie besonderer Felddienstbarkeiten. Zu diesen Nutzungsrechten zählen gemäß § 1 Abs. 1 lit. b WWSG Weiderechte auf fremdem Grund und Boden, deren Umfang gemäß § 7 WWSG das durch Übereinkommen festgestellte oder durch Urkunden oder sonstige Beweismittel nachgewiesene Ausmaß bestimmt. Unter bestimmten Voraussetzungen können gemäß § 8 WWSG Nutzungsrechte der in § 1 bezeichneten Art reguliert oder abgelöst werden.

Gegenstand der Regulierung ist gemäß § 9 Abs. 1 WWSG die Feststellung a) der belasteten Grundstücke, b) der berechtigten Liegenschaften, c) der Beschaffenheit und des Umfanges der Rechte und d) der Gegenleistungen. Die Neuregulierung bezweckt gemäß § 9 Abs. 2 WWSG im ursprünglichen im § 7 bezeichneten Rahmen sowohl die Ergänzung als auch Änderung der Servitutenregulierungsurkunden, um sie geänderten Bedürfnissen anzupassen und so die volle und beste wirtschaftliche Ausnutzung der Rechte zu erreichen. Nähere Bestimmungen über die Regulierung von Weiderechten enthält insbesondere der § 13

WWSG.

Gemäß § 39 WWSG werden Verfahren zur Regulierung oder Ablösung mit einem Bescheid eingeleitet, der feststellt, ob ein gültiger Antrag oder die Voraussetzungen für ein Verfahren von Amts wegen vorliegen, und die Einleitung des Verfahrens verfügt. Der Eintritt der Rechtskraft des Einleitungsbescheides ist gemäß § 40 WWSG den zuständigen Grundbuchsgerichten, Bezirksverwaltungsbehörden und Bezirksvermessungsämtern mitzuteilen und in den davon betroffenen Gemeinden zu verlautbaren. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens sind gemäß § 41 WWSG die alten aufrechtbleibenden Bestimmungen und die beabsichtigten Maßnahmen zur Umgestaltung der Dienstbarkeit in einem Servituten-Regulierungs- und Ablösungsplan zusammenzufassen.

Zu diesen grundlegenden Bestimmungen über die Regulierung bzw. Neuregulierung nach dem WWSG ist im Beschwerdefall zu sagen, daß entgegen einem Hinweis in der Begründung des Bescheides der AB vom 12. Juli 1968 und trotz eines darauf abzielenden Antrages der mP vom 26. Jänner 1976 (Ü) bisher weder ein Regulierungsverfahren betreffend die in der Servitutenregulierungsurkunde vom 12. Februar 1871 vorgesehenen Weiderechte bescheidmäßig eingeleitet noch dieser Antrag abschlägig behandelt worden ist. Allerdings hat die mP diesen Antrag seither nicht weiter verfolgt. Auch der Beschwerdeführer, der in seiner Beschwerde an diesem Zustand heftige Kritik übt, hat im Verwaltungsverfahren weder den von der mP gestellten Antrag betrieben noch selbst einen auf Einleitung eines Regulierungsverfahrens abzielenden Antrag gemäß § 8 Abs. 3 WWSG in die Wege geleitet.

Das gesamte Verwaltungsverfahren einschließlich des nunmehr angefochtenen Bescheides bewegt sich daher außerhalb eines nach den oben angeführten Bestimmungen des WWSG geregelten "formellen" Regulierungsverfahrens.

Für ein behördliches Vorgehen außerhalb eines solchen Verfahrens sieht einerseits § 31 Abs. 1 WWSG vor, daß Vorkehrungen, z.B. von der in § 10 und § 13 genannten Art, zur Sicherung behördlich geregelter Nutzungen jederzeit ohne Einleitung eines Regulierungsverfahrens getroffen werden können.

Ferner ist in § 38 Abs. 2 WWSG geregelt, daß die Agrarbehörden, welche zu entscheiden haben, ob und inwieweit eine Ablösung oder Regulierung stattfindet, auch außerhalb eines Regulierungs- oder Ablösungsverfahrens mit Ausschluß des Rechtsweges über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten, über die Frage, welche Liegenschaften berechtigt und welche verpflichtet sind, sowie über Streitigkeiten hinsichtlich der Ausübung von Nutzungsrechten, insbesondere auch über Einwendungen gegen einen Nutzungsplan für belastete Grundstücke nach § 33, und über Beschwerden wegen Nichteinhaltung derselben entscheiden.

Schließlich kann die Agrarbehörde gemäß § 42 WWSG die Ausübung von Dienstbarkeiten mit einem Provisorium vorläufig regeln, wenn die Durchführung eines Servitutenverfahrens aus wichtigen wirtschaftlichen Gründen nicht abgewartet werden kann. Um einen drohenden empfindlichen Schaden zu verhüten, kann sie ein Provisorium auch vor Einleitung eines Servitutenverfahrens erlassen. Sie kann auch mit Überleitungsverfügungen einen angemessenen Übergang in die im Servitutenplan neu geordneten Verhältnisse herbeiführen. Im übrigen wird die Rechtsausübung während des Verfahrens nicht behindert, Exekutionsführungen sind auch während des Verfahrens zulässig.

Im vorliegenden Verwaltungsverfahren haben sowohl die AB (Bescheid vom 20. Jänner 1977) als auch der LAS (Bescheide vom 26. März 1980 bzw. vom 24. September 1987) und die belangte Behörde (im aufgehobenen Bescheid vom 4. Dezember 1985 sowie im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 1989) ihr jeweiliges Einschreiten auf § 38 Abs. 2 und NICHT auf § 42 WWSG gestützt. Im Sinne des Beschwerdevorbringens wird daher zu prüfen sein, ob diese Vorgangsweise im Gesetz Deckung findet.

Auch wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides von einem "nur provisorischen Charakter" der getroffenen Entscheidung spricht, mit der nur "vorläufige Regelungen des Weideablaufes" getroffen würden, handelt es sich somit - anders als bei dem grundlegenden Bescheid der AB vom 12. Juli 1968, der ausdrücklich auf § 42 WWSG gestützt ist - im vorliegenden Verfahren nicht um ein auf § 42 WWSG gestütztes behördliches Vorgehen und damit nicht um ein "Provisorium" im Sinne des WWSG. Der vorläufige Charakter des mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Bescheides des LAS folgt nach der insoweit zutreffenden Begründung des angefochtenen Bescheides vielmehr nur daraus, daß eine "endgültige" Lösung erst im Zuge des längst von der mP beantragten Regulierungsverfahrens gefunden werden könne. Mit Rücksicht auf diese Rechtslage wird der in der Beschwerde aus mehreren Gesichtspunkten abgeleitete Vorwurf, die belangte Behörde habe eine Begründung dafür nicht gegeben, daß ein Provisorium im Sinne des § 42 WWSG überhaupt zulässig sei, zu Unrecht erhoben.

Zutreffend ist allerdings der Vorwurf, die belangte Behörde habe auch die Heranziehung des § 31 Abs. 1 WWSG im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet. Es läßt sich nämlich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides und aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht erkennen, aus welchen Gründen eine "Sicherung von Weiderechten" im Beschwerdefall erforderlich gewesen wäre bzw. inwieweit eine solche Sicherung im Bescheid des LAS vom 24. September 1987 - der ebenso wie der erstinstanzliche Bescheid jedenfalls nicht auf § 31 WWSG Bezug nimmt - überhaupt vorgenommen worden ist, werden doch darin nur Anteilsrechte an der mP und Nutzungsausübungsregelungen für an sich unbestritten aufrechte Weiderechte für das "jeweils auf dem Gut überwinterte Vieh" festgesetzt.

Es kann bei dieser Beurteilung dahinstehen, ob die belangte Behörde im Falle einer bloß auf die §§ 31 Abs. 1 oder 42 WWSG gestützten Vorgangsweise der Unterinstanzen überhaupt zu einer Sachentscheidung zuständig gewesen wäre (§ 7 Abs. 2 AgrBehG 1950).

Was die Frage betrifft, ob und inwieweit der von den Agrarbehörden im Beschwerdefall herangezogene § 38 Abs. 2 WWSG eine taugliche rechtliche Grundlage für die getroffenen Verfügungen darstellt, teilt der Verwaltungsgerichtshof die von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretene Auffassung, daß die vom LAS getroffenen Maßnahmen derart einschneidend sind, daß sie nur in einem Regulierungsverfahren getroffen hätten werden können. Sowohl die Formulierung des § 38 Abs. 2 WWSG als auch die Systematik des Gesetzes lassen erkennen, daß diese Bestimmung nicht einer Gesamtregelung, sondern offenbar nur der Regelung auftretender Einzelfragen zu dienen hat. Es ist ferner noch einmal darauf hinzuweisen, daß der Bescheid der AB vom 12. Juli 1968 ausdrücklich als Provisorium gemäß § 42 WWSG erlassen wurde,und sich darauf Entscheidungen ohne Provisorialcharakter - wie sie § 38 Abs. 2 WWSG vorsieht, keineswegs stützen konnten. Vielmehr hätte gerade die Erlassung eines Provisoriums gemäß § 42 WWSG zwingend die endgültige Klärung der Verhältnisse in einem Regulierungsverfahren nach sich ziehen müssen. Auch die belangte Behörde vermag keine rechtliche Begründung dafür zu geben, wie ein "Ausweichen" der Agrarbehörden von der erforderlichen Einleitung eines Regulierungsverfahrens auf außerhalb eines solchen getroffene Maßnahmen gemäß § 38 Abs. 2 WWSG gerechtfertigt werden könnte; sie gibt vielmehr selbst unmißverständlich zu verstehen, daß sie eine solche Vorgangsweise grundsätzlich für unzulässig erachtet. Die belangte Behörde hat es allerdings unterlassen, aus dieser Beurteilung die notwendigen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich auch nicht der Auffassung der belangten Behörde anzuschließen, Rechte des Beschwerdeführers würden durch den angefochtenen Bescheid keineswegs "abschließend und endgültig berührt", dieser Bescheid bringe dem Beschwerdeführer "keine Verschlechterung gegenüber dem Zustand nach dem Bescheid aus dem Jahre 1968". Die im angefochtenen Bescheid bestätigte Regelung - welcher der Beschwerdeführer vorher nie zugestimmt hat - sieht erstmals "Anteilsrechte" an der mP vor, deren Festsetzung nicht nur Auswirkungen auf die Rechte, sondern auch auf die Verpflichtungen der einzelnen Weideberechtigten hat. Die Aussage, es handle sich nur um eine vorläufige Regelung - was indes nicht zutrifft -, schließt eine nachteilige Berührung von Rechten des Beschwerdeführers keinesfalls aus. Hinsichtlich des Zeithorizontes wird die genannte Auffassung der belangten Behörde durch die gerade im Beschwerdefall erwiesene Zählebigkeit sogenannter Provisorien augenscheinlich entkräftet.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es noch einer Auseinandersetzung damit bedurfte, daß die belangte Behörde einen auf eine Parteienvereinbarung gestützten Bescheid des LAS bestätigt hat, obwohl der bei ihr als Berufungswerber aufgetretene Beschwerdeführer an dieser Vereinbarung gar nicht beteiligt gewesen ist.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990070035.X00

Im RIS seit

23.04.1991

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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