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L66506 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
AgrGG Stmk 1985 §2 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde
1. N.S. und 2. der T.S. gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. Mai 1990, Zl. 8 - LAS 13 Fu 1/4 - 90, betreffend die Satzung einer Agrargemeinschaft (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft "R Au", vertreten durch den Obmann), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 25. Jänner 1990 stellte die Agrarbezirksbehörde Stainach (AB) gemäß §§ 1 und 3 des Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetzes 1985, LGBl. 8/1986 (StAgrGG), fest, daß die zu je einem Neuntel "im Eigentum" von "näher angeführten Liegenschaften" stehende Liegenschaft EZ, KG K, sogenannte "R Auen", eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft darstelle. Gleichzeitig erließ die AB gemäß § 2 Abs. 3 sowie §§ 6 und 43 StAgrGG für die Agrargemeinschaft "R Au" - die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (MP) - vorläufig Verwaltungssatzungen. In § 9 dieser Satzungen wurde festgelegt, daß für die Gültigkeit von Beschlüssen der Vollversammlung grundsätzlich einfache Stimmenmehrheit, in Fällen der Abänderung der Verwaltungssatzungen (§ 8 Z. 3), der Veräußerung, Belastung und Verpachtung des Gemeinschaftsgutes und gemeinschaftlicher Rechte sowie der Auflassung gemeinschaftlicher Berechtigungen (§ 8 Z. 4), schließlich der Enthebung aller oder einzelner Mitglieder des Ausschusses sowie der Rechnungsprüfer (§ 8 Z. 13) aber Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich sein solle. Begründend führte die AB hiezu aus, die MP, die aus neun Mitgliedern bestehe, habe gemäß § 2 Abs. 3 StAgrGG (weil aus mehr als fünf Mitgliedern bestehend) körperschaftlich eingerichtet werden müssen. An dem von mehreren Mitgliedern - darunter den Beschwerdeführern - geforderten Einstimmigkeitsprinzip habe nicht festgehalten werden können, weil das Mehrheitsprinzip den Eckpfeiler jeder demokratischen Gemeinschaftsverwaltung darstelle, während das Einstimmigkeitsprinzip jedem Mitglied ein zu nicht vertretbaren Erschwerungen der Verwaltung führendes Vetorecht einräumen würde.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machten die Beschwerdeführer geltend, bei der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft handle es sich großteils um Hoch- und Niedermoorflächen, die vom Standpunkt des Naturschutzes als höchst schutzwürdig eingestuft und in den Moorschutzkatalog aufgenommen worden seien. Die Erklärung zum Naturschutzgebiet sei angeregt worden. Die Beschwerdeführer und andere Mitglieder der MP hätten auf Grund des bisher bei der MP in Geltung gestandenen Einstimmigkeitsprinzips und des daraus resultierenden Vetorechtes die Errichtung eines Parkplatzes für etwa sechshundert PKW und einer Talstation für einen Doppelsessellift in diesem Moorgebiet verhindern können. Die auf die Initiative der übrigen Mitglieder der MP zurückgehende Erlassung von Verwaltungssatzungen verleihe diesen nun das Recht, "Mehrheitsbeschlüsse durchzudrücken".
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 1 AgrVG 1950 als unbegründet ab. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die maßgeblichen Bestimmungen des § 43 StAgrGG enthielten keine Regelungen über die für Beschlüsse von kollegialen Verwaltungsorganen erforderliche Stimmenmehrheit. Wenngleich es sich bei Agrargemeinschaften um Körperschaften des öffentlichen Rechtes handle, sei es für eine funktionierende Gestaltung der Verwaltung erforderlich, analog den Bestimmungen des ABGB für diese Eigentumsgemeinschaft (einfache und qualifizierte) Mehrheitsbeschlüsse vorzusehen. Gemäß § 833 ABGB komme der Besitz und die Verwaltung der gemeinsamen Sache allen Teilhabern insgesamt zu, während in Angelegenheiten, die nur die ordentliche Verwaltung und Benützung des Hauptstammes beträfen, die Mehrheit der nach Anteilen zu berechnenden Stimmen entscheide. In Analogie sei auch auf das Steiermärkische Zusammenlegungsgesetz, LGBl. Nr. 82/1982, zu verweisen, das in § 14 Abs. 3 vorsehe, daß die Beschlüsse der Vollversammlung und des Ausschusses der Zusammenlegungsgemeinschaft der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedürften. Die Festlegung eines Erfordernisses der einstimmigen Beschlußfassung würde die Verwaltung der MP wesentlich erschweren oder sogar unmöglich machen. Auf den Schutz der Minderheiten sei durch die Einräumung eines Beschwerderechtes an die Aufsichtsbehörde hinreichend Bedacht genommen worden. Auch sei für die Veräußerung oder Belastung agrargemeinschaftlicher Grundstücke die Genehmigung der Agrarbehörde erforderlich.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 24. September 1990, B 869/90, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten Beschwerdeergänzung machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend. Die Beschwerdeführer erachten sich "insofern beschwert, als die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid unsere Berufung gegen Spruchpunkt 2) des Bescheides der Agrarbezirksbehörde Stainach vom 25. 1. 1990, GZ.: 2 F 5/5-90, womit für die Agrargemeinschaft 'R Au' Verwaltungssatzungen aufgestellt wurden, als unbegründet abwies, wodurch sie das vor Erlassung dieser Satzungen in unserer Agrargemeinschaft geltende Einstimmigkeitsprinzip in den Fällen der Veräußerung, Belastung und Verpachtung des Gemeinschaftsgutes und gemeinschaftlicher Berechtigungen beseitigte und damit unter einem § 43 des Stmk. AgrGG 1985 in Verbindung mit § 833 ABGB verletzte."
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt. Die MP hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 1 StAgrGG ist die Verwaltung jeder aus mindestens fünf Mitgliedern bestehenden Agrargemeinschaft durch behördliche Aufstellung oder Genehmigung von Verwaltungssatzungen entweder endgültig im Rahmen des Regulierungsplanes (§ 37) oder vorläufig durch Bescheid (§ 6) zu regeln. Gemäß Abs. 2 lit. d dieses Paragraphen haben die Verwaltungssatzungen insbesondere Bestimmungen über den Wirkungskreis der Vollversammlung, die Art ihrer Einberufung, ihre Beschlußfähigkeit, die Fassung, Gültigkeit, Verlautbarung und den Vollzug der Beschlüsse zu enthalten.
§ 43 Abs. 1 StAgrGG eröffnet somit die Möglichkeit, Verwaltungssatzungen für eine Agrargemeinschaft entweder durch behördliche Aufstellung oder durch Genehmigung von durch die Agrargemeinschaft selbst gestalteten Satzungen zu erlassen.
Die von der AB erlassenen Verwaltungssatzungen der MP enthalten die von den Beschwerdeführern bekämpfte Regelung der Gültigkeit von Gemeinschaftsbeschlüssen unter Heranziehung des Mehrheitsprinzips. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kann in Fällen, in denen eine ausdrückliche Regelung des Zustandekommens von Beschlüssen einer Körperschaft gesetzlich nicht vorgesehen ist, nicht davon ausgegangen werden, daß für das Zustandekommen der Beschlüsse Einhelligkeit erforderlich ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1956, Slg. 3086). Im Beschwerdefall ergibt sich zudem aus § 4 Abs. 2 lit. c StAgrGG, in dem auf die Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder abgestellt wird, sowie aus § 6 Abs. 5 leg. cit., in dem von Streitigkeiten zwischen Mitgliedern (also in der Regel einer Minderheit) und einer Agrargemeinschaft (Vollversammlung) die Rede ist, daß dieses Gesetz vom Mehrstimmigkeitsprinzip ausgeht. Die von der Behörde getroffene Regelung steht ferner mit dem allgemein für Körperschaften des öffentlichen Rechtes angewendeten Mehrheitsprinzip (vgl. z.B. die von der belangten Behörde angeführte Regelung für Zusammenlegungsgemeinschaften oder die entsprechenden Regelungen für Wassergenossenschaften in § 77 Abs. 5 WRG 1959 und für Wasserverbände in § 93 WRG 1959) im Einklang. Darüber hinaus wurde für solche Beschlußfassungen, die Angelegenheiten von besonderer Wichtigkeit - wie etwa die von den Beschwerdeführern befürchtete Belastung des Gemeinschaftsgutes - betreffen, das gegenüber der sonst geltenden einfachen Stimmenmehrheit erschwerte Erfordernis der Zweidrittelmehrheit festgesetzt. Des weiteren wurde die Rechtswirksamkeit der Veräußerung und Belastung agrargemeinschaftlicher Grundstücke gemäß § 9 Abs. 6 der Verwaltungssatzungen an die Voraussetzung der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde geknüpft und in § 24 dieser Satzungen ein Recht der Beschwerde an die Aufsichtsbehörde gegen Verfügungen der Verwaltung eingeräumt. Damit erscheint ein hinreichender Schutz der Interessen von bei bestimmten Beschlüssen der Vollversammlung in der Minderheit gebliebenen Mitgliedern der MP gewährleistet, ohne daß die Verwaltung des gemeinschaftlichen Gutes durch ein im Fall der Normierung des Einstimmigkeitsprinzips jedem Gemeinschaftsmitglied offenstehendes Vetorecht ungebührlich behindert wäre. Daß diese in den Verwaltungssatzungen der MP getroffene Regelung unzweckmäßig sei, kann selbst dem Vorbringen der Beschwerdeführer nicht entnommen werden, weil diese keine Argumente vorgebracht haben, die unter Berücksichtigung des behördlichen Aufsichtsrechtes und der an qualifizierte Mehrheitserfordernisse gebundenen Gültigkeitsvoraussetzungen bei das Gemeinschaftsgut belastenden Beschlüssen ein dem Zweck der MP entgegenstehendes Ergebnis erwarten ließen.
Auf die Frage, ob die Abstimmung nach Köpfen zulässig ist, brauchte mangels eines entsprechenden Beschwerdevorbringens und insbesondere, weil im Beschwerdefall die auf die einzelnen Mitglieder der MP entfallenden Anteilsrechte gleich groß sind (je ein Neuntel), nicht eingegangen zu werden.
Diese Erwägungen zugrundegelegt, erübrigt sich auch ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen, insbesondere zur Frage der Berechtigung einer Bezugnahme auf § 833 ABGB durch die belangte Behörde. Der angefochtene Bescheid ist somit nicht mit Rechtswidrigkeit belastet, weil die belangte Behörde zu einem durch das Gesetz gedeckten Ergebnis gelangt ist.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990070146.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
29.04.2009