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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der X OHG gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 19.August 1987, Zl.8W-WVA-252/2/1987, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, Enteignung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeine L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, soweit mit ihm der erstinstanzliche Ausspruch über den Umfang der Enteignung behoben wurde; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg (BH) vom 12. September 1986 war der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Gemeinde die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Wasserversorgungsanlage erteilt worden. In Punkt 23 der spruchmäßigen Vorschreibung dieses Bescheides war "die für die Wasserversorgung erforderliche Wassermenge (Mindestschüttung aller gegenständlichen Quellen) ... gegenüber der (Beschwerdeführerin), betreffend das Wasserbenutzungsrecht 1385, enteignet" worden. Gemäß der Vorschreibung Punkt 25 desselben Bescheides sollte gemäß § 117 Abs. 2 WRG 1959 "das genaue Ausmaß der Enteignung (Litermenge) und die Entschädigung hiefür nach Vorliegen der genauen Meßergebnisse durch einen Nachtragsbescheid bestimmt" werden.
Mit Bescheid vom 15. Juni 1987 enteignete dieselbe Behörde gemäß §§ 63, 98 und 117 Abs. 2 WRG 1959 gegenüber der Beschwerdeführerin - die ein Kleinkraftwerk zur Stromerzeugung am Ybach, dessen Ursprung die Zquellen sind, betreibt - 4,438 sec/l (richtig: l/sec), betreffend das Wassernutzungsrecht Postzahl N, zugunsten der Mitbeteiligten, und zwar "entschädigungslos" mit der Begründung, daß bei Enteignung der besagten Menge kein Leistungsverlust eintrete und der Entzug beim Betrieb der Anlage der Beschwerdeführerin nicht merkbar bzw. feststellbar sei.
Aufgrund der Berufung der Beschwerdeführerin wurde der zuletzt genannte Bescheid mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 19. August 1987 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ersatzlos behoben. Die Rechtsmittelbehörde bezog sich auf das von der Bezirkshauptmannschaft eingeholte maschinenbautechnische Gutachten, dem zufolge durch den Wasserentzug von 4,438 l/s eine Leistungsminderung der vorhandenen Turbine nicht merkbar bzw. feststellbar sei. Nun dürfe aber nicht übersehen werden, daß die besagten 4,438 l/s die Mindestschüttung der sogenannten Zquellen darstellten, der tatsächliche maximale Tagesbedarf für die Wasserversorgungsanlage der Mitbeteiligten laut technischem Bericht des Planungsbüros, welches dem Bewilligungsbescheid vom 12. September 1986, zugrunde liege, maximal 2,3 l/s betrage, was wiederum heiße, daß die restliche Überwassermenge ohnedies der energetischen Nutzung durch die gegenständliche Wasserkraftanlage der Beschwerdeführerin zukomme.
Wenn vom beigezogenen maschinenbautechnischen Amtssachverständigen festgestellt worden sei, daß bei einer Nutzung von 4,438 l/s eine Leistungsminderung der in Rede stehenden Wasserkraftanlage nicht eintreten werde, so werde die tatsächliche beanspruchte Menge von 2,3 l/s vollkommen vernachlässigbar sein.
Da also in der gegenständlichen Angelegenheit bestehende Wasserrechte nicht verletzt würden, sei auch die Einräumung eines Zwangsrechtes nicht notwendig.
Es sei sohin die Einräumung eines Zwangsrechtes der Bezirkshauptmannschaft vom 12. September 1986 gegenüber der Beschwerdeführerin bereits entbehrlich bzw. überflüssig gewesen; eine Änderung jenes Bescheides sei jedoch auf Grund von dessen inzwischen eingetretener Rechtskraft nicht mehr möglich.
Der nun bekämpfte Bescheid vom 15. Juni 1987 sei ersatzlos zu beheben gewesen.
Der Berufungsbescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerin in dem "aus den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes erfließenden Recht auf gesetzmäßige Entscheidung im Sinne dieses Gesetzes verletzt" erachtet.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die Mitbeteiligte hat sich gegen die Beschwerde gewandt und eine Entschädigungszahlung an die Beschwerdeführerin für nicht gerechtfertigt erklärt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 15. Juni 1987 ist auf der Grundlage der bereits mit Bescheid vom 12. September 1986 dem Grunde nach ausgesprochenen Enteignung des näher bezeichneten Wasserrechtes der Beschwerdeführerin dessen Ausmaß bestimmt worden. Mit ihrer Berufung gegen den Bescheid vom 15. Juni 1987 hat sich die Beschwerdeführerin gegen das ermittelte Ausmaß der Enteignung sowie gegen die Versagung einer Entschädigung gewandt. Das ermittelte Mindestschüttungsergebnis wird in der Beschwerde nicht mehr in Frage gestellt. Bedeutsam erscheint der Beschwerdeführerin, und dies zu Recht, ob aufgrund des festgestellten Entzuges - nach der oben wiedergegebenen Vorschreibung 23. im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 12. September 1986 bildet die Mindestschüttung die für die Wasserversorgung des bewilligten Vorhabens erforderliche Wassermenge - ihr Wasserbenutzungsrecht in (meß- bzw.) fühlbarer Weise beeinträchtigt wird. Als Mindestschüttung hat sich ein Wert von 5,438 l/s ergeben, wovon die Wasserrechtsbehörden 1 l/s für den Quelleneigentümer entsprechend Punkt 3. der im Bewilligungsbescheid enthaltenen Vereinbarung abgezogen haben, eine Reduzierung, welche die Beschwerdeführerin zu Unrecht für unangebracht hält. Nach besagtem Punkt 3. hat sich nämlich die Mitbeteiligte zwar gegenüber dem Quelleneigentümer zur kostenlosen Bereitstellung dieser Wassermenge verpflichtet. Doch wurde laut Punkt 23. der Vorschreibung des Bewilligungsbescheides gegenüber der Beschwerdeführerin nur die "für die Wasserversorgung erforderliche Wassermenge" enteignet; die Leistung an den Quelleneigentümer kommt aber der Wasserversorgungsanlage der Mitbeteiligten nicht zugute.
Gegen die vom maschinenbautechnischen Amtssachverständigen vertretene Anschauung, der Entzug von 4,438 l/s stelle keine merkbare bzw. feststellbare Leistungsminderung für die Kraftwerksanlage der Beschwerdeführerin dar, hat diese unter Bezugnahme auf das von ihr vorgelegte private Sachverständigengutachten eingewendet, wenn dieses letztere unter der Annahme eines Verlustes von 10 l/s zu einem Leistungsverlust von 35.040 kWh/Jahr gelange, so ergäbe sich bei einem Wasserverlust von 4,438 l/s immerhin noch ein Leistungsverlust von 15.308 kWh/Jahr. (Dieses Argument wird nicht schon dadurch widerlegt, daß der Sachverständige von falschen Parametern ausgegangen ist.) Sie hat ferner gegen die Beurteilung des Amtssachverständigen vorgebracht, er habe seine Beobachtungen an der Wasserkraftanlage zu einem Zeitpunkt gemacht, da die Turbine außer Betrieb war, so daß sich die von ihm wahrgenommenen Wasserverluste aus Überläufen erklären ließen, die wegen des Stillstandes der Turbine aufgetreten seien; jene Verluste wären in dem vom Amtssachverständigen behaupteten Ausmaß von 60 l/s schon deswegen nicht möglich, weil damit mehr Wasser "verschwendet" würde, als überhaupt zufließe. Die Beschwerdeführerin hat ferner auf die Feststellung in dem von ihr beigebrachten Gutachten verwiesen, wonach im Vollastbetrieb die gesamte Schüttung des Ybaches nicht ausreichen würde, die Kapazitätsmöglichkeiten der bewilligten Turbine zu erfüllen, so daß jeder Wasserverlust eine Reduzierung der möglichen Energiegewinnung mit sich bringe.
Die belangte Behörde hat, gestützt auf eine insoweit nur unvollständige Gegendarstellung des Amtssachverständigen noch im erstinstanzlichen Verfahren, diese Fragen im angefochtenen Bescheid nicht näher behandelt und hat darüber hinaus aus eigenem die Feststellung getroffen, daß anstelle des angenommenen Wasserverlustes von 4,438 l/s lediglich ein solcher von 2,3 l/s auftrete, weil nur diese Menge tatsächlich beansprucht werde; die Beschwerdeführerin, die dazu im Rechtsmittelverfahren nicht befragt wurde, hat jedoch die Richtigkeit dieser zusätzlichen Annahme mit der Begründung in Abrede gestellt, daß die ausgeleitete Wassermenge, auch soweit sie einen Überschuß darstelle, nicht mehr in den Ybach zurückfließe, ihr also nicht zur Verfügung stehe.
Im bezeichneten Umfang ist der Sachverhalt daher in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.
Hingegen erfolgte die ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides, soweit mit ihm ausgesprochen worden war, die Enteignung erfolge "entschädigungslos", zu Recht. Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich (auch) über Antrag des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Beschwerdefall mit Erkenntnis vom 24. Juni 1988, Slg. 11760, das Wort "Entschädigungen" in § 117 Abs. 1 erster Satz sowie die Wortfolge "die Entschädigung oder" im § 117 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 als verfassungswidrig aufgehoben, so daß der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Anlaßfall bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides
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ungeachtet der später erfolgten Änderung der Rechtslage - so vorzugehen hat, als ob bei dessen Erlassung die aufgehobenen Bestimmungen (hier: betreffend die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde) nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätten. Nun hat sich die Bezirkshauptmannschaft bei ihrer Entscheidung, die Enteignung erfolge "entschädigungslos", auf § 117 Abs. 2 WRG 1959 gestützt, der die "im Abs. 1 bezeichneten Leistungen" betrifft, zu denen nach Vorgesagtem "Entschädigungen" nicht mehr zu gehören hatten. Da die Bezirkshauptmannschaft somit zu einer derartigen Entscheidung bei der durch das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes herbeigeführten Rechtslage nicht zuständig war, mußte deren Bescheid von der belangten Behörde
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wie geschehen - richtigerweise insoweit ersatzlos behoben werden (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 84/07/0052, 0064). Im fortgesetzten Verfahren wird die inzwischen geänderte Rechtslage zu beachten sein.
Der angefochtene Bescheid war deshalb im bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung KassationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1987070156.X00Im RIS seit
12.11.2001