Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des 1.) NT und der 2.) UT gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. Dezember 1990, Zl. 3-30 M 241-90/7, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Parteien: 1.) FH und 2.) GH sowie 3.) JL und 4.) KL), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.320,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund von Anrainerbeschwerden führte die Bezirkshauptmannschaft Radkersburg (BH) gegen die Beschwerdeführer ein wasserpolizeiliches Verfahren durch, weil diese auf ihnen gehörigen Weingartengrundstücken eigenmächtig die natürlichen Abflußverhältnisse geändert hätten. Die Beschwerdeführer bestritten, durch ihre Vorgangsweise Nachbargrundstücken Nachteile zugefügt zu haben. Nach Einholung von Befund und Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen trug die BH den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 2. Mai 1989 gemäß den §§ 98, 39 und 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 auf, bis 31. Mai 1989 die Grundstücke 669 und 671/1 KG. X an die Oberfläche der Nachbargrundstücke 668 (der Mitbeteiligten H) und 670 (der Mitbeteiligten L) anzugleichen, sodaß der natürliche Abfluß der sich auf diesen Grundstücken ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer wieder hergestellt sei. Begründend führte die BH im wesentlichen aus, die Beschwerdeführer hätten durch die von ihnen vorgenommene Geländeveränderung zum Nachteil der beiden genannten Nachbargrundstücke die natürlichen Abflußverhältnisse geändert und dadurch gegen § 39 WRG 1959 verstoßen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung und ließen dieser einen "Beobachtungsbericht" mit fotografischer Dokumentation zum Nachweis dafür folgen, daß sie den Mitbeteiligten keinen Nachteil zugefügt hätten. Im Berufungsverfahren holte die belangte Behörde nach einem vergeblichen Versuch, ein gütliches Übereinkommen der Beteiligten herbeizuführen, ein Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein, zu welchem die Beschwerdeführer im Rahmen des ihnen gewährten Parteiengehörs Stellung nahmen. Gleichzeitig stellten die Beschwerdeführer auf Grund dieses Gutachtens bei der BH den Antrag, die ihnen vorgeworfenen Geländeveränderungen nachträglich wasserrechtlich zu bewilligen. Die vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen Maßnahmen erachteten die Beschwerdeführer als unbegründet und überdies als infolge ihrer generellen Formulierung unvollziehbar.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. Dezember 1990 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise Folge und faßte aus diesem Anlaß den Spruch des wasserpolizeilichen Auftrages dahin gehend neu, daß die Beschwerdeführer gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 "über Verlangen Betroffener verhalten" wurden, "zur Beseitigung einer eigenmächtigen Neuerung auf Gst. Nr. 669 und 671/1 KG. X folgende Maßnahmen zu setzen":
" 1.) Es sind jene Bereiche der Grundstücke NT und UT in den ursprünglichen Zustand zu versetzen, welche aufgrund der Änderung der Gefällsrichtung einen zusätzlichen Abfluß von Oberflächenwässern zum Grundstück der Beschwerdeführer verursachen. Dabei sind Ableitungsgräben und sonstige Einrichtungen zur Ableitung der Wässer außer Betracht zu lassen.
2.) Im Bereich des natürlichen Abflusses vom Grundstück des Beschwerdeführers sind die aufgebrachten Schüttungen in einer Breite von 1 m zu entfernen und sind die Böschungen dieses Einschnittes nicht steiler als mit einer Neigung von 2 zu 3 auszubilden und durch Bewuchs zu stabilisieren".
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde nach einer Darstellung des vorangegangenen Verfahrens das von ihrem wasserbautechnischen Amtssachverständigen erstattete Gutachten zur Gänze wieder, dessen Ergebnis die Vorschreibung der in den Spruch des angefochtenen Bescheides aufgenommenen "Maßnahmen" war. Zur Anregung dieser Maßnahmen habe der Sachverständige unter anderem ausgeführt, eine genauere Flächenangabe sei insgesamt nicht möglich, weil keine Geländeaufnahmen vorlägen und nur auf Grundlage des Ortsaugenscheins und der Aktenlage eine exakte Festlegung der genauen Flächen nicht möglich sei. Doch sei durch die Definition des Sachverständigen "die grundsätzliche Vorgangsweise der Abgrenzung dargelegt". In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, die gegen das Verbot des § 39 WRG 1959 verstoßenden Neuerungen der Beschwerdeführer seien auf Grund eines Auftrages nach § 138 Abs.1 lit. a WRG 1959 zu beseitigen, allerdings nur in dem Maße, das die Klaglosstellung des Gefährdeten oder Verletzten (Betroffenen) oder das öffentliche Interesse erheische, sodaß Beeinträchtigung und Wiederherstellungspflicht in genauer Wechselbeziehung zueinander stünden. Wie der Amtssachverständige in seinem Gutachten festgestellt habe, seien jene Bereiche, welche durch Änderung der Richtung des Gefälles einen zusätzlichen Abfluß von Niederschlagswässern zum Grundstück "der Beschwerdeführer" verursachten und jene Bereiche, welche den Abfluß der Niederschlagswässer vom Grundstück "der Beschwerdeführer" behinderten, wieder herzustellen. Zur Sicherung dieses fachtechnischen Erfordernisses dienten die vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen Maßnahmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten auf "Ausübung ihres Eigentumsrechtes an den Grundstücken Nr. 671/1 und Nr. 669 der KG. X im Rahmen der durch das Wasserrechtsgesetz 1959 gezogenen Grenzen" sowie auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften und auf "gesetzmäßige meritorische Anwendung des Wasserrechtsgesetzes 1959" verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die Mitbeteiligten haben sich am verwaltungsgerichtlichen
Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde mit Rücksicht auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides nach dem 1. Juli 1990 das WRG 1959 bereits in seiner durch die Novelle BGBl. Nr. 252/1990 geänderten Fassung anzuwenden hatte.
Gemäß § 39 Abs. 1 WRG 1959 darf der Eigentümer eines Grundstückes den natürlichen Abfluß der darauf sich ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer zum Nachteile des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern. Diese Bestimmung gilt gemäß § 39 Abs. 3 WRG 1959 nicht für eine Änderung der Ablaufverhältnisse, die durch die ordnungsmäßige Bearbeitung eines landwirtschaftlichen Grundstückes notwendigerweise bewirkt wird.
Gemäß § 138 Abs.1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatz derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen. Nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde in allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.
Im Beschwerdefall steht fest, daß die Beschwerdeführer ohne wasserrechtliche Bewilligung an ihrem Grundstück Geländeveränderungen vorgenommen haben, die sich auf die Abflußverhältnisse auswirken. Daß dies möglicherweise zum Nachteil unterliegender Grundstücke geschehen ist, hat die belangte Behörde aus den insoweit nicht auf der gleichen fachlichen Ebene widerlegten Gutachten der beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen abgeleitet. Ungeprüft ist allerdings geblieben, ob und inwieweit die von den Beschwerdeführern vorgenommenen Veränderungen im Sinne des § 39 Abs. 3 WRG 1959 durch die ordnungsmäßige Bearbeitung ihrer Grundstücke bewirkt worden ist; der angefochtene Bescheid enthält weder nachvollziehbare Feststellungen über den Zustand der betroffenen Grundstücke vor den Veränderungen durch die Beschwerdeführer noch darüber, aus welchen Gründen die Beschwerdeführer diese Veränderungen vorgenommen haben und worin sie im einzelnen bestanden. Der angefochtene Bescheid enthält auch keine Festellungen über die Person des "Betroffenen", der die Beseitigung eigenmächtiger Neuerungen der Beschwerdeführer verlangt hätte. Nach dem Akteninhalt dürfte es sich dabei allerdings um die im angefochtenen Bescheid unklar mit die oder der "Beschwerdeführer" bezeichneten Mitbeteiligten handeln.
Der Sachverhalt ist daher in einigen wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Darüber hinaus leidet der angefochtene Bescheid aber auch an der von den Beschwerdeführern ausdrücklich geltend gemachten inhaltlichen Rechtswidrigkeit.
Ein Bescheidspruch, durch den eine Verpflichtung auferlegt wird, muß nämlich so bestimmt gefaßt werden, daß nötigenfalls seine Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung möglich ist. Um einerseits dem Verpflichteten die überprüfbare Möglichkeit zu geben, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, andererseits aber auch den Umfang einer allfälligen Ersatzvornahme deutlich abzugrenzen, ist es erforderlich, die aufgetragenen Maßnahmen im Bescheidspruch unmißverständlich und nachvollziehbar zu umschreiben. Die von § 59 Abs. 1 AVG geforderte Deutlichkeit bedeutet für Leistungsbefehle Bestimmheit in dem Sinne, daß auf Grund des Bescheides ohne Dazwischentreten eines weiteren Ermittlungsverfahrens und ohne neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann (vgl. dazu Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1984, Zl. 84/10/0165 = Slg. 11.601/A, und vom 28. Oktober 1980, Zl. 2696/79, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Diesen Voraussetzungen entspricht der Spruch des hier angefochtenen Bescheides in keiner Weise. Mit Recht führt die Beschwerde dazu aus, aus dem angefochtenen Bescheid sei "weder erkennbar, welches Grundstück von der Anordnung der Behörde im einzelnen betroffen ist, in welchem Bereich die Grundstücke der Beschwerdeführer in den ursprünglichen Zustand zu versetzen seien, wie dieser ursprüngliche Zustand gegeben war, in welchem Umfang Wiederherstellungsmaßnahmen zur Verhinderung eines zusätzlichen Abflusses von Oberflächenwässern zum Grundstück der Betroffenen zu erfolgen hätten, wer überhaupt Betroffener ist, wie der natürliche Abfluß von welchem Grundstück welches Betroffenen bestand, wo aufgebrachte Schüttungen zu entfernen seien und wo der Einschnitt liegt, an welchem die Böschungen nicht steiler als mit einer Neigung von 2 zu 3 auszubilden und durch Bewuchs zu stabilisieren seien". Dem ist noch hinzuzufügen, daß es für den Verwaltungsgerichtshof - und auch für eine allfällige Vollstreckungsbehörde - nicht möglich ist, aus den wörtlich aus dem Gutachten übernommenen "Maßnahmen" auch nur annähernd abzuleiten, welche konkreten Verpflichtungen die Beschwerdeführer damit nun treffen sollen.
Diese Unvollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der darin aufgetragenen Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes belastet ihn mit der von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er seinem ganzen Umfang nach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991070014.X00Im RIS seit
12.11.2001