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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GewO 1973 §366 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. Mai 1990, Zl. Ge-46578/1-1990/Sch/Th, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12. März 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der A-GmbH mit dem Sitz in Linz, Z-Weg 10a, und somit als gemäß § 370 Abs. 4 GewO 1973 verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher vertreten zu haben, daß zumindest in der Zeit vom 1. März 1989 bis 10. Oktober 1989 am angeführten Standort auf den Grundstücken Nr. 90/3 und 893/1, beide KG G, eine gemäß § 74 Abs. 2 Z. 2 und 5 GewO 1973 genehmigungspflichtige Betriebsanlage, nämlich ein Autohandels- und Verschrottungsbetrieb mit entsprechender Lagerung von beschädigten Pkw und Autoteilen, betrieben worden sei, ohne daß die hiefür erforderliche rechtskräftige Betriebsanlagengenehmigung vorgelegen sei, obwohl die Anlage geeignet gewesen sei, die Nachbarn durch Lärm zu belästigen und eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 begangen und es wurde hiefür über ihn wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe fünf Tage) verhängt.
Eine seitens des Beschwerdeführers dagegen erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Oberösterreich als unbegründet ab und sprach gleichzeitig aus, daß das Straferkenntnis gemäß § 44a lit. a VStG 1950 dahingehend abgeändert werde, daß der erste Absatz folgenden Wortlaut erhalte:
"Der Beschuldigte N hat als gewerberechtlicher Geschäftsführer der A-GmbH zu verantworten, daß diese in der Zeit vom 1.3.1989 bis 10.10.1989 im Standort Linz, Z-Weg 10a, auf den Grundstücken Nr. 90/3 und 893/1, beide KG G, einen Autohandels- und Verschrottungsbetrieb mit Lagerung von beschädigten Pkw und Autoteilen ohne die hiezu erforderliche Betriebsanlagengenehmigung betrieben hat; die Genehmigungspflicht ergibt sich daraus, daß diese Anlage bzw. dieser Betrieb geeignet ist, durch den betrieblichen Verkehr (Zu- und Abtransport von Wracks oder Bestandteilen) und durch Transportarbeiten mit einem Dieselgabelstapler Nachbarn durch Lärm zu belästigen sowie durch die Lagerung von Kraftfahrzeugteilen, die mit Mineralölen gefüllt bzw. behaftet sind, auf unbefestigten Flächen nachteilige Einwirkungen auf Gewässer zu verursachen."
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung im wesentlichen vorgebracht, daß die genannte Gesellschaft im Jahre 1960 an dem nunmehrigen Betriebsort angesiedelt worden sei; die "Firmenverlegung" sei wegen des Ausbaues der R Bundesstraße erforderlich geworden. Bisher sei die Betriebsanlage nie beanstandet worden, es seien keinerlei Vorschreibungen erfolgt, insbesondere sei eine Betriebsanlagengenehmigung nicht vorgeschrieben worden. Aus diesen Gründen sei das Straferkenntnis verfehlt. Diesem Vorbringen sei entgegenzuhalten, daß die Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage in den Bestimmungen des § 74 GewO 1973 festgelegt sei; demnach sei die behördliche Vorschreibung einer Betriebsanlagengenehmigung nicht vorgesehen. Die Betriebsanlage sei am 22. Juli 1988 von der Erstbehörde kommissionell überprüft worden. Bei dieser Überprüfung sei festgehalten worden, daß die Betriebsanlage einer Betriebsanlagengenehmigung bedürfe. Der seinerzeitige Geschäftsführer E habe dieses Verfahrensergebnis zur Kenntnis genommen. Ein Genehmigungsantrag sei bisher nicht gestellt worden. Weitere Überprüfungen am 1. März 1989 und am 10. Oktober 1989 hätten ergeben, daß der Betrieb unverändert weitergeführt worden sei und daß keine Maßnahmen zum Grundwasserschutz getroffen worden seien. Einem Ladungsbescheid, in welchem dem Beschwerdeführer der gegenständliche Tatbestand zur Last gelegt worden sei, habe dieser keine Folge geleistet. Er habe auch der Aufforderung der Erstbehörde, Angaben zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen zu erstatten, keine Folge geleistet. Dem Beschwerdeführer sei als Gewerbetreibenden bzw. gewerberechtlichen Geschäftsführer die Kenntnis zuzumuten, daß nach den in Betracht kommenden Gesetzesbestimmungen eine Betriebsanlage in der Form einer Autoverschrottung mit Lagerung von etwa 150 Pkw- Wracks und Manipulation mit wassergefährdenden Stoffen einer Genehmigung der Behörde bedürfe. Die Berufung erweise sich somit in jeder Hinsicht als unbegründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene - Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in seinen inhaltlich die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde betreffenden Ausführungen u. a. vor, die Voraussetzungen der §§ 74 f GewO 1973 lägen nicht vor. Nach den in einem Rechtsstaat geltenden Rechtsgrundsätzen, wonach die Grundsätze von Treu und Glauben, die guten Sitten sowie die Übung des "rechtlichen Verkehrs" einzuhalten seien, sei im Sinne des § 10 ABGB davon auszugehen, daß jahrzehntelang wohl erworbene Rechte vorlägen, welche auf die genannte Gesellschaft übergegangen seien und daß eine Betriebsanlagenbewilligung, sollte eine solche überhaupt erforderlich sein - was bestritten bleibe -, zumindest stillschweigend erteilt worden sei. Abgesehen davon, daß die Behörde die Voraussetzungen des § 74 GewO 1973 nicht geprüft habe, seien Anträge gemäß "§§ 346, 348 GewO" gestellt worden, wobei auch die Voraussetzungen des "§ 78 GewO" gegeben seien, auf die er vertrauen habe können. Es sei ihm nicht einmal die Möglichkeit geboten worden, durch entsprechende Anträge, falls sich dieselben als erforderlich erweisen würden, die bestehende Rechtslage seit 1960 zu überprüfen und allenfalls zu "sanieren". Voraussetzung der Erfüllung eines Straftatbestandes sei im übrigen das Vorliegen der subjektiven Tatseite. Wenn nun die Behörde seit 1960 den bestehenden Zustand der Betriebsanlage geduldet habe, müsse ihm wohl nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Gutgläubigkeit insofern eingeräumt werden, daß es einer gesonderten Betriebsanlagengenehmigung wohl nicht bedürfte. Darüber hinaus sei aus dem angefochtenen Bescheid nicht klar ersichtlich, von welcher Behörde dieser erlassen sei, da einerseits die OÖ Landesregierung und andererseits der Landeshauptmann von Oberösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung, "andererseits Dr. M aufscheinen, und zwar alle samt unter der Bezeichnung 'Amt der OÖ Landesregierung'." Darüber hinaus sei die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen, ohne Zustimmung des Beschwerdeführers gemäß § 44a VStG 1950 den Spruch des Straferkenntnisses vom 12. März 1990 dergestalt abzuändern, daß er inhaltlich ein "aliud" darstelle und dem Beschwerdeführer die Erfüllung von Straftatbeständen vorwerfe, hinsichtlich welcher im Sinne der §§ 31, 32 f VStG 1950 keine gesetzliche Verfolgungshandlung vorliege, sodaß Verfolgungsverjährung eingewendet werde. Dies umsomehr, als es einen Geschäftsführer E, wie aus dem Handelsregister entnommen werden könne und wie dies auch der Behörde bekannt sein müsse, nie gegeben habe, sodaß dieser am 22. Juli 1988 irgendein Verfahrensergebnis rechtsverbindlich nie zur Kenntnis habe nehmen können oder dürfen. Es werde daher Verjährung ausdrücklich eingewendet, und zwar auch deshalb, weil der dem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt seit dem Jahre 1967 gegeben sei. Schließlich sei die Bestrafung auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Voraussetzungen der §§ 74 f, 78 GewO 1973 in materieller Hinsicht nicht geprüft worden seien, das Ergebnis der Anträge gemäß "§§ 346, 348 Gewerbeordnung" abzuwarten sein werde und schließlich die Voraussetzungen der §§ 77, 81 und 333 GewO 1973 nicht gegeben seien.
Was zunächst die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Frage der bescheiderlassenden Behörde in Ansehung des angefochtenen Bescheides anlangt, so ergibt sich aus dessen vor dem Spruch enthaltenen Anführung, wonach über diese Berufung der "Landeshauptmann von Oberösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung in II. Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950" spruchgemäß erkannt habe, eindeutig und unzweifelhaft, daß dieser dem Landeshauptmann von Oberösterreich zuzurechnen ist, wobei sich ein gegenteiliger Anhaltspunkt auch nicht etwa aus der Art der dem § 18 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) entsprechenden Bescheidfertigung ergibt.
Die Beschwerde ist begründet:
Aus dem im Akt erliegenden Ladungsbescheid vom 4. Jänner 1990 ergibt sich, daß dem Beschwerdeführer die in Rede stehende Tathandlung "zumindest in der Zeit vom 27.7.1989 bis 10.10.1989" vorgeworfen wurde.
Nach der Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer erstmals im erstbehördlichen Straferkenntnis vom 12. März 1990 - zur Post gegeben am 22. März 1990 - als Tatzeitraum der "1.3.1989 bis 10.10.1989" vorgeworfen. Dieser Tatzeitraum wurde nach der dargestellten Spruchfassung des angefochtenen Bescheides auch von der belangten Behörde übernommen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VStG 1950 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (gemäß § 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Nach Abs. 2 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.
Nach § 32 Abs. 2 VStG 1950 ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Wenn auch bei Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes unabhängig davon, wann die strafbare Tätigkeit begonnen hat, die Verjährungsfrist erst von dem Zeitpunkt an zu berechnen ist, an dem diese abgeschlossen bzw. von der Behörde nach dem im Spruch bezeichneten Endzeitpunkt als abgeschlossen angenommen worden ist (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1986, Zlen. 86/18/0040, 0041), ist aber auch in diesen Fällen das Erfordernis einer dem § 32 Abs. 2 entsprechenden Verfolgungshandlung gegeben, die sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente - damit insbesondere auch den Tatzeitbeginn - zu beziehen hat (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N. F. Nr. 11.525/A).
Im Beschwerdefall wurde in dem an den Beschwerdeführer ergangenen Ladungsbescheid vom 4. Jänner 1990 - hinausgegeben am 15. Jänner 1990 - ein Tatzeitbeginn mit "27.7.1989" vorgeworfen, wogegen in dem vorgenannten erstbehördlichen Straferkenntnis vom 12. März 1990 - hinausgegeben am 22. März 1990 - dem Beschwerdeführer ein Tatzeitbeginn mit "1.3.1989" angelastet wurde. Rückgerechnet vom 22. März 1990 (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1980, Slg. N. F. Nr. 10.232/A) liegt aber dieser Tatzeitraum außerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist und auch außerhalb des im vorangeführten Ladungsbescheid bezeichneten Tatzeitbeginnes.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß ein Eingehen auf das weitere hier nicht erörterte Beschwerdevorbringen erforderlich war.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft im Hinblick auf die gesetzliche Kostenpauschalierung den über die gesetzlichen Ansätze hinausgehenden, für Schriftsatzaufwand angesprochenen Kostenersatzbetrag sowie nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand; sofern Barauslagen (Vollmachtsvorlage) verzeichnet wurden, waren diese nicht zuzuerkennen, da solche im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nicht entstanden sind.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990040308.X00Im RIS seit
23.04.1991