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22 Zivilprozeß, außerstreitiges VerfahrenNorm
VfGG §33Leitsatz
VerfGG §§33, 35; ZPO §146 Abs1 idF BGBl. 135/1983; Versäumung der Frist durch Verschulden einer Kanzleiangestellten; minderer Grad des Versehens - glaubhafte SachverhaltsschilderungSpruch
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird bewilligt.
Begründung
Begründung:
1.a) Mit seiner am 1. Feber 1988 zur Post gegebenen Beschwerde bekämpft der bf. Verein den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. Oktober 1987, zugestellt am 16. Dezember 1987.
Gleichzeitig mit der Beschwerde stellt der Verein den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist (die am 27. Jänner 1988 abgelaufen ist) zu bewilligen.
b) Der Wiedereinsetzungsantrag wird wie folgt begründet:
"Die Fristversäumnis war auf folgende Umstände zurückzuführen:
Die Beschwerde samt Beilagen wurde von unserem Rechtsvertreter bereits am 19.1.1988 fertiggestellt, doch fehlte die schriftliche Vollmacht, welche unserem Rechtsvertreter am 27.1.1988 in der Kanzlei übergeben wurde.
Unser Rechtsvertreter steht in einer Regiegemeinschaft mit Dr. G K, ... Wien. Am 27.1.1988 wurde von unserem Rechtsvertreter das gesamte Poststück abgefertigt und kuvertiert und der Angestellten Dris. K, Frau F K unter Hinweis auf die ablaufende Frist übergeben mit dem Auftrag, das Poststück mit der Beschwerde noch am selben Tag der Post zur Weiterleitung an den Hohen Verfassungsgerichtshof zu übergeben.
Frau F K übernahm das Poststück, doch trat bei ihrer Fahrt an ihrem Wagen ein Kühlerdefekt auf. Frau F K veranlaßte am gleichen Tag noch den Ankauf eines neuen Kühlers, vergaß jedoch aufgrund dieses Umstandes, noch am selben Tag das Poststück der Post zu übergeben.
Frau F K ist eine verläßliche Kanzleiangestellte, die auch den Kurs für Rechtsanwaltsangestellte (BU-Kurs) mit Sehr gut absolviert hat, und der aufgrund ihrer Tätigkeit die Bedeutung des Fristablaufes bekannt war."
2. Der Antrag ist rechtzeitig (§33 VerfGG iVm §148 Abs2 ZPO).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist begründet.
Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des VfGH leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983).
Das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag ist glaubhaft. Es wird durch eine "eidesstattliche Erklärung" der Kanzleiangestellten und eine Rechnung vom 27. Jänner 1988 über den Kauf eines neuen Autokühlers belegt. Bei dem im Antrag geschilderten Sachverhalt (dem der VfGH sohin folgt) kann nicht angenommen werden, daß den Vertreter des beschwerdeführenden Vereines ein leichte Fahrlässigkeit übersteigender Verschuldensgrad trifft.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher zu bewilligen.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B150.1988Dokumentnummer
JFT_10119073_88B00150_00