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44 Zivildienst;Norm
ZDG 1986 §22 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des W gegen den Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 24. Juli 1990, Zl. 50.066/26-ZDOK/1/90, betreffend Übertretung des Zivildienstgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11. 570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 24. Juli 1990 wurde über den Beschwerdeführer wegen der Übertretung gemäß § 64 ZDG eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) verhängt, weil er am 28. Oktober 1987 in der Zeit von 13.30 Uhr bis 15.00 Uhr in Bad Gastein, Bereich Böckstein/Heilstollengebäude, im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Zivildienstleistenden als Teilnehmer des Grundlehrganges für Zivildienstleistende die ihm von seinem Vorgesetzen Mag. A im Rahmen der Abschlußübung (Katastrophenschutzübung) erteilte dienstliche Weisung, bei der Aufrechterhaltung der ständigen Einsatzbereitschaft des sogenannten "Ölfahrzeuges" und bei der Bergung von Verletzten mitzuwirken, dadurch vorsätzlich nicht befolgt habe, daß er sich vom Ölfahrzeug entfernt, sich bei der Plazierung eines Protest-Transparentes beteiligt und mit der Herstellung eines eigenen "Videoschnittes" begonnen habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:
Im Rahmen der im Bundesland Salzburg im Oktober 1987 abgehaltenen Grundlehrgänge für Zivildienstleistende wurde am 28. Oktober 1987 für die Kurse I und II eine Abschlußübung im Bereich Böckstein durchgeführt. Nach der Übungsannahme löste sich im Bereich Hyronimus-Haus eine Steinlawine. Die Geröllmasse verschüttete die Gasteiner-Alpenstraße, wo zwei Pkw's mitgerissen wurden. Nach Meldung des Vorfalles werden die Einsatzfahrzeuge des Roten Kreuzes zum Einsatzort geleitet. In der Folge werden die Feuerwehr, das "Kat-Fahrzeug", sowie ein Helikopter angefordert. Die Mannschaft der Feuerwehr befreit mittels Bergeschere, Spreizer und Hebekissen die eingeklemmten Verletzten. Vom Einsatzleiter der Feuerwehr wird wegen auslaufendem Öl und Treibstoff der beschädigten Fahrzeuge das Öl-Fahrzeug nachalarmiert. Ein Fahrzeug wird mit dem Seilzug gesichert, um die Bergung der restlichen Verletzten zu ermöglichen. Der ankommende Helikopter soll die auf der Geröllhalde liegenden Verletzten mit dem Seil bergen und zum Versorgungszelt fliegen. Nach der Bergung und Versorgung der neun verletzten Personen entzündet sich ein Fahrzeug durch Batteriekurzschluß. Der Brand wird gelöscht.
Die Abschlußübung sollte mittels Videokameras aufgezeichent werden, um aus dem Material einen Videolehrstreifen für weitere Kurse auszuarbeiten. Die Zivildienstleistenden beabsichtigten zunächst, diese Abschlußübung zu boykottieren. Nach Gesprächen mit dem Grundlehrgangsleiter Mag. A kamen sie überein, die Übung entgegen dem ausdrücklichen Verbot des Grundlehrgangsleiters zu "erweitern" und zu "bereichern". Dabei sollte ihre Kritik am Grundlehrgang durch Aufstellung von Transparenten und deren Plazierung im Mittelpunkt des Übungsgeschehens und im Blickwinkel einer zur Herstellung des Lehrfilms aufgestellten Videokamera dargestellt werden.
Der Beschwerdeführer hatte vom Grundlehrgangsleiter den Auftrag, bei der Einweisung eines Hubschraubers tätig zu werden, sich an der Aufrechterhaltung der ständigen Einsatzbereitschaft des sogenannten Ölfahrzeuges zu beteiligen und auch bei der Bergung von Verletzten mitzuwirken. Diesem Auftrag kam er in Ausübung des gemeinsamen Vorhabens vorsätzlich nur teilweise nach, er entfernte sich vom Ölfahrzeug und stellte gemeinsam mit anderen Zivildienstleistenden ein Protesttransparent auf, das abwechselnd von den protestierenden Zivildienstleistenden unmittelbar vor der zur Herstellung eines Lehrfilmes bestimmten Videokamera gehalten wurde. Überdies begann er trotz mehrfacher Weisung seines Vorgesetzten, sich zum Ölfahrzeug zu begeben, mit einer ausgeborgten Videokamera eine private Videoaufnahme und stellte diese Tätigkeit erst nach mehrfachen Weisungen zu einem Zeitpunkt ein, zu dem die Übung praktisch bereits abgeschlossen war.
In diesem Verhalten erblickte die belangte Behörde die Übertretung nach § 64 ZDG.
Gemäß § 64 Abs. 1 ZDG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Zivildienstleistender vorsätzlich eine dienstliche Weisung seines Vorgesetzten nicht befolgt.
Gemäß § 38 Abs. 5 leg. cit. hat der Rechtsträger der Einrichtung dem Bundesministerium für Inneres und dem Zivildienstleistenden bekanntzugeben, welche Personen als Vorgesetzte des Zivildienstleistenden fungieren.
Gemäß § 6 Abs. 7 der zur Tatzeit geltenden Verordnung des Bundesministers für Inneres über Art, Umfang und Dauer des Grundlehrganges für Zivildienstleistende, BGBl. Nr. 612/1981, ist der Leiter des Grundlehrganges während des Grundlehrganges als Vorgesetzter der daran teilnehmenden Zivildienstleistenden anzusehen.
Gemäß § 22 Abs. 2 ZDG hat der Zivildienstleistende die ihm von der Einrichtung im Rahmen des Zuweisungsbescheides aufgetragene Dienstleistung gewissenhaft zu verrichten und die dienstlichen Weisungen seiner Vorgesetzten (§ 38 Abs. 5) pünktlich und genau zu befolgen. Er darf die Befolgung einer Weisung nur dann ablehnen, wenn die Weisung von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
Eine Weisung im Sinne des § 22 Abs. 2 ZDG ist ein Befehl, der dazu dient, um eine dem Zivildienst entsprechende Dienstleistung des Zivildienstpflichtigen zu erwirken. Eine Weisung kann sich auf alle für die ordnungsgemäße Erfüllung des Zivildienstes notwendigen Maßnahmen beziehen. Sie ist mündlich oder schriftlich, jedenfalls so deutlich zu erteilen, daß von dem Zivildienstleistenden ein bestimmtes Verhalten verlangt wird (siehe Fessler-Stumpf-Wieseneder, Zivildienstrecht, Anm. 3 zu § 22 Abs. 2 ZDG).
Nach der dargestellten Rechtslage ist im Beschwerdefall entscheidend, ob dem Beschwerdeführer tatsächlich die im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Weisungen vom Grundlehrgangsleiter erteilt wurden und ob er sie vorsätzlich nicht befolgt hat.
In der vom Grundlehrgangsleiter verfaßten Anzeige vom 6. November 1987 - die offensichtlich hinsichtlich aller neun angezeigten Zivildienstleistenden inhaltlich gleichlautend war - heißt es diesbezüglich ganz allgemein, daß der Beschwerdeführer "die ihm im Rahmen der stattgefundenen Abschlußübung genau zugewiesenen Tätigkeiten nicht verrichtet hat". Welche konkreten Weisungen nicht befolgt wurden, ist der Anzeige nicht zu entnehmen. In dem der Anzeige angeschlossenen (undatierten und nicht unterfertigten) Bericht des Grundlehrgangsleiters betreffend die Abschlußübung vom 28. Oktober 1987 werden zwar Gespräche des Grundlehrgangsleiters mit Teilnehmern des Kurses II - der Beschwerdeführer gehörte dem Kurs I an - sowie konkrete Verhaltensweisen einiger Teilnehmer des Kurses II beschrieben, der Bericht enthält jedoch keine konkreten Ausführungen betreffend das Verhalten des Beschwerdeführers. Zusammenfassend heißt es dort, daß sich die im folgenden aufgezählten neun Zivildienstleistenden an der Protestaktion beteiligt und es trotz Aufforderung des Grundlehrgangsleiters unterlassen haben, die ihnen im Rahmen der Übung zugewiesenen Tätigkeiten zu verrichten. Die genannten Zivildienstleistenden hätten sich im Halten der Transparente abgewechselt und Flugzettel vor die laufende Videokamera gehalten. Sie hätten während der gesamten Übung nicht die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllt.
Aus einer der Anzeige angeschlossenen Einteilung der Zivildienstleistenden im Rahmen der genannten Abschlußübung ergibt sich, daß der Beschwerdeführer (zusammen mit zwei weiteren Zivildienstleistenden) dem "Ölfahrzeug") zugeteilt war.
In welcher Form und wann dem Beschwerdeführer die Weisung erteilt wurde, "bei der Aufrechterhaltung der ständigen Einsatzbereitschaft des sogenannten Ölfahrzeuges mitzuwirken", insbesondere welche konkrete Tätigkeit ihm in diesem Zusammenhang aufgetragen wurde, ist den vorliegenden Ermittlungsergebnissen nicht zu entnehmen. Aus der Übungsannahme und der Einteilung des Beschwerdeführers zum Ölfahrzeug kann lediglich gefolgert werden, daß der Beschwerdeführer die Aufgabe hatte, an der Beseitigung des ausgelaufenen Öls und Treibstoffs mitzuwirken. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang bereits in seiner ersten Stellungnahme vom 16. März 1988 vorgebracht und konkret beschrieben, wie er diese Arbeit gemeinsam mit den beiden anderen dem Ölfahrzeug zugewiesenen Zivildienstleistenden (X und Y) durchgeführt hat. Er hat sich zum Beweis dafür u.a. auf die Vernehmung dieser Zivildienstleistenden sowie des Einsatzleiters für den Bereich Feuerwehr (Ernst Z) und im Laufe des Verfahrens auch auf die Vernehmung des Fahrers des Ölfahrzeuges als Zeugen berufen. Der Zeuge X wurde zwar am 18. Dezember 1989 vernommen, jedoch zur Durchführung der genannten Arbeiten nicht befragt. Er gab an, sich nicht erinnern zu können, daß an den Beschwerdeführer konkrete Weisungen gerichtet wurden. Die übrigen vom Beschwerdeführer dazu beantragten, vorhin genannten Zeugen wurden nicht vernommen. Der nicht beim Ölfahrzeug eingesetzte Zeuge Johann U hat allerdings ausgesagt, er könne sich erinnern, daß der Beschwerdeführer die ihm zugewiesene Tätigkeit, nämlich ein Ölbindemittel auf das ausgeflossene Öl zu geben, ordnungsgemäß verrichtet hat.
Im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung am 3. August 1988 gab der Grundlehrgangsleiter zu Protokoll, Aufgabe der Fahrzeugbesatzung sei es gewesen, der Gefahr eines Ölaustrittes vorzubeugen, zusätzlich jedoch für die gesamte Dauer der Einsatzübung bei den Rettungs- und Bergearbeiten mitzuhelfen. Wann und in welcher Form eine diesbezüglcihe Weisung an den Beschwerdeführer gerichtet wurde, ist den Ausführungen des Grundlehrgangsleiters nicht zu entnehmen. Eine derartige Weisung hätte der zuvor erfolgten Zuweisung und Rollenverteilung widersprochen, auf die der Grundlehrgangsleiter in seinem Bericht (Seite 2) ausdrücklich hingewiesen hatte. Daß der Beschwerdeführer sich so weit vom Ölfahrzeug entfernt hat, daß er am Einsatz des Ölfahrzeuges nicht hätte teilnehmen können, hat sich im Ermittlungsverfahren nicht ergeben. Die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe den Auftrag gehabt, sich an der Aufrechterhaltung der ständigen Einsatzbereitschaft des sogenannten Ölfahrzeuges zu beteiligen und sei diesem Auftrag vorsätzlich nur teilweise nachgekommen, ist nicht entsprechend begründet.
Ebensowenig begründet ist die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe vom Grundlehrgangsleiter den Auftrag gehabt, bei der Einweisung eines Hubschraubers tätig zu werden, doch brauchte darauf deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil die Nichtbefolgung einer diesbezüglichen Weisung dem Beschwerdeführer im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht vorgeworfen wird.
Unzureichend begründet ist schließlich auch die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe vom Grundlehrgangsleiter den Auftrag erhalten, bei der Bergung von Verletzten mitzuwirken. Soweit sich die belangte Behörde dabei auf die Aussage des Grundlehrgangsleiters anläßlich seiner Vernehmung vom 3. August 1988 stützt, ist auch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß sich selbst aus der Aussage dieses Zeugen nicht ergibt, wann und in welcher Form eine diesbezügliche Weisung an den Beschwerdeführer ergangen sein soll. Daß eine solche Weisung die am Vormittag des 28. Oktober 1987 genau festgelegte Rollenverteilung geändert hätte, wurde ebenfalls bereits erwähnt.
Die belangte Behörde nennt als Grundlage für ihre Sachverhaltsfestellung u.a. die Angaben des Zeugen Andreas E, ohne sich allerdings mit dem Inhalt dieser Aussage näher auseinanderzusetzen. Dieser Zeuge hat zwar angegeben, der Beschwerdeführer hätte "bei der Bergung von Verletzten mithelfen müssen", erwähnt jedoch nicht, woraus er diese Verpflichtung ableitet, insbesondere ist seiner Aussage nicht zu entnehmen, wer dem Beschwerdeführer diesbezüglich eine Weisung erteilt haben soll. Nach der am Vormittag des Übungstages fixierten Rollenverteilung war der Beschwerdeführer jedenfalls nicht dazu eingeteilt, bei der Bergung der Verletzten mitzuhelfen. Im Hinblick auf die große Zahl der bei der Übung eingesetzten Personen ist auch nicht erkennbar, warum der beim Ölfahrzeug eingeteilte Beschwerdeführer bei der Bergung der Verletzten benötigt worden sein soll.
Zusammenfassend ergibt sich somit, daß nicht ausreichend begründet wurde, ob und in welcher Form dem Beschwerdeführer jene Weisungen, deren Nichtbefolgung ihm im Spruch des angefochtenen Bescheides vorgeworfen wird, erteilt wurden. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110185.X00Im RIS seit
23.04.1991