TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/25 90/06/0096

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Veröffentlicht am 25.04.1991
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauRallg;
LBauO Tir §46;
LBauO Tir §48 Abs2 Z3;
LBauO Tir §48;
LBauO Tir §49;
LBauO Tir §50;
LBauO Tir §56 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. Jänner 1990, Zl. Ve-550-1489/2, betreffend Abweisung eines Antrages auf Bescheidzustellung in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. A, 2. Stadtgemeinde X), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,--, dem Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 2.300,-- und der Zweitmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. Juli 1971 wurde dem Erstmitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Hallenschwimmbades auf der Gp. 1726/2 inliegend in der EZ 668 KG X1 erteilt. Die Benützungsbewilligung wurde ihm mit Bescheid vom 23. November 1988 erteilt. Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1988 beantragte der Beschwerdeführer die Zustellung des Baubewilligungsbescheides vom 19. Juli 1971. Er begründete diesen Antrag damit, daß er als Miteigentümer der Liegenschaft Partei des Baubewilligungsverfahrens sei. Nach § 29 Abs. 2 TBO (wohl Abs. 3) wären sämtliche Miteigentümer zu laden gewesen. Als bekannter Beteiligter sei er persönlich zu verständigen gewesen. Ein gemeinsamer Bevollmächtigter sei nicht bestellt worden. Zu diesem Antrag hat der Erstmitbeteiligte Stellung genommen und ausgeführt, daß das gegenständliche Bauverfahren noch nach den Bestimmungen der Tiroler Landesbauordnung (TLBO) vom 15. Oktober 1900, LGBl. Nr. 1/1901, abgewickelt worden sei. Im § 48 dieses Gesetzes sei der Eigentümer nicht als Partei genannt. Der Beschwerdeführer könne daher als bloßer Miteigentümer keine Parteistellung in Anspruch nehmen. Er sei auch nicht unmittelbarer Nachbar oder allfälliger anderer Interessent im Sinne dieser Bestimmung. Außerdem habe er auch als Käufer vertraglich der Errichtung einer Schwimmanlage zugestimmt und sei dem Erstmitbeteiligten die Verwaltung der Wohnanlage übertragen worden.

Mit Bescheid vom 10. Mai 1989 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Antrag des Beschwerdeführers ab, wobei im wesentlichen ausgeführt wurde, dem Beschwerdeführer sei keine Parteistellung zugekommen, weshalb sein Antrag auf nachträgliche Zustellung des Baubewilligungsbescheides abzuweisen gewesen sei. Die dagegen eingebrachte Berufung wies der Stadtsenat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 30. Oktober 1989 ab. Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, zum Zeitpunkt des Einlangens des Baugesuches (am 15. März 1971) sei der Beschwerdeführer zu 4/500 Anteilen Miteigentümer an der Liegenschaft EZ 668 KG X1, Mehrheitseigentümer mit 382/500 Anteilen sei der Erstmitbeteiligte gewesen.

Im gegenständlichen Verfahren sei die zum Zeitpunkt der Erlassung des Baubescheides in Geltung gestandene Tiroler Landesbauordnung vom 15. Oktober 1900, LGBl. Nr. 1/1901, anzuwenden. Nach § 46 dieses Gesetzes in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Baubewilligungsbescheides vom 19. Juli 1971 in Geltung gestandenen Fassung, habe das Gesuch um die Baubewilligung die genaue Bezeichnung des Grundes, worauf ein Bau geführt werden soll und den Bauplan, der vom Bauführer und vom Gesuchsteller zu unterfertigen sei, in zweifacher Ausfertigung zu enthalten gehabt. Gemäß § 50 leg. cit. seien von dem Bescheid des Bürgermeisters "der Bauwerber sowie die Anrainer, die bei der Bauverhandlung Einwendungen erhoben haben, schriftlich unter Rechtsmittelbelehrung zu verständigen". Die Tiroler Landesbauordnung habe somit nicht festgelegt, daß der Anspruch eines Bauwerbers auf Erteilung einer Baubewilligung davon abhängig sei, daß derjenige, dessen Grundstück verbaut werden soll oder der ein Miteigentumsrecht am Bauplatz habe, der Bauführung zustimme. Dem Grundeigentümer sei daher nach der alten Rechtslage nur die Möglichkeit geblieben, eine nicht genehmigte Bauführung auf seinem Grund mit den Mitteln des Privatrechtes abzuwehren. Mit § 46 TLBO korrespondiere § 48, nach dem zur Bauverhandlung der Gesuchssteller (Bauwerber) - und nicht der (oder die) Grundeigentümer zu laden sei. Abgesehen davon, daß unter den "anderen Interessenten" der Ziffer 3 nach der Systematik dieses Paragraphen wohl nicht der Grundeigentümer zu verstehen sei, begründe § 48 TLBO auch keine Parteistellung, weil etwa auch der Baumeister (Bauführer) angeführt sei, dem aber Parteistellung zweifelsohne nicht zukäme. Nach dem klaren Wortlaut der Tiroler Landesbauordnung sei demnach im Gegensatz zur heutigen Rechtslage die Zustimmung des Miteigentümers eines Bauplatzes für eine Bauführung in öffentlich-rechtlicher Hinsicht nicht vorgeschrieben, weshalb für den Beschwerdeführer als Miteigentümer der zu bebauenden Liegenschaft nach den Normen der Tiroler Landesbauordnung, in der damals in Geltung gestandenen Fassung, auch kein subjektiv-öffentliches Recht abgeleitet werden könne, daß die Liegenschaft nur mit seiner Zustimmung bebaut werden hätte dürfen. Für den vorliegenden Fall bedeuteten diese Ausführungen, daß der Beschwerdeführer nicht als übergangene Partei des mit Bescheid vom 19. Juli 1971 abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens anzusehen sei. In der Verweigerung der Zustellung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X vom 19. Juli 1981 (richtig: 1971) könne daher keine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers erblickt werden.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1990, Zl. B 293/90-3, wurde die Behandlung der vorliegenden Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde nicht nur über den Antrag auf Bescheidzustellung abgesprochen, sondern auch über die Frage, ob der Beschwerdeführer aus der 1971 in Geltung gestandenen Tiroler Landesbauordnung ein subjektiv-öffentliches Recht ableiten konnte, daß die Liegenschaft nur mit seiner Bestimmung bebaut hätte werden dürfen. Zutreffend ist dabei die belangte Behörde davon ausgegangen, daß sich die Anwendbarkeit der Tiroler Landesbauordnung (TLBO), wiederverlautbart unter LGBl. Nr. 12/1928, auf den Beschwerdefall nicht nur aus der Übergangsbestimmung des § 56 Abs. 2 Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, ergibt, sondern auch allgemein aus dem Grundsatz, daß die Rechtmäßigkeit einer Baubewilligung nach den Rechtsvorschriften zu beurteilen ist, die zum Zeitpunkt ihrer Erlassung in Geltung gestanden sind.

§ 46 der Tiroler Landesbauordnung in der im Jahre 1971 in Geltung gestandenen Fassung hatte folgenden Wortlaut:

"§ 46. Das Gesuch um die Baubewilligung, das schriftlich anzubringen ist, hat zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des Grundes, worauf ein Bau geführt werden soll;

2. den Bauplan, der vom Bauführer und vom Gesuchssteller zu unterzeichnen ist, in zweifacher Ausfertigung.

Der Bauplan hat zu enthalten:

.........."

§ 48 lautete:

"§ 48. Über jedes Baugesuch hat der Bürgermeister ehetunlichst die Bauverhandlung am Bauplatz anzuordnen, diese entweder selbst zu leiten oder mit deren Leitung ein Mitglied des Gemeinderates zu betrauen und dazu mindestens einen beim Bau nicht beteiligten Sachverständigen und, sofern es notwendig erscheint, auch einen Arzt beizuziehen.

Zu dieser Bauverhandlung sind rechtzeitig vorzuladen:

1. Der Gesuchsteller (Bauwerber) oder dessen durch schriftliche Vollmacht ausgewiesener Vertreter;

2.

der Baumeister des Bauwerbers (Bauführer);

3.

sämtliche unmittelbaren Nachbarn des Bauwerbers (Anrainer) und allfällige andere Interessenten.

Die Ausweise über die Zustellung der Vorladungen (Zustellscheine) sind bei den Bauverhandlungsakten aufzubewahren.

Bei dieser Bauverhandlung sind Baupläne sowohl nach ihrer Richtigkeit als auch dahin zu prüfen, ob sie den Bestimmungen dieser Bauordnung entsprechen, und es sind die Erhebungen zu pflegen, ob der beabsichtigte Bau aus öffentlichen Rücksichten zulässig ist oder nicht.

Sodann sind die Anrainer über ihre privatrechtlichen Einwendungen gegen den beabsichtigten Bau zu vernehmen. Werden von diesen Einwendungen gegen den Bauvorgebracht, so ist vorerst die gütliche Beilegung zu versuchen.

Über alle Vorgänge bei diesem Augenschein, somit auch über den versuchten Ausgleich und dessen allfälliges Zustandekommen, ist eine Verhandlungsschrift aufzunehmen. Hiefür gelten die Vorschriften des § 44 des AVG.

Bescheide, denen ein Verfahren zugrunde liegt, in dem die Beiziehung eines beim Bau nicht beteiligten Sachverständigen unterlassen wurde, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler (§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950."

Gemäß § 50 leg. cit. waren von dem Bescheid des Bürgermeisters (Bauausschusses) der Bauwerber sowie die Anrainer, die bei der Bauverhandlung Einwendungen erhoben haben, schriftlich unter Rechtsmittelbelehrung zu verständigen.

Aus diesen Bestimmungen läßt sich eine PARTEIstellung des vom Bauwerber verschiedenen Grundeigentümers nicht entnehmen, zumal im Gegensatz zu neueren Bauvorschriften der Anspruch eines Bauwerbers auf Erteilung einer Baubewilligung von der Zustimmung des Eigentümers oder Miteigentümers des Grundstückes, das verbaut werden sollte, nicht abhängig war. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 31. Jänner 1972, Slg. N.F. Nr. 8161/A, ausgesprochen, daß im Geltungsbereich der Tiroler Landesbauordnung keine Norm feststellbar ist, die den Anspruch eines Bauwerbers auf Erteilung einer Baubewilligung davon abhängig machte, daß derjenige, dessen Grund verbaut werden sollte, der Bauführung zustimmte. Anderseits ergibt sich aus § 48 Abs. 2 Z. 3 der Tiroler Landesbauordnung, welche besagt, daß außer dem Bauwerber und sämtlichen unmittelbaren Nachbarn auch "allfällige andere Interessenten" - zu denen gewiß der mit dem Bauwerber nicht identische Grundeigentümer gehören wird - zu laden sind, lediglich eine Beteiligtenstellung; anders wäre es nur, wenn mit der Baubewilligung dem Grundeigentümer zusätzliche Pflichten (z.B. Abtretungen) auferlegt würden. In dem o.a. Erkenntnis wurde ausgeführt, normativer Gehalt einer Baubewilligung sei nur der Ausspruch, daß dem bewilligten Bau kein im öffentlichen Recht fußendes rechtliches Hindernis entgegenstehe, während die Baubewilligung darüber, ob der bewilligte Bau nicht etwa vom Boden des Privatrechtes aus verhindert werden könne, nichts besage. Diese Einschränkung treffe auch auf Baubewilligungen zu, die auf der Grundlage des § 49 TLBO erteilt würden. Auch in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1983, Zl. 83/06/0114, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß aus den Bestimmungen der Tiroler Landesbauordnung (insbesondere § 46) abzuleiten sei, daß - im Gegensatz zur geltenden Bauordnung - dem Grundeigentümer nach der Tiroler Landesbauordnung ein Rechtsanspruch auf Versagung eines bestimmten Bauvorhabens mangels seiner Zustimmung nicht zustehe.

Der Gerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Damit aber ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer aus der Tiroler Landesbauordnung in der 1971 in Geltung gestandenen Fassung kein subjektiv-öffentliches Recht dahingehend ableiten konnte, daß die Liegenschaft nur mit seiner Zustimmung habe bebaut werden dürfen. Zutreffend hat die belangte Behörde auch ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer durch die Verweigerung der Zustellung des Bescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 19. Juli 1971 - unter Berücksichtigung des § 50 TLBO - in keinem Recht verletzt wurde.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, für den Erstmitbeteiligten im Rahmen seines Kostenbegehrens.

Schlagworte

Baurecht Grundeigentümer Rechtsnachfolger Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060096.X00

Im RIS seit

23.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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