TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/26 90/18/0271

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Veröffentlicht am 26.04.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Gerta N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. November 1990, Zl. MA 70-9/361/90/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 AVG ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 19. November 1990 wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug für schuldig erkannt, sie habe am 19. Oktober 1988 um 11.23 Uhr in Wien 11, Etrichstraße nächst der Höfftgasse, als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws die durch Verbotszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h erheblich überschritten. Sie habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; die in erster Instanz verhängte Geld- und Ersatzarreststrafe wurde herabgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde bekämpft vor allem die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Die Beschwerdeführerin geht in ihren Ausführungen einerseits von einem "jedenfalls vorhandenen Verkehrsaufkommen" aus, das es unmöglich machen würde, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 60 km/h zu überschreiten; sie spricht an anderer Stelle von "mäßigem Verkehrsaufkommen". Andererseits rügt sie die Übergehung eines Beweisantrages dahin, daß durch eine bei einem Lokalaugenschein vorzunehmende Verkehrszählung das durchschnittliche Verkehrsaufkommen an mehreren Tagen zur Uhrzeit der Tat (11.23 Uhr) erhoben werden sollen. Hiebei übersieht die Beschwerdeführerin, daß in der Anzeige der vorgedruckte Text "Der Angezeigte überholte andere Fahrzeuge, die mit mindestens ... Stundenkilometer fuhren, mit erheblicher Geschwindigkeitsdifferenz" nicht, wie im Vordruck vorgesehen, angekreuzt wurde, so daß ein solcher Sachverhalt nicht Gegenstand der Anzeige war. Die Beschwerdeführerin sprach in ihren mehreren Stellungnahmen ganz unbestimmt von der "bekannten Verkehrsdichte am angeblichen Tatort", die Begehung der Tat wäre "auch auf Grund der angeblichen Tatzeit und des angeblichen Tatortes, insbesondere auf die Verkehrsdichte, ausgeschlossen", "daß es sich beim angeblichen Tatort um eine stark befahrene Straße handelt", daß der Tatort "mit Sicherheit eine stark befahrene Straße, insbesondere um die Mittagszeit, darstellt", ohne dies näher, z.B. durch Angabe der ungefähren Anzahl und der ungefähr gefahrenen Geschwindigkeit der anderen Fahrzeuge zu konkretisieren, geschweige denn hat sie, außer den eigenen Behauptungen, irgendwelche Beweise in dieser Richtung angeboten.

Der Verwaltungsgerichtshof hält es nicht für zielführend, Verkehrszählungen zur selben Uhrzeit der Tatzeit vorzunehmen, weil es eine allgemein bekannte Erfahrungstatsache ist, daß die Verkehrsdichte auf bestimmten Straßenstrecken von ganz verschiedenen Umständen abhängig ist und daß diese demnach auch zur gleichen Tageszeit von Tag zu Tag schwankt. Selbst wenn an einem Tag um 11.32 Uhr am Tatort starker Kolonnenverkehr geherrscht haben sollte, ist damit nicht ausgeschlossen, daß am nächsten Tag zur gleichen Uhrzeit die Straße - es geht konkret um die vom Meldungsleger eingesehene Schätzstrecke -, abgesehen vom Fahrzeug der Beschwerdeführerin, verkehrsfrei war.

Die belangte Behörde hat zutreffend (Seite 3 des angefochtenen Bescheides) darauf hingewiesen, daß die rund ein Jahr und neun Monate nach der Tat abgelegte (neuerliche) Aussage des Meldungslegers dahin, er könne sich an das konkrete Verkehrsaufkommen zur Tatzeit wegen des bisher verstrichenen Zeitraumes zwar nicht erinnern, erfahrungsgemäß herrsche aber zu dieser Uhrzeit ein so mäßiges Verkehrsaufkommen, daß die von ihm geschätzte Geschwindigkeit des Pkws der Beschwerdeführerin leicht habe erreicht werden können, durchaus der alltäglichen Erfahrung entspricht und der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen keinen Abbruch tut.

Der Verwaltungsgerichtshof kann demnach nicht erkennen, daß die Zeugenaussage des Meldungslegers, wie die Beschwerdeführerin meint, in sich unschlüssig und nicht nachvollziehbar sei.

Die von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes sagen nur in allgemeiner und zutreffender Weise, daß die Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens von Amts wegen die materielle Wahrheit zu erforschen hätten und daß es Fälle gibt, die begründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines anzeigenden Sicherheitswachebeamten erwecken. Der Beschwerdeführerin gelang es nicht, einerseits eine Verletzung der Pflicht der belangten Behörde zur Erforschung der materiellen Wahrheit darzutun und andererseits die Glaubwürdigkeit des zweimal als Zeugen vernommenen Meldungslegers in einer solchen Weise zu erschüttern, die nach der oben zitierten Rechtsprechung der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterläge.

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Feststellen der Geschwindigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990180271.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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