TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/26 91/18/0007

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Veröffentlicht am 26.04.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10;
AVG §32;
AVG §33;
AVG §45 Abs3;
AVG §71 Abs1 lita;
VStG §40 Abs2;
VStG §43 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Harald N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. November 1990, Zl. I/7-St-R-89.232, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. November 1990 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am 13. Mai 1989 um 10.40 Uhr im Gemeindegebiet von Horn auf der Bundesstraße 303 von Straßenkilometer 62 bis 64 in Fahrtrichtung Göpfritz an der Wild einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und hiebei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 80 km/h überschritten. Er habe hiedurch eine Übertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; die von der ersten Instanz verhängte Geld- und Ersatzarreststrafe wurde herabgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde wie folgt erwogen hat:

Die Beschwerde bekämpft im wesentlichen die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der VwGG auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Auf diese ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Beschwerdeführer insoweit zu verweisen, als er rügt, die belangte Behörde hätte nicht als erwiesen annehmen dürfen, er sei zur Tatzeit am Tatort der Lenker des Fahrzeuges gewesen.

Zu den Verfahrensrügen der Beschwerde ist zu bemerken:

Durch die Nichterledigung des Wiedereinsetzungsantrages des Beschwerdeführers vom 20. September 1989 konnten seine Verteidigungsrechte im Strafverfahren schon deshalb nicht verletzt werden, weil die Entscheidung über diesen Antrag nur in seiner Zurückweisung bestehen konnte. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist nämlich nur gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung unter bestimmten Voraussetzungen zu bewilligen. Da der Ladungsbescheid vom 4. September 1989 nicht durch die erkennende, sondern durch die ersuchte Behörde (Bundespolizeidirektion Wien) erfolgte, handelte es sich bei dem versäumten Verfahrensschritt um keine mündliche Verhandlung im Sinne der §§ 40 ff AVG oder im Sinne des § 43 Abs. 1 VStG, weil letztere Bestimmung nur der erkennenden Behörde die Möglichkeit gibt, das Strafverfahren in mündlicher Verhandlung durchzuführen und womöglich sogleich das Straferkenntnis oder die Einstellung zu verkünden (siehe auch Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I Band, Anmerkung 3 zu § 71 AVG).

Der letzterwähnte Ladungsbescheid für den Termin 15. September 1989 wurde laut Auskunft des Postamtes 1140 Wien (Aktenseite 14) vom Beschwerdeführer am 9. September 1989 behoben. Unabhängig von der Frage, ob der Beschwerdeführer aus gerechtfertigten oder nicht gerechtfertigten Gründen der Ladung nicht Folge leistete, ist aus dieser Behebung des Ladungsbescheides im Zusammenhang mit seinem Inhalt zu schließen, daß dem Beschwerdeführer ab 9. September 1989 die ihm vorgeworfene strafbare Handlung in allen nach § 44a VStG notwendigen Einzelheiten bekannt war. Es ist daher unrichtig, daß der Beschwerdeführer erst im Juli 1990 in der Lage gewesen wäre, den seiner Ansicht nach wahren Lenker des Fahrzeuges zur Tatzeit am Tatort bekannt zu geben; er hätte nämlich sogleich nach dem 9. September 1989 zum Tatvorwurf, schriftlich oder mündlich, Stellung nehmen können.

Es ist auch unrichtig, daß die Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens über die "objektive Tatseite", das heißt über die Frage, ob mit dem im Bescheidspruch genannten Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten wurde, keine Feststellungen getroffen hätten. Solche Feststellungen finden sich nämlich in der Begründung des erstinstanzlichen, von der Berufungsbehörde im Schuldspruch schlechthin bestätigten Straferkenntnisses.

Zur Rüge, die Frist zur Stellungnahme zur Zeugenaussage des Z sei zu kurz gesetzt worden, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Frist am 3. Dezember 1990 endete, die Aufforderung aber in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers am 29. November 1990 einlangte. Die behauptete Abwesenheit des Vertreters des Beschwerdeführers von seiner Kanzlei an einem Wochentag hat nicht die belangte Behörde zu vertreten. Darüber hinaus fehlt in der Beschwerde jedes Vorbringen, was der Beschwerdeführer in bestimmter Weise vorgebracht hätte, wäre ihm eine längere Frist gewährt worden. Damit kann die Kausalität des behaupteten Verfahrensmangels zum Inhalt des angefochtenen Bescheides, dies im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG verstanden, nicht beurteilt werden. Es widerspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß diesbezüglich das Neuerungsverbot dem Vorbringen jener Umstände entgegenstünde, die der Beschwerdeführer genannt hätte, wäre ihm eine längere Frist gewährt worden (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 611/7 genannten Entscheidungen).

Es ist schließlich aktenwidrig, daß die belangte Behörde kein Ermittlungsverfahren über die Einkommens-, Vermögens-, und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers durchgeführt hätte; aus Aktenseite 16 (Bericht des Bezirkspolizeikommissariates Penzing vom 5. November 1989) ergibt sich das Gegenteil.

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991; nach deren Art. I B Z. 4 und 5 beträgt die Summe des der belangten Behörde zu ersetzenden Vorlage- und Schriftsatzaufwandes S 3.035,--, so daß das Mehrbegehren der belangten Behörde von S 50,-- als unbegründet abzuweisen war.

Schlagworte

Parteiengehör Allgemein Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180007.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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