Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 13. Februar 1991, Zl. FR 2637/91, betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 1980 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen. Dies deshalb, weil der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz am 24. Jänner 1980 wegen Vergehens der versuchten Nötigung, der Freiheitsentziehung und der Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden war; weiters wurde diesem Aufenthaltsverbot eine Bestrafung des Beschwerdeführers durch ein Straferkenntnis vom 25. Jänner 1980, betreffend Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO zugrunde gelegt. Im Jahre 1985 ehelichte der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige, worauf ihm in der Folge Vollstreckungsaufschübe hinsichtlich des erwähnten Aufenthaltsverbotes gewährt wurden.
Der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Februar 1989 auf Aufhebung des erwähnten Aufenthaltsverbotes wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Februar 1991 im wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Der Beschwerdeführer sei mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 14. Dezember 1988 wegen Übertretungen nach § 64 Abs. 1 KFG und § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO rechtskräftig bestraft worden. Wohl sei ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 231 StGB gemäß § 90 Abs. 1 StPO eingestellt worden, dies jedoch allein aus den Gründen des § 42 StGB, was nicht bedeute, daß der Beschwerdeführer seitens der Strafverfolgungsbehörden nicht für schuldig befunden worden wäre.
Bei der nunmehr zu fällenden Entscheidung müsse das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers unabhängig davon, daß die seinerzeitige Gerichtsstrafe inzwischen getilgt worden sei, bis zum jetzigen Zeitpunkt betrachtet werden, da aufgrund des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes beurteilt werden müsse, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bedeute. Bei dieser Beurteilung sei darauf Bedacht zu nehmen, daß der Beschwerdeführer nicht davor zurückgeschreckt habe, neuerlich in Verbindung mit der Lenkung eines Kraftfahrzeuges ein Alkoholdelikt zu begehen bzw. ein Kraftfahrzeug ohne die erforderliche Lenkerberechtigung zu lenken. Beide Delikte seien als schwerwiegend anzusehen. Weiters habe sich der Beschwerdeführer auch zur Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung nach § 231 StGB hinreißen lassen. Das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers ab Begehung der ersten Straftat führe die Behörde zum Schluß, daß es die öffentlichen Interessen, insbesondere das Interesse an der öffentlichen Sicherheit, erforderten, das Aufenthaltsverbot aufrechtzuerhalten.
Wäge man nun diese öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen der Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers ab, so hätten die öffentlichen Interessen extremes Übergewicht: Die Ehe sei zwar zufolge der Zeugenaussage der Gattin noch aufrecht, jedoch bestehe bereits die längste Zeit keine häusliche Lebensgemeinschaft mehr, weshalb die Gattin demnächst die Scheidungsklage einzubringen beabsichtige. Die Behörde verkenne nicht, daß der Beschwerdeführer in Österreich einem Erwerb nachgehe, aus dem er seinen Lebensunterhalt bestreite, jedoch sei auch dieses Interesse dem an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit unterzuordnen, zumal der Beschwerdeführer auf Grund der in Österreich erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch in seinem Heimatland einem Erwerb nachgehen könne, wobei er auf dem dortigen Arbeitsmarkt eine bevorzugte Stellung einnehmen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 8 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.
Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhang mit § 3 leg. cit. (nunmehr in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987, im Folgenden kurz: FrPolG) gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. März 1991, Zl. 90/19/0557). Weiters ist klarzustellen, daß die belangte Behörde dabei auch solche Umstände zu beachten hat, welche seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetreten sind und gegen die Aufhebung desselben sprechen. Wäre sohin zum nunmehrigen Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes die Erlassung eines solchen gerechtfertigt, so kommt eine für den Antragsteller günstige Erledigung nicht in Betracht.
Dabei ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß es bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht darauf ankommt, ob die seinerzeitige Erlassung desselben im Zusammenhang mit den damals maßgebenden Gründen Rechtens war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0137).
Was die von der belangten Behörde erwähnten, inzwischen vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen nach § 64 Abs. 1 KFG und nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO anlangt, so sind diese solche, welche eine Subsumtion unter § 3 Abs. 2 Z. 2 FrPolG (erster Fall) zulassen, wonach als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten hat, wenn ein Fremder mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden ist. Weshalb "nur eine verwaltungsbehördliche Übertretung" vorliegen soll, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht erkennbar. Sohin ist davon auszugehen, daß die Annahme gerechtfertigt ist, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0236).
Dazu kommt, daß die belangte Behörde in die Beurteilung des der Vorschrift des § 3 Abs. 1 FrPolG zu unterstellenden Gesamtverhaltens zu Recht auch ein solches Verhalten miteinbezogen hat, welches nicht einer der Ziffern des § 3 Abs. 2 leg. cit. unterstellt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0201). Unter diesem Blickwinkel war die Berücksichtigung des nach § 231 StGB inkriminierten Verhaltens (auch wenn es zu keiner diesbezüglichen Verurteilung gekommen ist) ebenso Rechtens wie die Bezugnahme auf die der seinerzeitigen Bestrafung des Beschwerdeführers nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO zugrundeliegende Tat, zumal es dabei nicht entscheidend ist, ob die letztgenannte Verwaltungsstrafe inzwischen als getilgt gilt. Selbst die Berücksichtigung der der inzwischen getilgten gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Taten des Beschwerdeführers ist bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens nach § 3 Abs. 1 FrPolG Rechtens (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0137).
Aber auch die im Sinne des § 3 Abs. 3 FrPolG von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung ist im Hinblick auf das erhebliche Gewicht des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig zu erkennen. Es trifft nicht zu, daß sich die belangte Behörde mit den Privatinteressen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt hat, insbesondere hat sie nicht nur der Beschäftigung des Beschwerdeführers in Österreich, sondern auch seiner Ehe mit einer Österreicherin entsprechendes Augenmerk geschenkt. Daß aber aus dieser Ehe keine maßgebliche familiäre Bindung mehr abzuleiten ist, hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich dargestellt; dem vermochte der Beschwerdeführer lediglich entgegenzusetzen, die "Lebenssituationen" ergäben sich nur dadurch, daß "beide zum beruflichen Erwerb gezwungen sind und es daher den Anschein einer offenen familiären Situation hat".
Schließlich ist auch für den Beschwerdeführer mit dem Hinweis, die belangte Behörde habe bei ihrer Entscheidung offenbar nicht die "volle Überzeugung im Sinne einer abweisenden Erledigung" gehabt, nichts gewonnen: Der Beschwerdeführer nimmt damit offenbar Bezug auf den Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß den Interessen des Beschwerdeführers im Rahmen der Gewährung von Vollstreckungsaufschüben entsprochen werden könnte. Es ist aber nicht ersichtlich, inwieweit der Beschwerdeführer durch diese Ausführungen in einem Recht verletzt worden wäre, wobei in diesem Zusammenhang auf die hg. Judikatur zu § 6 Abs. 2 FrPolG verwiesen sei (vgl. das Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0228).
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190087.X00Im RIS seit
12.06.2001