Index
L92109 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Wien;Norm
BehindertenG Wr 1986 §27 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. April 1990, Zl. MDR-W 9/90, betreffend Einstellung und Rückzahlung von Pflegegeld nach dem Wiener Behindertengesetz 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Unter dem Datum 15. Februar 1990 erließ der Magistrat der Stadt Wien gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin einen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Das Frau Roswitha N., wohnhaft in Wien 19, G-Gasse, mit Bescheid vom 27.11.1987, Zl. MA 12-6677/84 zuerkannte Pflegegeld wird gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Wiener Behindertengesetz 1986, LGBl. für Wien Nr. 16, mit 31.7.1987 eingestellt und der Übergenuß an Pflegegeld von S 9.230,-- rückgefordert.
Durch den unberechtigten Bezug von Pflegegeld in der Zeit vom 1.8.1987 bis 30.4.1988 ist ein Überbezug in der Höhe von S 18.110,-- entstanden. Dieser Gesamtüberbezug von S 18.110,-- hat sich verringert, da die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft einen Betrag in der Höhe von S 8.880,-- überwiesen hat, sodaß noch ein Rückstand von S 9.230,-- offen ist.
Dieser Betrag ist dem Magistrat gemäß § 36 Abs. 1 Wiener Behindertengesetz zurückzuzahlen.
Die Rückzahlung kann in monatlichen Raten zu je S 500,-- erfolgen. Die Fälligkeit der ersten Rate beginnt mit 1.3.1990. Die künftig fällig werdenden Raten sind am Ersten eines jeden Monats im voraus an die Magistratsabteilung 6 - Buchhaltungsabteilung IV mittels beiliegender Erlagscheine zu entrichten".
2. Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin wies die Wiener Landesregierung (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 10. April 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß Raten in der Höhe von S 200,-- monatlich gewährt werden.
In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst das wesentliche Berufungsvorbringen wieder, und zwar des Inhaltes, daß der Beschwerdeführerin von ihrem (monatlichen) Einkommen (nach Abzug ihrer Ausgaben) S 63,91 verblieben. Dazu komme noch die Familienbeihilfe in der Höhe von S 1.550,-- und der Kinderzuschuß in der Höhe von S 499,--. Die Kosten für den Abendkurs der Tochter der Beschwerdeführerin im Wirtschaftsförderungsinstitut würden S 4.500,-- pro Semester betragen. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die Beschwerdeführerin seit 1. August 1987 eine Erwerbsunfähigkeitspension seitens der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft beziehe. Somit bestehe ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch mehr auf Pflegegeld nach dem Wiener Behindertengesetz 1986. Das Pflegegeld sei jedoch in der Zeit vom 1. August 1987 bis 30. April 1988 der Beschwerdeführerin noch angewiesen worden, da der Umstand der Pensionszuerkennung dem Magistrat erst nachträglich bekannt geworden sei. Da seitens der genannten Pensionsversicherungsanstalt ein Betrag in der Höhe von S 8.880,-- der Magistratsabteilung 12 überwiesen worden sei, habe sich der ursprüngliche Überbezug in der Höhe von S 18.110,-- auf S 9.230,-- vermindert.
Unter Bezugnahme auf die (zum Teil wiedergegebenen) Bestimmungen des § 1 Abs. 2 Z. 3, § 27 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und 2 des Wiener Behindertengesetzes 1986 gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß die Rückforderungsverpflichtung zu Recht bestehe, und daß keine Gründe für ein Absehen von der Rückforderung nach § 36 Abs. 2 leg. cit. unter Berücksichtigung des Einkommens der Beschwerdeführerin und ihrer notwendigen Ausgaben vorlägen. Vielmehr sei der Beschwerdeführerin die Rückzahlung des Überbezuges in der Höhe von S 9.230,-- in monatlichen Raten von
S 200,-- durchaus zumutbar.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Geltend gemacht werden der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begehrt wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen "Rechtswidrigkeit".
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und gleichzeitig mitgeteilt, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 27 Abs. 1 erster Satz des Wiener Behindertengesetzes 1986 (in der Folge: WBehG) haben Personen, die (unter anderem) eine Pension nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz beziehen, keinen Anspruch auf Pflegegeld.
Nach § 36 Abs. 1 leg. cit. hat der Behinderte (unter anderem) ein zu Unrecht empfangenes Pflegegeld zurückzuzahlen. Die Leistung ist jedenfalls zu Unrecht empfangen, wenn der Anzeigepflicht (§ 35 Abs. 1) nicht entsprochen wurde. Gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. ist bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Z. 1 bis 3) von der Rückforderung abzusehen.
§ 37 Abs. 1 WBehG normiert, daß (unter anderem) das Pflegegeld mit dem Ende des Monats einzustellen ist, in dem die Voraussetzungen hiefür weggefallen sind.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine "rückwirkende Einstellung" bereits empfangener Sozialhilfeleistungen schon begrifflich ausgeschlossen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Februar 1991, Zl. 90/19/0553). Soweit mit dem angefochtenen Bescheid - im Wege der Bestätigung des entsprechenden Abspruches des erstinstanzlichen Bescheides - auf die Einstellung bereits erbrachter Leistungen erkannt wurde, erweist er sich demnach als rechtswidrig.
3.1. Nach Ausweis der Akten gebührt der Beschwerdeführerin ab 1. August 1987 eine Erwerbsunfähigkeitspension gemäß § 132 GSVG, wobei diese laut Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft vom 29. Jänner 1988 ab diesem Zeitpunkt ruht (§ 61a GSVG), und zwar im Hinblick auf und für die Dauer des Anspruches der Beschwerdeführerin auf den Bezug von Krankengeld. Laut Bescheid der genannten Sozialversicherungsanstalt vom 19. September 1988 ruht die besagte Pension ab 1. September 1988 infolge Wegfalls des Ruhensgrundes nicht.
3.2. Der von der belangten Behörde aus diesem aktenkundigen Sachverhalt im bekämpften Bescheid gezogene rechtliche Schluß, es sei aufgrund der Zuerkennung eines Anspruches auf Erwerbsunfähigkeitspension ab 1. August 1987 bei der Beschwerdeführerin der Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld nach dem WBehG mit diesem Tag weggefallen, ist im Grunde des § 37 Abs. 1 iVm § 27 Abs. 1 erster Satz leg. cit. unzutreffend. Im Hinblick darauf, daß das Pflegegeld erst mit dem Ende des Monats einzustellen ist, in dem die Voraussetzungen hiefür weggefallen sind, hat die Beschwerdeführerin das Pflegegeld für den Monat August 1987 nicht zu Unrecht empfangen; sie durfte daher auch nicht zur Rückzahlung dieser Leistung verpflichtet werden (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 90/19/0553). Da die ziffernmäßige Höhe des für den Monat August 1987 gewährten Pflegegeldes aus dem bekämpften Bescheid nicht hervorgeht, erstreckt sich die Rechtswidrigkeit auf den gesamten Ausspruch über die Rückzahlungsverpflichtung.
4. Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Bescheid schon deswegen als zur Gänze mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
5. Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zum einen die Vergütung von Mehrwertsteuer neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz im Gesetz nicht vorgesehen ist, zum anderen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung an Stempelgebühren lediglich S 270,-- (Eingabengebühr S 240,--, Beilagengebühr S 30,--) zu entrichten waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990190286.X00Im RIS seit
01.02.2002