TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/30 90/11/0165

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Veröffentlicht am 30.04.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §67 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des S gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 16. Juli 1990, Zl. 11-39 Si 3-82, betreffend Wiedererteilung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 15. September 1988 wurde gemäß § 73 KFG 1967 dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B und F "für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung (bis zur Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung, worüber der Amtsarzt zu entscheiden hat)" entzogen und gleichzeitig ausgesprochen, daß ihm für diese Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.

Über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers entschied der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 16. Juli 1990 wie folgt:

"Der Berufung ... wird keine Folge gegeben, der angefochtene Bescheid jedoch gleichzeitig dahingehend abgeändert, daß nicht über die Entziehung der Lenkerberechtigung des Berufungswerbers, sondern über seinen am 9. Mai 1988 gestellten Antrag auf Wiedererteilung einer Lenkerberechtigung abzusprechen war.

Gleichzeitig ist der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung als gegenstandslos zu betrachten."

Als Rechtsgrundlagen dieser Entscheidung wurden § 66 Abs. 4 AVG 1950 und § 64 Abs. 2 KFG 1967 angegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß mit dem angefochtenen Bescheid nicht etwa der erstinstanzliche Entziehungsausspruch bestätigt, sondern vielmehr der Antrag des Beschwerdeführers vom 31. März 1987, wiederholt am 29. Februar 1988 (die unrichtige Datumsangabe im Spruch beruht offensichtlich auf einem Versehen der belangten Behörde) auf Wiedererteilung der Lenkerberechtigung abgewiesen worden ist. Unmittelbar nach der einleitenden Wendung im Spruch des angefochtenen Bescheides "der Berufung wird keine Folge gegeben" heißt es dort nämlich, daß der erstinstanzliche Bescheid "abgeändert" wird, wobei ausdrücklich auf den "Antrag auf Wiedererteilung einer Lenkerberechtigung" abgestellt wird. Ungeachtet der unklaren Formulierung (statt richtigerweise zu sagen, daß dieser Antrag "abgewiesen wird", hat sich die belangte Behörde hier einer für ein Begründungselement charakteristischen Ausdrucksweise bedient) muß dieser Spruchteil mit Rücksicht auf das Fehlen eines Ausspruches betreffend die "Bestätigung" des erstinstanzlichen Bescheides und die Anführung des § 64 Abs. 2 KFG 1967 (als der im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG 1950 angewendeten materiell-rechtlichen Bestimmung) als Abweisung des besagten Antrages des Beschwerdeführers verstanden werden. Dafür spricht auch die Begründung des angefochtenen Bescheides, wenn darin nach Wiedergabe der erstinstanzlichen Entscheidung und ihrer Rechtsgrundlage unter Bezugnahme auf den Antrag vom 29. Februar 1988 ausdrücklich die "Abänderung des Spruches im erstinstanzlichen Bescheid" als erforderlich bezeichnet und dies damit begründet wird, daß der Beschwerdeführer "seit dem Jahre 1982 über keine Lenkerberechtigung mehr verfügt und die Entziehung einer bereits entzogenen Lenkerberechtigung denkunmöglich ist".

2. Mit dem dargestellten Inhalt des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde ihre Entscheidungsbefugnis als Berufungsbehörde überschritten. Als solche war sie gemäß § 66 Abs. 4 erster Satz AVG 1950 nur berechtigt, im Rahmen der "Sache" zu entscheiden. Darunter ist (abgesehen von einer hier nicht in Betracht kommenden allfälligen Einschränkung aufgrund eingetretener Teilrechtskraft) die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat, zu verstehen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A). Die Angelegenheit des Verfahrens vor der Erstbehörde war zwar (jedenfalls zunächst) der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedererteilung der Lenkerberechtigung vom 31. März 1987. Den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides bildete aber nicht dieser Antrag, sondern der im Zuge des darüber eingeleiteten Verfahrens von Amts wegen ergangene Ausspruch der Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 73 KFG 1967. Daß es sich hiebei nicht etwa bloß um ein Vergreifen im Ausdruck handelte, ergibt sich unmißverständlich aus der Textierung dieses Bescheides und entspricht im übrigen der (auf S. 208 ihres Aktes festgehaltenen, geänderten) Rechtsansicht der Erstbehörde, daß ihr durch den Berufungsbescheid vom 28. Juni 1982 bestätigter Entziehungsbescheid nach § 73 KFG 1967 vom 12. Februar 1982 mangels Zustellung an den Beistand des damals beschränkt entmündigten Beschwerdeführers "nicht existent" sei. Bei der Entziehung der Lenkerberechtigung einerseits und der Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Lenkerberechtigung andererseits handelt es sich im Hinblick auf die - vom Vorliegen bzw. Nichtmehrvorliegen der Erteilungsvoraussetzungen nach § 64 Abs. 2 KFG 1967 abgesehen - unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der jeweiligen Entscheidung um zwei verschiedene "Sachen" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950. Dadurch, daß die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedererteilung der Lenkerberechtigung abgewiesen hat, überschritt sie den durch die "Sache" im geschilderten Sinn gezogenen Rahmen; dem Beschwerdeführer wurde damit in Ansehung dieses Antrages eine Instanz entzogen. Die belangte Behörde hat dadurch den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Ein Kostenzuspruch an den Beschwerdeführer kam mangels eines diesbezüglichen Antrages nicht in Betracht.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990110165.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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