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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des E gegen den Bescheid des Militärkommandos Oberösterreich vom 22. Oktober 1990, Zl. O/57/16/01/44, betreffend Feststellung der Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem mündlich verkündeten Bescheid der Stellungskommission beim Militärkommando Oberösterreich vom 22. Oktober 1990 wurde die Eignung des im Jahre 1957 geborenen Beschwerdeführers mit dem Beschluß "Tauglich" festgestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wurde am 3. Februar 1975 erstmalig der Stellung unterzogen und dabei für tauglich befunden. Vom 29. September 1975 bis 28. September 1976 leistete er einen freiwillig verlängerten ordentlichen Präsenzdienst als Einjährig-Freiwilliger und in der Folge wiederholt Truppen- und Kaderübungen.
Mit Schreiben vom 23. April 1990 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, daß er im Juli 1988 zum dritten Mal eine Luxation der rechten Schulter erlitten habe. An seinem Gesundheitszustand habe sich seither nichts geändert.
Über Aufforderung durch die belangte Behörde übersandte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26. Juni 1990 das Attest des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. D vom 21. Juni 1990, in welchem abschließend ausgeführt wird:
"Zusammenfassend besteht ein Zustand nach Schulterluxation rechts vom März 1984 und 2 x im Laufe des Jahres 1988.
Klinisch imponiert eine Einschränkung der Innenrotation sowie eine Instabilität des Gelenks nach cranio-ventral. Zusätzlich massive Druckpunkte im Bereich der Rotatorenmanschette wie oben beschrieben.
Auf Grund dieses Befundes ist dem Patienten eine Belastung des Schultergelenkes abzuraten, da nach wie vor die latente Gefahr einer Reluxation besteht; auch sollte die Exposition im kalten oder nassen Milieu vermieden werden. Anderenfalls ist eine weitere Schädigung des Schultergelenkes und somit der Übergang von der latenten instabilen Situation in eine habituelle Luxation mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten."
Mit Bescheid vom 2. Juli 1990 ordnete die belangte Behörde von Amts wegen die Durchführung der neuerlichen Stellung des Beschwerdeführers an. Auf Grund der am 22. Oktober 1990 durchgeführten Stellung erging der angefochtene Bescheid.
Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, daß der angefochtene Bescheid nicht begründet worden sei, ferner daß die Ergebnisse einer allfälligen Sachverhaltsermittlung ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden seien und ihm keine Gelegenheit gegeben worden sei, dazu innerhalb angemessener Frist Stellung zu nehmen. Anläßlich der Stellung sei eine ca. zwei Minuten dauernde Untersuchung durch einen Truppenarzt erfolgt, bei der die Beweglichkeit des Schultergelenkes überprüft worden sei; in die vom Beschwerdeführer mitgeführten Röntgenbilder und Befunde sei aber nicht Einsicht genommen worden.
Die belangte Behörde führt dazu in der Gegenschrift aus, der Beschwerdeführer sei durch den Facharzt für Unfallchirurgie Oberstarzt Dr. K einer fachärztlichen Untersuchung unterzogen worden. Diese Untersuchung sei unter Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer beigebrachten Befundes Dris. D vom 21. Juni 1990 erfolgt. Die dort ausgesprochene Empfehlung sei in die Beurteilung einbezogen worden. Dennoch sei Dr. K zum Ergebnis gekommen, "daß die rezidivierenden Schulterbeschwerden und die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk dem Grade nach nicht in einer Ausprägung gegeben sind, daß daraus eine Untauglichkeit abgeleitet werden kann". "Aufgrund der umfassenden Aktenlage sowie der durchgeführten eingehenden militärärztlichen Untersuchungen" sei die Stellungskommission zum Ergebnis gekommen, daß der Beschwerdeführer weiterhin die geistigen und körperlichen Voraussetzungen besitzt, um eine Waffe zu bedienen und ein Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln zu können. Auf Grund des auf "Tauglich" lautenden Beschlusses sei der Beschwerdeführer zwar gemäß § 47 Abs. 2 Wehrgesetz 1990 zum Dienst in allen Teilen des Bundesheeres verpflichtet, dürfe aber nur im Rahmen seiner Dienstfähigkeit verwendet werden. Dadurch sei gesichert, daß der Beschwerdeführer nur nach Maßgabe seiner Belastungsfähigkeit während des Präsenzdienstes verwendet werden dürfe. Das Parteiengehör sei gewährt worden, weil dem Beschwerdeführer von den untersuchenden Ärzten die Möglichkeit eingeräumt worden sei, sich zu den Ergebnissen zu äußern.
In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich ein "unfallchirurgisch-orthopädischer Facharztbefund" des Oberstarztes Dr. K. Dieser Befund hat folgenden Wortlaut:
"Diagnose: Rezidivierende Schulterluxation re.
Derzeit freie Beweglichkeit, was die Rotation betrifft. Es besteht aber doch ein diskret-'schmerzhafter Bogen' ohne Hinweis auf Läsion der Rotatorenmanschette.
Die Gefahr der Luxation bei abrupter Bewegung besteht nicht."
Dieser Befund liegt nach den Ausführungen in der Gegenschrift dem angefochtenen Bescheid zugrunde. Dieser Befund läßt jegliche Auseinandersetzung mit dem vom Beschwerdeführer vorgelegten fachärztlichen Attest vermissen, sodaß nicht zu erkennen ist, inwiefern der Militärarzt den fachärztlichen Befund vom 21. Juni 1990 berücksichtigt hat, wie in der Gegenschrift behauptet wird. Insbesondere kann nicht nachvollzogen werden, aus welchen Gründen der Militärarzt zu dem Ergebnis kommt, daß die Gefahr der Luxation bei abrupter Bewegung nicht besteht, während der Facharzt für den Fall der Belastung des Schultergelenkes eine weitere Schädigung des Schultergelenkes und somit den "Übergang von der latenten instabilen Situation in eine habituelle Luxation" mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet. Diese Befürchtung kann im Hinblick auf die bereits wiederholt aufgetretenen Luxationen nicht von vornherein als unbegründet abgetan werden, weshalb das militärärztliche Gutachten, das diese Befürchtung offenbar nicht teilt, einer entsprechenden Begründung bedurft hätte. Da das Gutachten somit nicht ausreichend begründet ist, hat die belangte Behörde, die dieses Gutachten dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt hat, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Bei diesem Ergebnis brauchte nicht ausführlich auf den weiteren Verfahrensmangel eingegangen zu werden, der darin besteht, daß gemäß § 45 Abs. 3 AVG die belangte Behörde das militärärztliche Gutachten seinem gesamten Inhalt nach dem Beschwerdeführer hätte zur Kenntnis bringen müssen, wobei ihm auch die Gelegenheit einzuräumen gewesen wäre, dazu innerhalb angemessener Frist, Stellung zu nehmen. In der in der Gegenschrift beschriebenen Vorgangsweise, nämlich der Bekanntgabe bloß des Ergebnisses durch die Ärzte ohne Einräumung einer entsprechenden Frist liegt keine ausreichende Gewährung des Parteiengehörs im Sinne der zitierten Gesetzesstelle, weil einem Sachverständigengutachten von der Partei im Regelfall nur nach Beiziehung sachkundiger Personen in geeigneter Weise entgegengetreten werden kann.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens an Stempelgebührenersatz erfolgte deshalb, weil nur die Vorlage der Bescheinigung der Stellungskommission, nicht jedoch die der anderen Beilagen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.
Schlagworte
Parteiengehör SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110214.X00Im RIS seit
30.04.1991