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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AktG 1965 §133 Z5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. November 1987, Zl. 6/3-3043/87, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für das Jahr 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt seit dem 1. Jänner 1985 eine Tabaktrafik, bei deren Erwerb ein Betrag von S 500.000,-- als Firmenwert aktiviert wurde.
Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob dieser Firmenwert ein abnutzbares und daher abschreibbares Wirtschaftsgut darstellt (Auffassung des Beschwerdeführers) oder ob dies nicht der Fall ist (Auffassung der belangten Behörde).
In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes
geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Einkommensteuergesetz 1972 kann der Firmenwert sowohl ein abnutzbares als auch ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut darstellen. Entscheidend für die Abnutzbarkeit ist, daß der Firmenwert auf die persönliche unternehmerische Fähigkeit und Leistung des Rechtsvorgängers zurückzuführen ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1983, Zl. 82/13/0248, vom 8. Mai 1984, Zl. 83/14/0219, vom 25. Mai 1988, Zl. 87/13/0159, und vom 18. Oktober 1988, Zl. 87/14/0174).
Im Erkenntnis vom 3. Dezember 1986, Zl. 84/13/0289, hat sich der Gerichtshof mit dem Firmenwert einer Tabaktrafik befaßt und dessen Abnutzbarkeit bejaht, weil die Geschäftsentwicklung beim Rechtsnachfolger deutlich erkennen ließ, daß der Firmenwert maßgebend von der Leistung des jeweiligen Unternehmers beeinflußbar war.
Die belangte Behörde relativiert den Aussagewert dieses Erkenntnisses, auf das sich auch der Beschwerdeführer beruft, in der Weise, daß sie darauf hinweist, es habe sich um eine Präsidentenbeschwerde gehandelt, bei der der Verwaltungsgerichtshof nur die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde und deren Übereinstimmung mit den Denkgesetzen zu überprüfen gehabt habe. Ob nicht auch eine gedanklich einwandfreie Beweiswürdigung mit gegenteiligem Ergebnis möglich gewesen wäre, sei der Prüfungskompetenz des Verwaltungsgerichtshofes entzogen gewesen.
Diese Auffassung ist verfehlt. Es ist zwar möglich, daß bei Würdigung derselben Beweismittel zwei verschiedene Beweiswürdigungen zu voneinander abweichenden Sachverhaltsfeststellungen führen, weil sowohl die Gewichtung als auch die Aussagekraft eines Beweismittels unterschiedlich beurteilt werden können, ohne dabei gegen die Grundsätze der Schlüssigkeit und Denkfolgerichtigkeit zu verstoßen. Von der Sachverhaltsfeststellung zu unterscheiden ist jedoch die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes. Diese kann nicht zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen führen, von denen gesagt werden könnte, sie entsprächen beide den anzuwendenden Rechtsnormen.
Die Frage, ob ein konkreter Firmenwert absetzbar oder nicht absetzbar ist, wird durch richtige rechtliche Beurteilung eines festgestellten Sachverhaltes gelöst. Auch dieser Denkprozeß unterliegt den Geboten der Schlüssigkeit und der Denkfolgerichtigkeit. Im zitierten Erkenntnis vom 3. Dezember 1986, Zl. 84/13/0289 wurde vom Gerichtshof der Schluß für richtig erkannt, daß ein vom Rechtsnachfolger wertmäßig wesentlich beeinflußbarer Firmenwert bei unveränderter Konkurrenzsituation auch schon beim Rechtsvorgänger wesentlich von dessen unternehmerischer Leistung bestimmt wurde. Diese Überlegung führte zu der rechtlichen Beurteilung des damaligen Firmenwertes einer Tabaktrafik als abnutzbares Wirtschaftsgut. Ein gegenteiliges Ergebnis wäre bei Zugrundelegung desselben unbestritten gebliebenen Sachverhaltes rechtswidrig gewesen, weil es auf einer unschlüssigen, den Denkgesetzen widersprechenden rechtlichen Beurteilung beruht hätte.
Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid weiters fest, daß der Gewinn des Rechtsvorgängers im Jahr 1984 "im Vergleich zum Jahr 1978 auf weniger als die Hälfte gesunken ist". Aus dieser Sachverhaltsfeststellung zieht sie den Schluß, "daß die Wertkomponenten, auf denen der Firmenwert beruht, nicht auf die persönlichen unternehmerischen Fähigkeiten und Leistungen des Rechtsvorgängers zurückzuführen sind".
Gerade das Gegenteil zeigt dieser Sachverhalt jedoch auf, nämlich den Umstand, daß sich die Ertragslage der Tabaktrafik wesentlich verschlechtert hat. Da die belangte Behörde keine Umstände objektiver Art vorbringt, die dies erklären könnten, drängt sich geradezu der Schluß auf, daß als Ursachen für den Ertragsrückgang beim Rechtsvorgänger nur persönliche Umstände, wie etwa verringerte Arbeitsfähigkeit, Fehldispositionen oder andere unternehmerische Fehlleistungen in Betracht kamen. Ein Firmenwert, der durch ein unternehmerisches Fehlverhalten wesentliche Werteinbußen erleidet, kann aber umgekehrt durch besondere unternehmerische Leistungen wesentlich an Wert gewinnen. Beides spricht für die Abnutzbarkeit eines Firmenwertes.
In der Gegenschrift bringt die belangte Behörde erstmals vor, sie sei zu dem Schluß gelangt, daß der Firmenwert "durch den Standort begründet ist". Abgesehen davon, daß derartige Feststellungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Bescheides fehlen (lediglich das Finanzamt hat dies behauptet), verweist der Gerichtshof auf sein Erkenntnis vom 30. Juni 1987, Zl. 86/14/0195, in dem unter Bezugnahme auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. Jänner 1986, Zl. 84/14/0129, zum Ausdruck gebracht wurde, daß die gute Lage (Standort, Platzwert) regelmäßig nicht im Firmenwert, sondern im Wert des dem Betrieb dienenden Grund und Bodens ihren wertmäßigen Niederschlag findet. Dies gilt auch für bebaute Liegenschaften und gemietete Geschäftslokale mit der Maßgabe, daß der Wert von Gebäuden bzw. von Mietrechten an Gebäuden von der guten Lage mitbestimmt wird.
Was schließlich das Argument der belangten Behörde betrifft, daß die Abschreibung eines Firmenwertes jedenfalls dann nicht in Betracht komme, wenn der erworbene Firmenwert (sogenannter derivativer Firmenwert) allmählich durch einen selbstgeschaffenen Firmenwert (sogenannter originärer Firmenwert) ersetzt werde, so vermag der Gerichtshof auch diese Rechtsansicht im Geltungsbereich des EStG 1972 nicht zu teilen. Lehre und Rechtsprechung gehen nämlich übereinstimmend davon aus, daß ein selbstgeschaffener Firmenwert keinen wertmäßigen Niederschlag in der Bilanz finden darf. Dies nicht nur deswegen, weil ein solcher Wertansatz handelsrechtlich unzulässig wäre (vgl. § 133 Z. 5 Aktiengesetz), sondern auch aus steuerlicher Sicht. Da der selbstgeschaffene Firmenwert auf Unternehmerleistungen des Betriebsinhabers beruht, käme ein entsprechender Wertansatz in der Bilanz einer Aktivierung von Unternehmerleistungen gleich, die steuerlich ebenso unzulässig ist, wie der Ansatz eines sogenannten Unternehmerlohnes als Betriebsaufwand. Eine Vermengung des erworbenen Firmenwertes mit Wertkomponenten eines selbstgeschaffenen Firmenwertes würde aber zu Wertansätzen in der Bilanz führen, die auf Unternehmerleistungen des Betriebsinhabers zurückzuführen wären.
Der Beschwerdeführer hat verschiedene Umstände aufgezeigt, die geeignet wären, einen wesentlichen Einfluß von Unternehmerleistungen auf den Firmenwert darzutun (Werbung, Erweiterung des Warenangebotes insbesondere auf dem Kurzwarensektor und zusätzliche Dienstleistungen). Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung hat die belangte Behörde daraus zu Unrecht den Schluß gezogen, daß der erworbene Firmenwert vom Beschwerdeführer allmählich durch einen selbstgeschaffenen Firmenwert ersetzt wurde und auch deswegen dem Firmenwert die Abschreibbarkeit versagt.
Aus allen diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche BeurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1988130031.X00Im RIS seit
14.01.2002