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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §167 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des H gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom 6. November 1990, Zl. 6/3-3084/90-05, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für 1983, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Handelsunternehmen des Beschwerdeführers, der den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 ermittelte, fand eine abgabenbehördliche Prüfung (BP) statt, die den Besteuerungsgrundlagen für 1983 wegen eines unaufgeklärten Vermögenszuwachses S 250.000,-- hinzuschätzte. Das Finanzamt erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende Abgabenbescheide, gegen die der Beschwerdeführer Berufung erhob; der Vermögenszuwachs sei auf Gewinne beim Roulettespiel zurückzuführen. Zur Berufung des Beschwerdeführers nahm die BP Stellung. Der Beschwerdeführer erstattete zu dieser Stellungnahme eine Äußerung. Mit der Berufungsentscheidung vom 8. März 1988, Zl. 6/3-1006/87, gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge, doch hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 21. Februar 1990, Zl. 89/13/0079 (Vorerkenntnis), diese Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Maßgebend für diese Aufhebung war, daß die belangte Behörde die als Zeugin namhaft gemachte Ehegattin, von der der Beschwerdeführer früher geschieden war und die er dann wieder geheiratet hatte, nicht einvernahm. Näheres zum Sachverhalt und den Entscheidungsgründen ist dem Vorerkenntnis zu entnehmen.
Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren holte die belangte Behörde die Zeugenaussage der Ehegattin ein. Diese gab im wesentlichen an, daß sie seit 1958 im Betrieb des Beschwerdeführers mittätig sei und die Rechnungen zu schreiben sowie die Zahlungen zu verbuchen habe. Sie wisse mit Sicherheit, daß die Einnahmen verbucht und keine Schwarzgeschäfte getätigt worden seien. Sie und der Beschwerdeführer hätten äußerst bescheiden gelebt und die Zeugin hätte monatlich um ihr Wirtschaftsgeld bangen müssen. In das Casino sei sie deshalb mitgegangen, um zu wissen, ob der Beschwerdeführer kein Geld verliere und um zu kontrollieren, ob er gewinne. Die Zeugin sei auch beim Einwechseln der gewonnenen Jetons dabei gewesen. Das Geld stamme daher nicht aus dem Betrieb, sondern aus dem Casino. Im Jahre 1983 seien sie und der Beschwerdeführer auch sehr oft nach Ungarn gefahren, um billig Lebensmittel einzukaufen. Am Rückweg hätten sie das Casino in X besucht. Mit den Gewinnen seien Rechnungen bezahlt worden.
Die belangte Behörde traf mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abermals eine abweisende Berufungsentscheidung. Es gebe beim Roulette entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kein sicheres Gewinnsystem, was für den Beschwerdefall ein Ansuchen um Nachsicht eines Verspätungszuschlages von nur S 2.173,-- erweise. Bei einem sicheren Gewinnsystem wäre die im Nachsichtsansuchen behauptete Notlage undenkbar. Hinsichtlich der Zeugenaussage der Ehegattin hielt es die belangte Behörde für unverständlich, wieso beide Ehegatten sehr bescheiden leben mußten, wenn der Beschwerdeführer ein sicheres Gewinnsystem hatte; denn bei einem sicheren System hätte er ja leicht die S 250.000,-- vervielfachen können, sodaß beide auch dann, wenn der Beschwerdeführer "jeden Groschen in das Geschäft steckte", noch genügend für sich hätten dazugewinnen können. Daher erscheine es der belangten Behörde unglaubwürdig, wenn die Gattin des Beschwerdeführers behaupte, er habe die S 250.000,-- im Casino gewonnen und "keine Schwarzgeschäfte getätigt". Die Erfassung der S 250.000,-- als Betriebsergebnis (Umsatz) wäre angesichts der Umsatzentwicklung wirtschaftlich vertretbar.
Der Beschwerdeführer erhob auch gegen die neuerlich abweisende Berufungsentscheidung Beschwerde, die er über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes mit einer Beschwerdeergänzung verbesserte. In der Beschwerdeergänzung machte der Beschwerdeführer sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf gesetzmäßige Besteuerung dadurch verletzt, daß auch die belangte Behörde die Zuschätzung von S 250.000,-- zum Umsatz des Jahres 1983 und die dadurch verbundene Erhöhung des von ihm im bezeichneten Kalenderjahr erklärten Gewinnes bestätigt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt in der Beschwerdeergänzung zunächst, die belangte Behörde habe das von ihm verlangte Sachverständigengutachten zum Beweis dessen, daß das von ihm erarbeitete Roulettesystem jedenfalls einen kleinen Gewinn ermögliche, nicht eingeholt. Zu einer gleichartigen Rüge hat der Verwaltungsgerichtshof aber schon im Vorerkenntnis dargetan, daß eine solche Rüge keinesfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel aufzeigt, weil es im Beschwerdefall nicht darum geht, ob der Beschwerdeführer Spielgewinne erzielen konnte, sondern darum, WIEVIEL er im Jahre 1983 TATSÄCHLICH beim Roulette gewonnen hat bzw. ob er TATSÄCHLICH so viel gewann, daß der "unaufgeklärte Vermögenszuwachs" aufgeklärt erscheint. Die belangte Behörde war daher - auch unter dem Gesichtspunkt des § 63 Abs. 1 VwGG - nicht dazu verhalten, im fortgesetzten Verwaltungsverfahren den beantragten Sachverständigenbeweis aufzunehmen.
Worin nach der Lage des Beschwerdefalles der Unterschied bestehen sollte, ob der Beschwerdeführer eine gewinnsichere oder eine gewinnsichernde Methode hatte, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Bemerkenswert erscheint allerdings, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerdeergänzung seinem System nur noch eine hohe WAHRSCHEINLICHKEIT zuschreibt, Gewinne beim Roulette zu erzielen.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers mußte es die belangte Behörde auch auf Grund der Zeugenaussage der Ehegattin nicht als im Sinne des § 167 Abs. 2 BAO erwiesen annehmen, daß er beim Roulette den aufklärungsbedürftigen Vermögenszuwachs abdeckende Spielgewinne erzielte. Erscheint es doch im Sinne des nunmehr angefochtenen Bescheides tatsächlich schwer verständlich und damit wenig glaubwürdig, daß der Beschwerdeführer und seine Ehegattin nach deren Angaben äußerst bescheiden lebten, ja die Ehegattin sogar aussagte, "ich mußte monatlich um mein Wirtschaftsgeld bangen", während der Beschwerdeführer über ein "ausgezeichnetes Instrumentarium, um beim Roulette zu gewinnen" (Äußerung des Beschwerdeführers zur Stellungnahme der BP zur Berufung), verfügt haben will. Dazu kommt, daß die Zeugin völlig undifferenziert von gewonnenen Jetons spricht, ohne näher zu erläutern, wann wieviel der Beschwerdeführer im Casino gewann. Damit erscheint aber die Zeugenaussage unzureichend, um Gewinne in einer Größenordnung von S 250.000,-- zu erweisen, die nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht nur bei einem, sondern bei einer Mehrzahl von Casinobesuchen erzielt worden sein sollen. Die Zeugenaussage erscheint aber auch deshalb unzureichend, die behaupteten Casinogewinne unter Beweis zu stellen, weil die Ehegattin (Zeugin) den Beschwerdeführer nicht bei allen Casinobesuchen begleitete. Sie begleitete ihn vielmehr nur bei den "meisten Casinobesuchen" (Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde zu Zl. 89/13/0079). Im Einklang mit dieser Angabe steht es, wenn in der Zeugenaussage nur von Casinobesuchen in X die Rede ist. Der Beschwerdeführer besuchte im Streitjahr nach der von ihm vorgelegten Bestätigung der Casino AG vom 3. August 1988 aber nicht nur das Casino in X, sondern auch das Casino in Y. Von den insgesamt 47 Besuchen entfielen 15 Besuche, also immerhin nahezu ein Drittel, auf das Y Casino. Die Zeugin konnte also bei einer erheblichen Anzahl von Casinobesuchen deren Ergebnis (Gesamtgewinn oder Gesamtverlust) nicht wahrnehmen. Stellt man in Rechnung, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerdeergänzung nur noch von einer wenn auch hohen GewinnWAHRSCHEINLICHKEIT spricht, die Möglichkeit von Spielverlusten also nicht mehr ausschließt, so erscheint auch aus dieser Sicht der Casinogesamtgewinn von S 250.000,-- nicht als erwiesen, weil die Zeugin ja bei den Casinobesuchen, bei denen sie den Beschwerdeführer nicht begleitete, deren Ergebnis und damit auch (allenfalls hohe) Verluste nicht feststellen konnte. Mit der Zeugenaussage ist also der aufklärungsbedürfte Vermögenszuwachs nicht aufgeklärt. Damit blieb aber auch die Aussage, alle Einnahmen wären verbucht worden und es habe keine Schwarzgeschäfte gegeben, eine nicht unter Beweis gestellte und unaufgeklärte Behauptung, weil eine andere Erklärung als die Casinogewinne für den Vermögenszuwachs nicht angeboten wurde.
Bei dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten "ausgezeichneten Instrumentarium, um beim Roulette zu gewinnen" (Äußerung zur BP-Stellungnahme), erscheint das Begründungselement des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdeführer hätte, wäre ihm ein solches Instrumentarium (System) tatsächlich zur Verfügung gestanden, nicht in den von der Gattin bezeugten beengten wirtschaftlichen Verhältnissen leben müssen, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht unlogisch.
Das in der Beschwerdeergänzung erwähnte "sicherste System" beim Roulettespiel, mit einem gegebenen Gewinn das Spiel zu beenden, um allfälligen Verlusten auszuweichen, setzt voraus, daß von vornherein immer nur Gewinne anfallen. Bei einer bloßen, wenn auch hohen WAHRSCHEINLICHKEIT von Spielgewinnen sind aber auch Verluste bei Spielbeginn nicht auszuschließen. Abgesehen davon müßte das Spiel beim ERSTEN erzielten Gewinn beendet werden, weil nur dann einem Verlust, der ja schon beim nächsten Spiel eintreten kann, ausgewichen werden könnte. Eine Erklärung dafür, wie bei einem solchen System bei insgesamt 47 Casinobesuchen insgesamt S 250.000,-- zu gewinnen waren, blieb die Beschwerdeergänzung schuldig.
Die Behauptung allein, daß der Beschwerdeführer im Streitjahr im Casino im Ergebnis (Ü) positiv abgeschlossen hat, widerlegt nicht die von der belangten Behörde aufgezeigte und den Realitäten entsprechende Möglichkeit, daß der Beschwerdeführer im Casino auch (viel) verlieren konnte. Es ging vielmehr darum, jene Behauptung zu beweisen. Der Beweis ist nicht gelungen.
Die Überlegung der belangten Behörde, daß die Umsatzentwicklung im Unternehmen des Beschwerdeführers (1982 S 660.000,--, 1983 S 2,677.000,--, 1984 S 8,344.000,--) im Jahre 1983 auch einen um S 250.000,-- höheren Umsatz erzielbar erscheinen läßt, ist schlüssig. Die Ausführungen in der Beschwerdeergänzung über die Entwicklung des Betriebskapitals im Jahre 1983 und dessen Zusammensetzung verstoßen nicht nur gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (siehe § 41 Abs. 1 VwGG), sondern legen auch nicht nachvollziehbar dar, warum es unmöglich gewesen sein sollte, daß der unaufgeklärte Vermögenszuwachs auf "Schwarzgeschäfte" zurückzuführen war. Daß der Beschwerdeführer ausschließlich an Firmen, Universitäten und Institute Computersysteme verkaufte, die sich auf Schwarzgeschäfte gar nicht hätten einlassen können, und daß es zudem die Embargobestimmungen erforderlich machten, bei jedem Weiterverkauf den Namen des Abnehmers der zuständigen behördlichen Stelle zu melden, hatte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren noch nicht vorgetragen, sodaß auch diese Ausführungen in der Beschwerdeergänzung als gegen das Neuerungsverbot verstoßend auf sich zu beruhen haben.
Im Beschwerdefall ging es schließlich auch nicht darum, ob Schwarzgeschäfte wahrscheinlicher wären als Spielgewinne, sondern darum, daß der Beschwerdeführer einen aufklärungsbedürftigen Vermögenszuwachs nur mit Spielgewinnen aufzuklären versuchte, dieser Versuch aber mißlang. Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob auch noch die Ausführungen der belangten Behörde betreffend die Nachsicht des Verspätungszuschlages ihren Standpunkt erhärten.
Der Beschwerdeführer vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Seine Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990130300.X00Im RIS seit
02.05.1991