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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §22 Abs1 Z2 idF 1981/620 ;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1992, 126;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des B gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. September 1988, Zl. 6/1-1225/88, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war im Jahr 1984 Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Seine Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft betrug vom 1. Jänner 1984 bis 30. November 1984 zehn Prozent und ab 1. Dezember 1984 fünfzig Prozent.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1984 wies er die Einkünfte als Geschäftsführer als solche aus nichtselbständiger Arbeit aus und wurde erklärungsgemäß veranlagt.
In der Folge wurde das Einkommensteuerverfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommen. Für die Wiederaufnahme war maßgebend, daß das Finanzamt erst nachträglich in Erfahrung gebracht hatte, daß der Beschwerdeführer ab 1. Dezember 1984 an der GmbH wesentlich beteiligt gewesen war. Nach Auffassung des Finanzamtes habe dies zur Folge gehabt, daß die Einkünfte des Beschwerdeführers als Geschäftsführer gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG als solche aus selbständiger Arbeit zu qualifizieren gewesen wären.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und verwies auf eine von der GmbH an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde, in der verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG vorgebracht worden waren.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Einkünfte eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft seien bereits dann für den ganzen Veranlagungszeitraum als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu beurteilen, wenn der Gesellschafter "zu einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraumes" an der Gesellschaft wesentlich beteiligt gewesen sei.
Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Wollte man aus den Worten "zu einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraumes" den vom Finanzamt gezogenen Schluß ziehen, so wäre die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG verfassungswidrig. Es sei jedoch eine verfassungskonforme Interpretation möglich, wonach bei "unterjährigem Erwerb" einer wesentlichen Beteiligung nur jener Teil der Geschäftsführerbezüge Einkünfte aus selbständiger Arbeit darstelle, der auf die Zeit der wesentlichen Beteiligung entfalle. Im übrigen habe der Gesetzgeber des Einkommensteuergesetzes 1988 die Worte "zu einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraumes" ersatzlos beseitigt, was darauf hindeute, daß er selbst die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung erkannt und sie "quasi im Vorgriff auf eine entsprechende Aufhebung ... durch den Verfassungsgerichtshof" abgeändert habe.
Die belangte Behörde gab der Berufung in einem anderen Punkt statt, wies sie aber bezüglich der Subsumtion der Einkünfte des Beschwerdeführers unter die Einkünfte aus selbständiger Arbeit ab.
Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 28. Februar 1989, B 1792/88, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In einer Beschwerdeergänzung wird vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1981, BGBl. Nr. 620, sind Einnahmen aus sonstiger selbständiger Arbeit stets die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 3) aufweisende Beschäftigung gewährt werden. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft in einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraumes mehr als 25 v.H. beträgt.
In dem Erkenntnis vom 18. März 1991, Zl. 90/14/0009, hat sich der Verwaltungsgerichtshof eingehend mit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage befaßt, ob die Worte "in einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraumes" so zu verstehen sind, daß auch eine nur kurzfristige wesentliche Beteiligung in einem bestimmten Veranlagungszeitraum dazu führt, daß sämtliche im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte des Gesellschafter-Geschäftsführers als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu qualifizieren sind. Der Gerichtshof hat diese Frage bejaht und die vom Beschwerdeführer mehrfach zitierte gegenteilige Auffassung Gaiers als nicht überzeugend beurteilt. Auf die ausführlichen Entscheidungsgründe in dem zitierten Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Als zusätzliches Argument, mit dem sich der Verwaltungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis nicht auseinanderzusetzen hatte, bringt der Beschwerdeführer vor, es widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn ein nach bestehender Rechtslage (gemeint ist die Rechtslage vor dem Abgabenänderungsgesetz 1981, BGBl. Nr. 620) zulässiger Dienstvertrag mit Nettolohnvereinbarung abgeschlossen werde und der Gesetzgeber nachträglich normiere, daß die aus dem Dienstverhältnis erzielten Einkünfte solche aus selbständiger Arbeit seien. Auch dieses Argument läßt keine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes erkennen, das Anlaß für die vom Beschwerdeführer angeregte Anfechtung der zitierten Bestimmung vor dem Verfassungsgerichtshof durch den Verwaltungsgerichtshof geben könnte. Ein solcher Anlaß ist umso weniger gegeben, als der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 28. Februar 1989, B 1792/88-3, die Behandlung der hier vorliegenden Beschwerde mangels hinreichender Erfolgsaussicht gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt hat.
Es mag zwar zutreffen, daß die einkommensteuerliche Belastung unterschiedlich sein kann, je nachdem unter welche Einkunftsart bestimmte Einkünfte zu subsumieren sind. Dies hindert den einfachen Gesetzgeber aber nicht, Regelungen zu treffen, mit denen die Subsumtionstatbestände eine Änderung erfahren. Derartige Regelungen widersprechen keineswegs deswegen dem vom Beschwerdeführer herangezogenen "Rückwirkungsverbot", weil sie bei langjährig bestehenden zivilrechtlichen Vertragsgestaltungen FÜR DIE ZUKUNFT zu anderen Steuerbelastungen führen können.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war durch einen gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989130069.X00Im RIS seit
02.05.1991