TE Vfgh Erkenntnis 1988/9/29 B343/87

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Veröffentlicht am 29.09.1988
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Index

13 Staatsvertragsdurchführung, Kriegsfolgen
13/02 Vermögensrechtliche Kriegsfolgen

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
RückstellungsG Erstes

Leitsatz

NichtigkeitsG §1; Erstes RückstellungsG §1 Abs3; keine Berechtigung des Landes OÖ nach Erlassung des - rechtskräftigen - Rückstellungsbescheides einen Antrag auf Aufhebung gegenstandslos gewordener Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau aus dem Jahre 1939 zu stellen; Zurückweisung der Berufung rechtmäßig; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

1. Das bf. Land Oberösterreich ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob das beschwerdeführende Land Oberösterreich durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

2. Das Land Oberösterreich ist schuldig, der mitbeteiligten Partei Bund, zuhanden der Finanzprokuratur, die mit S 31.000,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Land Oberösterreich hat beim Landeshauptmann von Oberösterreich mit Schriftsatz vom 9.4.1981, Z Just 84/17 - Gf 1981, den Antrag gestellt, die Enteignungserkenntnisse I und II der Landeshauptmannschaft Oberdonau vom 21. Juni 1939, Z E/II-Zl.1240/5-1939, wodurch u.a. mehrere Liegenschaften, die im grundbücherlichen Eigentum des Landes Oberösterreich standen, zugunsten des Deutschen Reichsschatzes (Deutsche Reichsbahn) enteignet wurden, rückwirkend aufzuheben. Diese Enteignungen wurden in den genannten Enteignungserkenntnissen ausdrücklich zu dem Zweck verfügt, daß die "bezeichneten Grundflächen und Rechte zum Baue des (neuen) Personenbahnhofes in Linz notwendig sind." Der Antrag wurde mit dem offenkundigen Verzicht des Enteignungswerbers auf Errichtung des neuen Personenbahnhofes in Linz, sohin mit der Nichtverwirklichung des seinerzeitigen Enteignungszweckes im Hinblick auf die vom VfGH in VfSlg. 8980, 8981 und 8982/1980 angestellten rechtlichen Überlegungen begründet.

2. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat mit Bescheid vom 2. August 1984, ZVerkR-3113/24-1983-III/Weg, betreffend "Enteignung des Grundstückes Nr. 288, 287 und 278, jeweils EZ 47 der KG Waldegg, des Grundstückes Nr. 277, EZ 36, KG Waldegg und des Grundstückes Nr. 833/1, EZ 38, KG Leonding, durch die Landeshauptmannschaft Oberdonau zugunsten der Deutschen Reichsbahn; Antrag des Landes OÖ auf Behebung der Enteignung", dem Antrag teilweise stattgegeben. Laut Spruch des Bescheides wurden die "Enteignungserkenntnisse I und II ... gemäß §37 Abs3 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 im in obiger Präambel beschriebenen und in beiliegender Plankopie grün angezeichneten Umfang rückwirkend aufgehoben". Der Landeshauptmann stützte sich bei seiner Entscheidung auf §37 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 und ging davon aus, daß die Enteignung der angeführten Grundstücke, wie sich aus ihrem grundbücherlichen Schicksal ergebe (siehe I.7.), nie vollzogen worden sei. Er führt des weiteren aus, daß die bescheidmäßige Aufhebung der Enteignungserkenntnisse hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Grundstücke keine unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen habe, da ein Vollzug der Enteignung nicht mehr Platz greifen könne, die grundbücherliche Anmerkung der Enteignung jedoch noch zum Teil aufrecht sei und daher mit diesem Bescheid lediglich die Voraussetzung für die Löschung der Anmerkung der Enteignung im Grundbuch geschaffen werde.

3. Über die dagegen vom Bund (Österreichische Bundesbahnen) und von der Republik Österreich, beide vertreten durch die Finanzprokuratur, erhobenen Berufungen erließ der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr den Berufungsbescheid vom 27. Februar 1987, Z EB 213.605/35-II/2-1987, mit dem der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. August 1984, ZVerkR-3113/24-1983-III/Weg, behoben und der Antrag des Landes Oberösterreich vom 9. April 1981, als unzulässig zurückgewiesen wurde. Ihren Berufungsbescheid hat die bel. Beh. damit begründet, daß dem Land Oberösterreich die Antragsberechtigung und sohin die Parteistellung fehle, da diese nur dem im seinerzeitigen Enteignungsverfahren Enteigneten zukomme.

4. In seiner dagegen erhobenen Beschwerde behauptet das Land Oberösterreich, durch die beiden oben angeführten Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau vom 21. Juni 1939 als Eigentümer der in den Enteignungserkenntnissen genannten Grundstücke enteignet worden zu sein und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Berufungsbescheides des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 27. Februar 1987 wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und des Eigentums.

5.a) In ihrer Gegenschrift verteidigt die bel. Beh. ihren vor dem VfGH angefochtenen Berufungsbescheid neuerlich damit, daß das bf. Land Oberösterreich weder im seinerzeitigen Enteignungsverfahren Parteistellung besessen hätte noch "als unmittelbarer Rechtsnachfolger des Reichsgaues Oberdonau" berechtigt gewesen sei, einen Antrag auf Aufhebung der Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau zu stellen. Sie stellt daher den Antrag, die Beschwerde des Landes Oberösterreich als unbegründet abzuweisen.

b) Als mitbeteiligte Partei hat der Bund (Österreichische Bundesbahnen), - im Verfahren teilweise fälschlich als "Republik Österreich" bezeichnet -, eine Äußerung erstattet, in der er ebenfalls beantragt, die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen bzw. als unzulässig zurückzuweisen, und einen Aufwandersatz beansprucht.

6. Das Land Oberösterreich hat in einer weiteren Äußerung vom 7. März 1988 die in der Gegenschrift der bel. Beh. und in der Äußerung der mitbeteiligten Partei aufgestellten Behauptungen und Überlegungen bestritten.

7. Das Land Oberösterreich hat Unterlagen vorgelegt, aus denen sich folgende Entwicklung der grundbücherlichen Behandlung der vom gegenständlichen Verfahren betroffenen Grundstücke ergibt:

Die Grundstücke Nr. 288, 287 und 278 waren im Zeitpunkt des Enteignungserkenntnisses I vom 21. Juni 1939 in der EZ 47, KG Waldegg, eingetragen. Grundbücherlicher Eigentümer der EZ 47 war zu diesem Zeitpunkt das Land Oberösterreich. Unter der OZ 17 des A2-Blattes wurde aufgrund des Enteignungserkenntnisses I die Enteignung im Ausmaß der betroffenen Grundfläche der genannten Grundstücke angemerkt. Am 30.7./13.8.1940 haben die Deutsche Reichsbahn als Enteignungswerberin und der Reichsgau Oberdonau als Enteigneter eine Vereinbarung getroffen, aus deren §6 hervorgeht, daß Teilflächen unter anderem der Grundstücke Nr. 288, 287 und 278 enteignet wurden, daß jedoch die zu ihrer Verbücherung unentbehrlichen Teilungspläne nicht ausgefertigt werden könnten. Die Grundstücke sollten daher im Eigentum des Reichsgaues Oberdonau bleiben "mit der sich aus der Anmerkung der Enteignung ergebenden Einschränkung". Gleichzeitig verzichtete der Reichsgau Oberdonau darauf, die Aufhebung der Enteignung gemäß §37 Eisenbahnenteignungsgesetz 1878 zu begehren. Die enteigneten Grundstücksteile sind mangels der entsprechenden Unterlagen nicht in die EZ 673 (Eigentümer: Deutsches Reich, Reichseisenbahnvermögen) übertragen worden. Vielmehr blieb das Eigentum zunächst weiterhin für das Land Oberösterreich einverleibt und wurde in der Folge (unter Berufung auf die 1. Verordnung zur Durchführung des Ostmarkgesetzes v. 10.6.1939, RGBl. I, S. 995) ab 15.6.1944 (siehe dazu OZ 3 des B-Blattes, EZ 47) zu Gunsten des Reichsgaus Oberdonau eingetragen. Im Jahr 1948 wurde unter OZ 4 im B-Blatt der EZ 47 aufgrund des Verfassungs-Überleitungsgesetzes, StGBl. 4/1945, das Eigentum für das Land Oberösterreich wieder einverleibt. Die gesamte EZ 47 der KG Waldegg wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26.2.1953, Z246/1-IV b-VR-1952, gemäß §1 Abs1 des Ersten Rückstellungsgesetzes, BGBl. 156/1946, "aus dem Grunde der Nichtigkeit des seinerzeitigen Vermögensüberganges an das Land Oberösterreich als geschädigten Eigentümer" zurückgestellt. In den beiden folgenden Eintragungen vom 19. März 1960 wird die Einverleibung des Eigentumsrechtes für das Land Oberösterreich zunächst gemäß §130 Grundbuchsgesetz gelöscht und sodann das Eigentumsrecht des Landes Oberösterreich aufgrund des rechtskräftigen Rückstellungsbescheides der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26.2.1953, Z246/1-IV b-VR-1952, wieder einverleibt. Im Jahr 1972 sind die Grundstücke Nr. 288, 287 und 278 mit dem Grundstück Nr. 285 derselben EZ vereinigt worden, welche auch heute noch im grundbücherlichen Eigentum des Landes Oberösterreich steht. Die Anmerkung der Enteignung unter OZ 17 ist nicht gelöscht worden.

Das Grundstück Nr. 277 war im Jahr 1939 in der EZ 36, KG Waldegg, eingetragen, als deren Eigentümer das Land Oberösterreich aufschien. Unter OZ 18 findet sich die Anmerkung der Enteignung einer Teilfläche des Grundstückes, welches ebenfalls von der oben genannten Vereinbarung vom 30.7./13.8.1940 und deren §6 betroffen war. Die Enteignung wurde auch bezüglich dieses Grundstückes mangels Planunterlagen grundbücherlich nicht durchgeführt. Die grundbücherliche Rechtsentwicklung der EZ 36 verlief analog zu der zu EZ 47 geschilderten; insbesondere wurden auch die Liegenschaften der EZ 36, KG Waldegg, aufgrund des Ersten Rückstellungsgesetzes, BGBl. 156/1946, dem Land Oberösterreich als geschädigtem Eigentümer "aus dem Grunde der Nichtigkeit des seinerzeitigen Vermögensüberganges" zurückgestellt. Auch das Grundstück Nr. 277 war vom Rückstellungsbescheid betroffen und verblieb im Eigentum des Landes Oberösterreich. Die Anmerkung der Enteignung wurde auch in der EZ 36 nicht gelöscht. Das Grundstück ist heute infolge einer Vereinigung mit dem Grundstück Nr. 285 als Teil desselben in der EZ 47 ersichtlich, die EZ 36 wurde als gegenstandslos gelöscht.

Das Grundstück Nr. 833/1, KG Leonding, gehörte zum Gutsbestand der EZ 38, KG Waldegg. Teile dieses Grundstücks waren vom Enteignungserkenntnis II vom 21. Juni 1939 betroffen. Grundbücherlicher Eigentümer war zu diesem Zeitpunkt das Land Oberösterreich. In der Folge wurde mit 15. Juni 1944 auch in der EZ 38 das Eigentumsrecht für den Reichsgau Oberdonau aufgrund der

1. V zur Durchführung des Ostmarkgesetzes einverleibt und im Jahr 1948 aufgrund des Verfassungs-Überleitungsgesetzes, StGBl. 4/1945, das Eigentumsrecht für das Land Oberösterreich eingetragen. Im übrigen wurde auch die EZ 38 vom Rückstellungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26.2.1953 erfaßt, mag auch dessen grundbücherliche Durchführung bezüglich der EZ 38 unterblieben sein. Die Enteignung wurde unter OZ 68 angemerkt. Das Grundstück Nr. 833/1 war ebenfalls von §6 der erwähnten Vereinbarung zwischen der Deutschen Reichsbahn und dem Reichsgau Oberdonau betroffen. Im Jahr 1940 wurde unter OZ 70 der EZ 38, KG Waldegg, das Grundstück Nr. 833/1 der KG Leonding gelöscht und hiefür die Neuaufstellung des Grundstückes Nr. 1277 ersichtlich gemacht. Mit Kaufvertrag vom 29.11.1949 zwischen dem Land Oberösterreich und den Ehegatten A und M H wurde vom Grundstück Nr. 1277 eine Teilfläche veräußert, weshalb das Grundstück Nr. 1277 in 1277/1 und 1277/2 geteilt wurde. 1277/2 wurde von der EZ 38 abgeschrieben und hiefür die EZ 1503 eröffnet. Aus den vom bf. Land Oberösterreich vorgelegten Urkunden geht hervor, daß anläßlich dieses Kaufvertrages ein für das Deutsche Reich, Reichsbahnvermögen, bestellter Sachwalter im Einvernehmen mit der Bundesbahndirektion Linz ausdrücklich erklärte, daß die veräußerte Teilfläche "lastenfrei abgeschrieben werden kann, da diese Teilfläche von der gegenständlichen Enteignung nicht berührt wird". Die verbliebene Teilfläche 1277/1 wurde aufgrund eines Tauschvertrages zwischen dem Land Oberösterreich und der Stadtgemeinde Linz im Jahr 1961 aus der EZ 38 abgeschrieben und der EZ 446, KG Waldegg, zugeschrieben. Diese Veräußerung an die Stadt Linz sei, wie das Land Oberösterreich in seinem Schriftsatz vom 3.8.1988 darlegt, in Ausführung des Autobahnzubringers erfolgt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 9737/1983). Der VfGH hat daher zu prüfen, ob die bel. Beh. mit dem vom bf. Land Oberösterreich angefochtenen Berufungsbescheid den Antrag des Landes Oberösterreich vom 9. April 1981 auf Aufhebung bestimmter Enteignungen berechtigterweise als unzulässig zurückgewiesen oder durch die Zurückweisung des genannten Antrages zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hat (VfSlg. 11160/1986).

2. Der VfGH hat in diesem Verfahren hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Liegenschaften Nr. 288, 287 und 278 der EZ 47, KG Waldegg, der Liegenschaft Nr. 277 der EZ 36, KG Waldegg, und der Liegenschaft Nr. 833/1, KG Leonding, der EZ 38, KG Waldegg, nicht zu beurteilen, ob das bf. Land Oberösterreich einen Anspruch auf Aufhebung der Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau vom 21. Juni 1939, sei es aufgrund Art5 StGG (wie die bf. Partei meint), sei es aufgrund §37 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 (wie der Landeshauptmann von Oberösterreich als Behörde I. Instanz vermeint) besaß.

Der VfGH ist nämlich der Meinung, daß jedenfalls der Rückstellungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26.2.1953, der sich auf alle Liegenschaften der EZ 36, 38 und 47, KG Waldegg, sohin auch auf die beschwerdegegenständlichen Liegenschaften, bezog, die Nichtigkeit aller seinerzeit vom Deutschen Reich gesetzten Rechtshandlungen bewirkt, wenn sie "vorgenommen worden sind, um natürlichen oder juristischen Personen Vermögenschaften oder Vermögensrechte zu entziehen, die ihnen am 13. März 1938 zugestanden sind" (§1 des BG vom 15. Mai 1946 über die Nichtigerklärung von Rechtsgeschäften und sonstigen Rechtshandlungen, die während der deutschen Besetzung Österreichs erfolgt sind, BGBl. 106/1946, (Nichtigkeitsgesetz), in dessen Durchführung das Erste Rückstellungsgesetz, BGBl. 156/1946, erging; vgl. VfSlg. 2200/1951). Zwar ist der Rückstellungsbescheid damit begründet, daß dadurch die aufgrund der Ersten V zur Durchführung des Ostmarkgesetzes vom 10. Juni 1939, RGBl. I, S. 995, bei diesen Liegenschaften vorgenommene Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Reichsgau Oberdonau rückgängig gemacht werden soll. Mag aber die Begründung des Rückstellungsbescheides auch lediglich auf die Entziehung der genannten Grundstücke durch die Erste V zur Durchführung des Ostmarkgesetzes abstellen, so nimmt der VfGH schon mit Rücksicht auf §1 Abs3 des Ersten Rückstellungsgesetzes an, daß dadurch auch der Ausspruch der Enteignung, soweit diese durch die Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau für die in diesem Verfahren beschwerdegegenständlichen Liegenschaften verfügt (wenn auch nicht vollzogen) wurde, mit rückwirkender Kraft (VwSlg. 5946 A/1963; Klein, 1938-1968, Dreißig Jahre: Vermögensentziehung und Rückstellung, ÖJZ 1969, 90 f.) wirkungslos wurde. Bereits in VfSlg. 2200/1951 hat der VfGH ausgesprochen, daß sich alle Rückstellungsgesetze "nur als die im §2 des Nichtigkeitsgesetzes vom 15. Mai 1946, BGBl. Nr. 106, angekündigte Ausführung des im §1 dieses Gesetzes ausgesprochenen Grundsatzes dar(stellen), daß entgeltliche und unentgeltliche Rechtsgeschäfte und sonstige Rechtshandlungen während der deutschen Besetzung Österreichs null und nichtig sind, wenn sie im Zuge der durch das Deutsche Reich erfolgten politischen oder wirtschaftlichen Durchdringung vorgenommen worden sind, um natürlichen oder juristischen Personen Vermögenschaften oder Vermögensrechte zu entziehen, die ihnen am 13. März 1938 zugestanden sind".

Gerade weil es sich bei den von den Enteignungserkenntnissen betroffenen Grundstücken um ein vom Deutschen Reich durch verwaltungsbehördliche Verfügung mit der Absicht der Entziehung betroffenes Vermögen handelt, wurde durch den Rückstellungsbescheid auch der Ausspruch der Enteignung als "Rechtshandlung" im Sinne des §1 des Nichtigkeitsgesetzes, BGBl. 106/1946, gegenstandslos, sodaß die Enteignungserkenntnisse insoweit einer Vollziehung nicht mehr zugänglich sind, mag auch ein diesbezüglicher Ausspruch gem. §3 Abs3 des Ersten Rückstellungsgesetzes im Rückstellungsbescheid unterblieben sein. Angesichts der Rechtskraft des Rückstellungsbescheides vom 26.2.1953 hatte der VfGH auch nicht zu untersuchen, ob sich (- was das Land Oberösterreich in der mündlichen Verhandlung vom 29.9.1988 verneinte -) der Rückstellungsbescheid zu Recht auf die Vorschrift des §1 Abs1 des Ersten Rückstellungsgesetzes zu stützen vermochte.

Wenn die Enteignungserkenntnisse aber für die beschwerdegegenständlichen Liegenschaften auf Grund des Rückstellungsbescheides vom 26.2.1953 gegenstandslos sind und nicht mehr vollzogen werden können, ist das Land Oberösterreich jedenfalls seit Erlassung dieses rechtskräftigen Bescheides nicht länger berechtigt, einen Antrag auf Aufhebung der - diesbezüglich ohnedies bereits wirkungslosen - Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau vom 21. Juni 1939 zu stellen. Der angefochtene Bescheid hat sohin den Antrag des Landes Oberösterreich insoweit - wenn auch mit anderer Begründung - zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Das Land Oberösterreich wurde mithin durch die Verweigerung einer Sachentscheidung über seinen Antrag durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

3. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die Zurückweisung tragenden Rechtsvorschriften ist es damit auch ausgeschlossen, daß das bf. Land Oberösterreich durch den angefochtenen Bescheid in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre (vgl. z.B. VfSlg. 10374/1985), oder daß es in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953.

Schlagworte

Enteignung, Bescheid Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B343.1987

Dokumentnummer

JFT_10119071_87B00343_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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