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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §49 Abs3 Z11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse in Linz gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 27. Juni 1989, Zl. SV-535/4-1988, betreffend beitragsfreie Zuwendung gemäß § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG (mitbeteiligte Partei: Franz F), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 15. Juni 1988 sprach die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse aus, daß der Mitbeteiligte als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gemäß § 58 Abs. 2 ASVG verpflichtet sei, für die Versicherte Eva E. für den Beitragszeitraum Mai 1988 allgemeine Beiträge in der Höhe von S 3.600,-- zu entrichten.
Nach der Begründung habe der Mitbeteiligte der Versicherten im angeführten Beitragszeitraum eine einmalige Zuwendung in der Höhe von brutto S 10.000,-- aus Anlaß der Gründung eines eigenen Wohnsitzes gewährt. Da diese Zuwendung nicht unter die beitragsbefreienden Bestimmungen in der Sozialversicherung (§ 49 Abs. 3 Z. 1 bis 25 ASVG) subsumiert werden könne, handle es sich um beitragspflichtiges Entgelt gemäß § 49 Abs. 1 ASVG. Dafür seien allgemeine Beiträge zu entrichten.
Der Mitbeteiligte erhob Einspruch.
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Mitbeteiligte nicht verpflichtet sei, die gemäß § 58 Abs. 2 ASVG vorgeschriebenen Beiträge in der Höhe von S 3.600,-- zu bezahlen.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf den Einspruch des Mitbeteiligten, in dem dieser im wesentlichen vorgebracht habe, seiner Angestellten Eva E., die bisher auf dem landwirtschaftlichen Anwesen ihrer Eltern ein Zimmer innegehabt habe, aus Anlaß der Begründung des ersten eigenen Wohnsitzes eine einmalige Zuwendung von brutto S 10.000,-- gewährt zu haben, weil ihm dies sozial angebracht erschienen sei. Seiner Ansicht nach sei die gegenständliche Zuwendung den im § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG beispielsweise genannten Zuwendungen gleichzuhalten. So sei etwa auch eine "Heiratsbeihilfe" beitragsfrei. Der Befreiung dieser Zuwendung von Sozialversicherungsbeiträgen könne nur die Absicht zugrundeliegen, den bei einer Eheschließung zwangsläufigen erheblichen Aufwand der Hausstandsgründung zu erleichtern. Die Gründung des ersten eigenen Wohnsitzes - ob nun einzeln oder zu zweit - sei nach allgemeiner Lebensauffassung, von der mit Recht angenommen werden dürfe, daß sie dem Gesetz zugrundeliege, jedenfalls auch ein besonderer Anlaß.
Die belangte Behörde verwies ferner auf die Stellungnahmen der Beschwerdeführerin vom 8. August und 11. Oktober 1988, in denen diese unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 1960, Zl. 386/58, die Ansicht vertreten habe, daß die Gewährung eines Zuschusses für die Anschaffung einer Wohnung kein besonderer Anlaß im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG sei. Die auslösende Ursache für die Zuwendung sei nicht ein "Ereignis", das sich in der persönlichen oder familiären Sphäre des Dienstnehmers abspiele.
In Erwiderung dieses Vorbringens vertrat die belangte Behörde unter Zitierung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1985, Zl. 84/08/0211, die Auffassung, daß Zuwendungen im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG dann beitragsfrei seien, wenn die Zuwendung einmalig und aus einem die persönliche oder familiäre Sphäre des Dienstnehmers selbst betreffenden Anlaß gewährt würde. Im Beschwerdefall sei dabei nach dem tatsächlichen Ablauf die Einmaligkeit der Leistung als gegeben anzunehmen. Offenkundig sei auch, daß die Zuwendung vom Dienstgeber freiwillig gewährt worden sei. Die einmalige Anschaffung einer Wohnung liege auch zweifelsfrei in der persönlichen Sphäre des Dienstnehmers und sei ein Ereignis, durch das diesem erhöhte finanzielle Aufwendungen im Vergleich zu anderen Dienstnehmern erwüchsen. Auf Grund dieser Sach- und Rechtslage sei dem Einspruch Folge zu geben gewesen.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vertritt die Beschwerdeführerin im wesentlichen unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 1960, Zl. 386/58, VwSlg. 5200/A, die Auffassung, daß die Begründung eines Wohnsitzes nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG zu subsumieren sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in diesem Erkenntnis zum Ausdruck gebracht, daß die Bezeichnung der beispielsweise angeführten Zuwendungen als "Beihilfen" bzw. "Aushilfen" erkennen lasse, daß der Gesetzgeber unter "soziale Zuwendungen" Leistungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer verstanden wissen wollte, die ihren Grund in der dem Dienstgeber aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber der Treuepflicht des Dienstnehmers obliegenden Fürsorgepflicht haben. Allen in der bezogenen gesetzlichen Vorschrift angeführten Beispielsfällen von "sozialen Zuwendungen" des Dienstgebers liege als auslösende Ursache für die Zuwendung ein sich in der persönlichen oder familiären Sphäre des Dienstnehmers abspielendes Ereignis zugrunde, durch das dem Dienstnehmer erhöhte finanzielle Aufwendungen im Vergleich zu anderen Dienstnehmern erwachsen oder durch Verdienstentgang oder eine Schmälerung des Verdienstes infolge Krankheit ein Ausfall oder eine Schmälerung des Einkommens eintritt. Aus diesen Erwägungen ergebe sich, daß als "soziale Zuwendungen" im Sinne der Vorschrift des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG nur solche Zuwendungen des Dienstgebers an seine Dienstnehmer gewertet werden können, die in einem durch Ereignisse in der persönlichen Sphäre des Dienstnehmers hervorgerufenen Notstand oder in einer durch ein solches Ereignis geschwächten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben. Im Beschwerdefall sei die auslösende Ursache für die Zuwendung jedoch nicht ein Ereignis gewesen, das sich in der persönlichen oder familiären Sphäre des Dienstnehmers abspiele. Ein "besonderer Anlaß" im Sinne des Gesetzes sei die Heirat, die Geburt, das Studium oder die Krankheit. Der Kauf einer Wohnung sei nach Auffassung der Beschwerdeführerin jedoch kein solcher Anlaßfall, anderenfalls wäre auch die Beihilfe für den notwendigen Kauf eines Autos bei Antritt des Berufes unter die sozialen Zuwendungen zu subsumieren. Jeder der im Gesetz genannten Anlaßfälle könne auch nur eine physische Person treffen. Der Kauf einer Wohnung könnte hingegen auch von einer juristischen Person erfolgen. Die Begründung eines Wohnsitzes sei auch deshalb kein "besonderer Anlaß", da dies jedermann treffen könne. Im Erkenntnis vom 18. Mai 1966, Zl. 352/66, habe der Verwaltungsgerichtshof auch zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei der Vorschrift des § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG um eine Ausnahmeregelung handle, weshalb kein Anlaß bestehe, diese Bestimmung extensiv auszulegen. Wollte man der Auffassung der belangten Behörde folgen, daß es sich bei der Zuwendung für die Begründung einer Wohnung doch um eine soziale Zuwendung im Sinne des Gesetzes handle, dann hätte auch erhoben werden müssen, ob der Wohnungskauf zu einem Notstand oder zu einer geschwächten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Dienstnehmers geführt habe.
2.2. § 49 Abs. 1 ASVG bestimmt:
"§ 49 (1) Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält."
§ 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG hat folgenden Inhalt:
"(3) Als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 gelten nicht:
11. freiwillige soziale Zuwendungen des Dienstgebers an alle Dienstnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Dienstnehmer oder an den Betriebsratsfonds sowie einmalige soziale Zuwendungen des Dienstgebers, die individuell bezeichneten Dienstnehmern aus einem besonderen Anlaß gewährt werden, wie z. B. Geburtsbeihilfen, Heiratsbeihilfen, Ausbildungs- und Studienbeihilfen, Krankenstandsaushilfen;"
2.3. Als soziale Zuwendungen im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 11 vierter Fall ASVG können - worauf die Beschwerdeführerin zutreffend verweist - nur solche Zuwendungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer gewertet werden, die ihren Grund in der dem Dienstgeber aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber der Treuepflicht des Dienstnehmers obliegenden Fürsorgepflicht haben. Allen beispielsweise angeführten Fällen von "sozialen Zuwendungen" des Dienstgebers liegt als auslösende Ursache für die Zuwendung ein Ereignis in der persönlichen oder familiären Sphäre des Dienstnehmers zugrunde, durch das dem Dienstnehmer erhöhte finanzielle Aufwendungen im Vergleich zu anderen Dienstnehmern erwachsen oder durch Verdienstentgang oder eine Schmälerung des Verdienstes infolge Krankheit ein Ausfall oder eine Schmälerung des Einkommens eintritt. Als "soziale Zuwendungen" im Sinne der genannten Vorschrift können daher nur solche Zuwendungen des Dienstgebers an seine Dienstnehmer gewertet werden, die ihren Grund in einem durch Ereignisse in der persönlichen oder familiären Sphäre des Dienstnehmers hervorgerufenen Notstand oder in einer durch ein solches Ereignis geschwächten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben (vgl. das bereits mehrmals genannte Erkenntnis vom 10. Februar 1960, Zl. 386/58, VwSlg. 5200/A).
Auf dem Boden dieser Rechtsprechung kann der Beschwerdeführerin aber nicht gefolgt werden, wenn sie im Beschwerdesachverhalt - im Gegensatz zu den im Gesetz beispielsweise angeführten Fällen von Geburt, Heirat, Ausbildung, Studium oder Krankheit - nicht ein in der persönlichen Sphäre des Dienstnehmers gelegenes Ereignis sieht. Daß nur ein solches Ereignis - und nicht der Kauf einer Wohnung, wie die Beschwerdeführerin vorbringt - der Zuwendung durch den Mitbeteiligten zugrundelag, ergibt sich eindeutig aus den in den Verwaltungsakten erliegenden Schriftsätzen (vgl. etwa die Anfrage des Mitbeteiligten vom 20. April 1988 und seinen Einspruch vom 13. Juli 1988). Damit geht der Einwand der Beschwerdeführerin, auch eine juristische Person könne eine Wohnung erwerben, ins Leere. Der Zweck der in § 49 Abs. 3 Z. 11 ASVG beispielsweise angeführten Heiratsbeihilfe, der in dem mit einer Eheschließung wohl zwangsläufig verbundenen Mehrkosten einer Hausstandsgründung besteht - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend verweist -, legt es nahe, auch die einem Alleinstehenden anläßlich der erstmaligen Gründung eins eigenen Hausstandes gewährte Beihilfe unter die genannte Bestimmung zu subsumieren. Wenn die belangte Behörde auf Grund einer solchen Hausstandsgründung von einer geschwächten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Dienstnehmerin ausging, so kann auch dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen gehen somit ins Leere.
2.4. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Beitragspflicht für die der Dienstnehmerin des Mitbeteiligten gewährten Zuwendung verneint, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 1991/104, die mit ihrem Art. III Abs. 2 zur Anwendung kam.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989080196.X00Im RIS seit
14.05.1991Zuletzt aktualisiert am
23.04.2009