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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des N um Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 6. August 1990, Zl. 4/26/11-BK/R-1990, betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerveranlagungsverfahrens 1983 und Neufestsetzung dieser Steuer, Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1984 sowie Festsetzung der Einkommen- und Gewerbesteuer 1984, 1985 und 1986, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Die Beschwerde des Antragstellers hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 29. Jänner 1991, 91/14/0015-3, zugestellt am 30. März 1991, als verspätet zurückgewiesen, weil die sechswöchige Beschwerdefrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe am 28. November 1990 zu laufen begonnen und daher mit Ablauf des 9. Jänner 1991 geendet hatte, während die Beschwerde durch den bestellten Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe, der gleichzeitig Masseverwalter ist, erst am 15. Jänner 1991 zur Post gegeben worden war.
Der Beschwerdeführer begehrt durch den Masseverwalter und Verfahrenshelfer in der erwähnten Beschwerdesache in seinem am 3. April 1991 zur Post gegebenen Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist mit folgender Begründung:
"In der Kanzlei des Verfahrenshelfers wird der tägliche Posteingang von der seit 17.5.1982 beschäftigten und nunmehrigen Kanzleileiterin erledigt und die Fristen vorgemerkt. Sie hat seit Beginn ihrer Tätigkeit ständig die Aufgabe gehabt, die Fristen vorzumerken und sind ihr auch sämtliche Rechtsmittelfristen bekannt, auch diejenigen für die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und auch, daß bei einer Umbestellung die Frist nicht neu zu laufen beginnt; letzteres auch aufgrund der Tatsache, daß in der Kanzlei des Verfahrenshelfers unzählige Verwaltungsgerichtshofbeschwerden für den bekannten A einzubringenden Verwaltungs- und auch Verfassungsgerichtshofbeschwerden als Verfahrenshelfer, ebenfalls auch nach Umbestellung.
Die vorgenommenen Fristvormerkungen von der Kanzleileiterin, Z, wurden in den ersten Jahren ständig überprüft und aufgrund ihrer Zuverlässigkeit - es wurde nie eine falsche Frist eingetragen - in den letzten beiden Jahren eine stichprobenartige Überprüfung vorgenommen. Auch dabei hat es nie eine Falscheintragung gegeben.
Die, vorliegende erstmalige Falscheintragung einer Frist stellt daher einen minderen Grad des Versehens des Verfahrenshelfers dar."
Der Antragsteller legte eidesstättige Erklärungen seines Vertreters und dessen erwähnter Kanzleileiterin vor, in denen das Antragsvorbringen bestätigt wurde.
Die zweiwöchige Frist des § 46 Abs. 3 VwGG für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beginnt bereits zu laufen, wenn dem Beschwerdeführer oder seinem Vertreter bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte auffallen müssen, daß die Beschwerdefrist bereits abgelaufen ist (Verwaltungsgerichtshof 22. Jänner 1986, 85/11/0304, VwSlg. 11999 A/1986,
13. Dezember 1989, 89/02/0099, 0163). Da es sich bei der erwähnten Frist um eine relative Frist handelt, muß der Antragsteller die Tatsachen behaupten, aus denen sich die Einhaltung der Frist für die Erhebung des Wiedereinsetzungsantrages entnehmen lassen. Einem Wiedereinsetzungsantrag, der keine Angaben darüber enthält, wann das Hindernis für die Einhaltung der Frist weggefallen ist, fehlt der Charakter eines dem Gesetz entsprechenden Wiedereinsetzungsantrages. Es handelt sich bei diesem Mangel um ein nicht verbesserungsfähiges inhaltliches Gebrechen (Verwaltungsgerichtshof 8. Juli 1980, 1563/1980, VwSlg. 10205 A/1980, 28. Juni 1982, 82/10/0066, 0067, VwSlg. 10771 A/1982, 13. Dezember 1989, 89/02/0099, 0163, 21. September 1990, 90/17/0323-0326).
Im vorliegenden Antrag fehlen Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages. Die Angabe des Tages der Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofes geben keinen Anhaltspunkt dafür, wann dem Vertreter des Beschwerdeführers bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte auffallen müssen, daß die Beschwerdefrist bereits abgelaufen war. Da es bei der Abfassung jedes fristgebundenen Schriftsatzes zu den selbstverständlichen Pflichten seines Verfassers gehört, die Rechtzeitigkeit zu überprüfen und dies vor allem anhand der aktenmäßigen Unterlagen zu geschehen hat, ist es auch im vorliegenden Fall durchaus naheliegend, daß dem Vertreter des Beschwerdeführers bereits spätestens bei Unterfertigung der mit 14. Jänner 1991 datierten Beschwerde hätte auffallen müssen, daß die Fristberechnung auf Seite 2 der Beschwerde fälschlich vom Zeitpunkt der Zustellung der Umbestellung berechnet ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher auch etwa in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 1989, 89/02/0099, 0163, berücksichtigt, daß dem Rechtsanwalt bereits bei Unterfertigung der Beschwerde hätte auffallen müssen, daß die Fristenvormerkung seines Angestellten unrichtig ist.
Dem Wiedereinsetzungsantrag kann daher schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil er keine Angaben enthält, aus denen sich seine rechtzeitige Erhebung entnehmen läßt.
Abgesehen davon, ist auch dem oben zitierten Vorbringen im Antrag ein Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht zu entnehmen:
Dem Hinweis im Vorbringen auf die Kenntnisse der Kanzleileiterin in Fristenangelegenheiten und zwar auch in Fällen der Umbestellung von Rechtsanwälten zur Verfahrenshilfe und der Schilderung ihrer Aufgabe zur Fristenvormerkung ist zu entnehmen, daß dieser Kanzleileiterin vom Rechtsanwalt nicht nur die Eintragung im Fristenbuch entsprechend der im Einzelfall gegebenen Weisung des Rechtsanwaltes überlassen worden war, sondern die Berechnung der Frist selbst anhand der der Kanzleileiterin bekannten Regeln. Der Rechtsanwalt beschränkte sich laut dem Vorbringen in den letzten beiden Jahren auf stichprobenweise Überprüfungen dieser Tätigkeit der Kanzleileiterin.
Damit kam er seiner Organisations- und Überwachungspflicht in Fristenfragen nicht nach und verursachte solcherart die eingetretene Säumnis nicht nur durch einen minderen Grad des Versehens.
Der Rechtsanwalt darf nämlich die Festsetzung von Fristen nicht völlig der Kanzleileiterin überlassen und sich lediglich auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich, denn er selbst hat die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks, betraut worden ist und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte (vgl. etwa Verwaltungsgerichtshof 24. November 1986, 86/10/0169-0171, 27. Juli 1987, 86/10/0114, 27. September 1989, 89/02/0132, 26. September 1990, 90/10/0062). Die bloß stichprobenartige Überprüfung der Eintragungen ist nicht ausreichend (vgl. Verwaltungsgerichtshof 30. September 1986, 86/04/0072, 19. September 1990, 89/03/0213, 26. September 1990, 90/10/0062). Es muß nämlich durch entsprechende Kontrollen vorgesorgt werden, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. Verwaltungsgerichtshof 11. Juni 1986, 86/11/0050, 0051, 23. Juni 1989, 89/17/0085). Kommt der Rechtsanwalt einer solchen Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. Verwaltungsgerichtshof 11. Juni 1986, 86/11/0050, 0051, 15. September 1987, 87/04/0151, 0152). Ein Rechtsanwalt verstößt auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft ihn in einem solchen Fall nur dann nicht, wenn dargetan wird, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des entsprechenden Kanzleiangestellten beruht (vgl. Verwaltungsgerichtshof 22. Jänner 1987, 86/16/0194, 15. Dezember 1988, 88/08/0270, 0271). Die Grundsätze über die gebotene Sorgfaltspflicht des Rechtsanwaltes gelten nicht nur für einen von den Parteien bevollmächtigten, sondern auch für einen für die Partei zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt (vgl. Verwaltungsgerichtshof 15. Dezember 1988, 88/08/0278).
Da im vorliegenden Antrag nicht einmal behauptet wird, daß über die - wie erwähnt - nicht ausreichenden Stichprobenkontrollen hinaus ein Kontrollsystem vorgesehen worden sei, das im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet gewesen wäre, steht das dem Vertreter des Antragstellers anzulastende Verschulden an der Fristversäumung, das dem Antragsteller zuzurechnen ist, der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wege, weil es sich bei diesem Verschulden nicht um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Dem Antrag konnte daher nicht stattgegeben werden.
Es bedurfte sohin auch keiner Veranlassung der Behebung des Formgebrechens des Antrages, das darin besteht, daß dieser entgegen § 24 Abs. 1 VwGG nur einfach eingebracht wurde.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991140061.X00Im RIS seit
14.05.1991Zuletzt aktualisiert am
01.04.2010