TE Vfgh Erkenntnis 1988/10/1 B1058/87, B1060/87

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Veröffentlicht am 01.10.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG, VerfGG §82 Abs1; entgegen der Behauptung in der Beschwerde keine gesonderte Erledigung der bel. Beh. über eine im Zusammenhang mit der Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters für den Bf. stehende Behandlung der an den Bf.gerichteten Postsendungen - Unzulässigkeit wegen Fehlen des Beschwerdegegenstandes Rechtsverletzung im Anlaßfall nach Aufhebung der Wendung "und d" im §43 Abs1 der Geschäftsordnung für die Rechtsanwaltskammer Wien wegen Anwendung einer gesetzwidrigen V - Anwendung dieser V offenkundig nachteilig

Spruch

I. Die Beschwerde wird insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen die "Postumleitung" richtet. Der Antrag auf Beschwerdeabtretung an den VwGH wird in diesem Umfang abgewiesen.

II. Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Über den Bf., einen damaligen Rechtsanwalt, wurde mit Disziplinarerkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 8. Juli 1985 - in Handhabung des §12 Abs1 litd des Disziplinarstatutes (DSt) - die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste verhängt. Die gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhobene VfGH-Beschwerde, der aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, wurde mit Erk. VfSlg. 11280/1987 abgewiesen. Nach der Fällung dieses Erkenntnisses beschloß der Kammerausschuß der (damaligen) Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland am 1. September 1987, für den Bf. (neuerlich, nachdem nämlich eine gleiche Maßnahme im Hinblick auf die Zuerkennung aufschiebender Wirkung wieder aufgehoben worden war) einen mittlerweiligen Stellvertreter zu bestellen. Dieser Beschluß wurde mit einem - auch an das "Hauptpostamt Wien" ergangenen - Schreiben vom selben Tag unter der Geschäftszahl 2187/85 ausgefertigt, welches in seinem materiellen Teil folgendermaßen lautet:

"Infolge Abweisung der von Ihnen gegen das gegen Sie ergangene Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 8. 7. 1985, Bkd 128/84, erhobenen Beschwerde an den VfGH (Erkenntnis vom 7. 3. 1987, B626/85-13) wird das oa. Erkenntnis, womit über Sie gemäß §12 (1) litd) DSt. die Strafe der Streichung von der Liste ausgesprochen worden ist, neuerlich in Vollzug gesetzt und Dr. H L, Rechtsanwalt in ... Wien, ..., wieder zum mittlerweiligen Stellvertreter bestellt.

Sie werden angewiesen, dem mittlerweiligen Stellvertreter Ihre Kanzleigeschäfte zu übertragen."

2. Der Bf. wendet sich einerseits gegen die Bestellung des mittlerweiligen Stellvertreters und andererseits gegen einen weiteren, ihm - nach den Beschwerdebehauptungen - zugestellten "Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ u. Bgld. ebenfalls zu GZ 2187/85 vom 1.9.1987, in welchem der gesamte Postbriefverkehr an den Bf. beschlagnahmt und der Postdirektion Wien aufgetragen worden ist, die gesamte Post an den von der bel. Beh. eingesetzten mittlerweiligen Stellvertreter, RA Dr. H L, 'umzuleiten'".

II. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Wendung "und d" im Abs1 des §43 der Geschäftsordnung ein. Mit dem heute gefällten Erk. V30, 31/88, auf dessen Entscheidungsgründe (in denen auch der Wortlaut des §43 wiedergegeben ist) hingewiesen wird, stellte der VfGH das Prüfungsverfahren insoweit ein, als es aus Anlaß der Beschwerde gegen die "Postumleitung" eingeleitet worden war; im übrigen entschied der VfGH in der Sache und hob die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle als gesetzwidrig auf.

III. 1. In den bereits verwiesenen Entscheidungsgründen ist dargelegt, weshalb die vorliegende Beschwerde, soweit sie sich gegen die "Postumleitung" richtet, mangels eines zur Bekämpfung geeigneten Substrats nicht zulässig ist. Sie war daher in diesem Umfang zurückzuweisen, entsprechend auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Beschwerdeabtretung an den VwGH abzuweisen, weil die Voraussetzungen des Art144 Abs3 B-VG nicht vorliegen.

2. Soweit sich die Beschwerde gegen den Bescheid des Ausschusses der (nunmehrigen - vgl. ArtI §3 des BG BGBl. 524/1987) Rechtsanwaltskammer Wien richtet, ist ihr hingegen stattzugeben. Es ist nämlich offenkundig, daß die Anwendung der gesetzwidrigen Verordnungsstelle durch den belangten Kammerausschuß für die Rechtsstellung des Bf. nachteilig war. Der angefochtene Bescheid verletzte den Bf. sohin in seinen Rechten und war daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 1.000 S auf die Umsatzsteuer.

IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs3 Z1 lita bzw. Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B1058.1987

Dokumentnummer

JFT_10118999_87B01058_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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