TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/14 84/05/0216

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Veröffentlicht am 14.05.1991
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Index

L82000 Bauordnung;
L85003 Straßen Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §56;
BauRallg;
LStG NÖ 1979 §6 Abs1;
LStG NÖ 1979 §6 Abs3;
LStG NÖ 1979 §6 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der A reg. Genossenschaft mit beschränkter Haftung gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. September 1982, Zl. II/2-V-8179/1, betreffend Einwendungen gegen eine straßenrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. Oktober 1981 wurde dieser unter Berufung auf § 6 Abs. 7 des NÖ. Landesstraßengesetzes, LGBl. 8500-0, auf Grund des Ergebnisses einer am 28. Jänner 1981 durchgeführten Verhandlung die Bewilligung "zur Errichtung der Gemeindestraße in M, bei Hauptstraße 45, auf der Parzelle Nr. 321/2, EZ. 176 der KG. M" erteilt.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin, einer Anrainerin dieser Straße, wurde mit Bescheid der NÖ. Landesregierung vom 30. September 1982 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ. Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Den Ausführungen in der Vorstellung der Beschwerdeführerin entgegnete die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides, daß die Beschwerdeführerin die Rechtslage verkenne, wenn sie der Meinung sei, daß das Eigentum an jenen Grundstücken, die für die Errichtung einer Gemeindestraße benötigt werden, Voraussetzung für die Erteilung der straßenrechtlichen Baubewilligung sei. Rechtsgrundlage für die Durchführung eines Enteignungsverfahrens sei in fast allen gleichgelagerten Fällen entweder ein rechtskräftiger Baubewilligungsbescheid oder eine Verordnung (siehe z.B. § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971). Erst wenn auf Grund der Bestimmungen des Landesstraßengesetzes ein rechtskräftiger Baubewilligungsbescheid vorliege, könne das Enteignungsverfahren durchgeführt werden. Der Baubewilligungsbescheid bilde demnach die rechtliche Grundlage für eine spätere Enteignung. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, durch die in Rede stehende Straße trete eine Beeinträchtigung der Wohnqualität ein, finde im NÖ. Landesstraßengesetz keine Deckung. Zu den geltend gemachten Verfahrensmängeln sei zu bemerken, es gehe aus der über die erwähnte Verhandlung aufgenommenen Niederschrift unwidersprochen hervor, daß die gegenständliche Straße im genehmigten, rechtsgültigen Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche ausgewiesen sei. Die vom Gesetz geforderten planlichen Unterlagen seien der Verhandlung zugrunde gelegen und dies sei auch unwidersprochen festgehalten worden. Es sei weiters festgestellt worden, daß die erwähnte Straße zur Aufschließung des Baulandes und Betriebsgebietes notwendig sei. Die Möglichkeit einer allfälligen anderen Trassierung sei auch von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht worden. Auf Grund dieser Feststellungen sei den Vorschriften des Gesetzes entsprochen, während den Einwendungen der Anrainer die gesetzliche Grundlage fehle.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 20. September 1984, Zlen. B 608/82-9 und V 102/82-9, wurde u.a. die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 des NÖ. Landesstraßengesetzes, LGBl. 8500-0, in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle 1984, LGBl. Nr. 8500-1 (LStG), hat die Landesregierung (im Falle einer Gemeindestraße zufolge Abs. 7 dieser Gesetzesstelle der Gemeinderat) vor Inangriffnahme der Bauarbeiten für die Neuanlage, Umgestaltung oder Umlegung einer Landeshaupt- oder Landesstraße eine örtliche Verhandlung und Begehung der Trasse zum Zwecke der Begutachtung des Bauvorhabens vom Standpunkt der durch den Bauentwurf berührten Interessen durchzuführen. Hiebei ist insbesondere auch darauf Bedacht zu nehmen, daß sich die geplante Straße unter Schonung bestehender Natur- und Kunstdenkmale dem Landschaftsbild anpaßt und dem Verkehr, einschließlich eines allfälligen besonderen landwirtschaftlichen Verkehrsbedürfnisses gerecht wird. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind zu der Amtshandlung außer den Entwurfsvertretern die Durchzugsgemeinden, die sonstigen beteiligten Behörden und Amtsstellen sowie alle bekannten Anrainer und sonstigen Beteiligten nachweislich zu laden. Privatrechtliche Einwendungen gegen den Bauentwurf, über die eine Einigung nicht erzielt worden ist, sind zur Austragung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Nach Abs. 5 ist nach Maßgabe des Ergebnisses der Begehung und Verhandlung ein Baubewilligungsbescheid zu erlassen, in dem die Bedingungen festzusetzen sind, die bei der Durchführung des Bauentwurfes vom Standpunkt der öffentlichen und der als begründet erkannten Interessen der Beteiligten zu erfüllen sind.

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß die Anrainer legitimiert sind, im straßenbaurechtlichen Bewilligungsverfahren ihre Interessen zu wahren, auch wenn diese in ihrer Art gesetzlich nicht determiniert sind. Es ist lediglich klargestellt, daß privatrechtliche Einwendungen gegen den Bauentwurf mangels Einigung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sind. Dies bedeutet, daß öffentlich-rechtliche Einwendungen der Anrainer, zu denen zweifellos solche der Gesundheit und Vermeidung von Immissionen gehören, bei der Entscheidung über die straßenrechtliche Baubewilligung zu berücksichtigen sind (vgl. das zu der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage ergangene hg. Erkenntnis vom 20. März 1990, Zl. 85/05/0153).

Obwohl die Beschwerdeführerin als Anrainer bei der im Gegenstande auf Gemeindeebene stattgefundenen Verhandlung vorgebracht hat, daß "die Benützung der Straße durch Lkw's zu einer unzumutbaren und über das ortsübliche Maß hinausgehenden Lärm- und Geruchsbelästigung der Anrainer führen würde", wurde darauf weder bei der Verhandlung noch in dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bescheid des Gemeinderates eingegangen. Auch die belangte Behörde hat diese Einwendungen der Beschwerdeführerin in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht behandelt, sondern sogar die - entsprechend den eben dargelegten Erwägungen des Gerichtshofes unrichtige - Rechtsauffassung vertreten, daß "den Einwendungen der Anrainer die gesetzliche Grundlage fehlt".

Diese Unterlassung hat die Beschwerdeführerin mit Recht gerügt, wobei es sich dabei um einen von der belangten Behörde zu vertretenden, auf einem Rechtsirrtum beruhenden und im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlichen Verfahrensmangel handelt, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde zu einer anderslautenden Entscheidung gekommen wäre, wenn sie auf die geschilderten Einwendungen der Beschwerdeführerin eingegangen wäre und allenfalls die in Betracht kommenden - gegenteiligen - Interessen gegeneinander abgewogen hätte. Trotz des von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides hervorgehobenen Umstandes, daß die Beschwerdeführerin "die Möglichkeit einer allfälligen anderen Trassierung nicht vorgebracht" habe, wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, entweder selbst eine diesem Thema gewidmete Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durchzuführen und zum Gegenstand einer Entscheidung zu machen oder der Vorstellung der Beschwerdeführerin Folge zu geben und dem Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde in einem aufhebenden Bescheid einen diesbezüglichen Auftrag zu erteilen. An dieser Verpflichtung vermag auch der in der Begründung des angefochtenen Bescheides gegebene Hinweis nichts zu ändern, daß die in Rede stehende Straße im Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche ausgewiesen ist, weil dem NÖ. Landesstraßengesetz nicht entnommen werden kann, daß eine Bedachtnahme auf die durch den Bauentwurf berührten Interessen im Bewilligungsverfahren nach § 6 leg. cit. unter solchen Umständen zu entfallen habe.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne noch darauf eingehen zu müssen, ob die Beschwerdeführerin auch dadurch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden ist, daß die Landesregierung nach der Aktenlage entgegen der Vorschrift des § 6 Abs. 7 des NÖ. Landesstraßengesetzes vor Ausschreibung der Verhandlung über das Bauvorhaben nicht gutachtlich gehört worden ist.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz gemäß §§ 47 ff. VwGG an die Beschwerdeführerin hatte in Ermangelung eines diesbezüglichen Antrages (vgl. § 59 Abs. 1 leg. cit.) zu entfallen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1984050216.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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