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80/02 Forstrecht;Norm
ForstG 1975 §17;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 15. Oktober 1990, Zl. 3-F-260/11/1990, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde XY, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Eingabe vom 2. Dezember 1988 stellte die mitbeteiligte Partei den Antrag, ihr eine Rodungsbewilligung für eine Teilfläche des Waldgrundstückes Nr. 421/1, KG. X, im Ausmaß von
11.998 m2 zu erteilen. Diese Fläche sei im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Gewerbe- und Industriegebiet ausgewiesen; es sei beabsichtigt, sie nach Erschließung an Bauwerber für die Errichtung von Gewerbebetrieben zu verkaufen.
Hierüber fanden am 14. März 1989 und am 18. September 1990 mündliche Verhandlungen an Ort und Stelle statt, wobei der jeweils beigezogene forstfachliche Amtssachverständige ein Gutachten erstattete.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 1990 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei gemäß § 17 ff des Forstgesetzes 1975 in der Fassung der Forstgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 576, (im folgenden: FG) unter 14 Nebenbestimmungen die beantragte Bewilligung, und zwar ausschließlich zum Zweck der Ansiedlung von Klein- und Mittelbetrieben.
Begründet wurde diese Entscheidung wie folgt: Die geplante Rodung diene der Ansiedlung von Klein- und Mittelbetrieben. Die zur Rodung beantragte Fläche sei im Flächenwidmungsplan für die Gemeinde XY als Gewerbe- und Industriegebiet ausgewiesen. Da im Gemeindegebiet von XY vorwiegend fremdenverkehrsmäßige Einrichtungen vorhanden seien, habe sich die Gemeinde bereits vor Jahren entschlossen, ein Gewerbe- und Industriegebiet auszuweisen, um anderweitige Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Um den Ortskern von Belästigungen freizuhalten, sei hiezu ein abseits gelegenes Gebiet mit Anschlußmöglichkeit an das öffentliche Verkehrsnetz ausgewählt worden. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze innerhalb der Gemeinde XY sei zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation im Bereich des Bezirks Imst ein dringendes Erfordernis. Das darin begründete öffentliche Interesse überwiege im gegenständlichen Fall jenes an der Erhaltung der zur Rodung bestimmten Fläche als Wald. Die betroffenen Waldanrainer bzw. Nutzungsberechtigten hätten ihre Zustimmung zur Rodung erteilt, von dritter Seite seien gegen die Rodung keine Einwendungen erhoben worden. Bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen seien keine nachteiligen Auswirkungen auf den umliegenden Waldbestand zu erwarten. Daher habe die Rodungsbewilligung erteilt werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Verwaltungsakten vorgelegt. Auch die mitbeteiligte Partei hat in einem Schriftsatz zur Beschwerde Stellung genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 FG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Die Forstbehörde kann aber nach Abs. 2 dieses Paragraphen eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.
Nach § 17 Abs. 4 FG hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.
Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, es sei keine Interessenabwägung vorgenommen worden und es sei eine Auseinandersetzung mit den Funktionen des Waldes und den für seine Erhaltung auf der Rodungsfläche sprechenden sowie mit jenen Gründen unterblieben, die zur Widmung dieser Fläche als Gewerbe- und Industriegebiet geführt hätten.
Der damit erhobene Vorwurf einer mangelhaften Interessenabwägung ist berechtigt. Die gesetzlich gebotene Bedachtnahme insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung verlangt zwingend Ausführungen über die gegebene Waldausstattung einerseits und über die Wirkungen des Waldes auf der zur Rodung beantragten Fläche in bezug auf diese Fläche und den umgebenden Wald anderseits, weil erst dadurch die Gewichtung des Interesses an der Walderhaltung auf der betreffenden Fläche ermöglicht wird. Derartige Ausführungen fehlen, wie die Beschwerde mit Recht rügt, im angefochtenen Bescheid zur Gänze. Weiters hat die belangte Behörde zwar angeführt, welche Gründe zur Widmung der gegenständlichen Waldfläche als Gewerbe- und Industriegebiet geführt haben. Sie hat aber, wie die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, das von ihr als erwiesen angenommene öffentliche Interesse an der Rodung mit dem Überwiegen dieses Interesses gegenüber jenem an der Walderhaltung gleichgesetzt, somit in Wahrheit keine Interessenabwägung vorgenommen, und solcherart den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1986, Zlen. 86/07/0057 bis 0060, und vom 24. Juni 1986, Zl. 85/07/0312). Die gegenteilige Behauptung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ist nicht zutreffend. Soweit sie sich dabei auf das dort voll wiedergegebene Gutachten vom 18. September 1990 beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie dem angefochtenen Bescheid nicht dieses Gutachten, sondern ausschließlich jenes vom 14. März 1989 zugrunde gelegt hat, wie ein Vergleich dieses Gutachtens mit der Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt. Bestätigt wird dies durch die Ausführungen in ihrer Gegenschrift (Seite 2), wonach der der mündlichen Verhandlung vom 18. September 1990 beigezogene Amtssachverständige lediglich den Auftrag hatte, auf allfällige Anrainereinwendungen forstfachlicher Art näher einzugehen, nicht aber ein "Ergänzungsgutachten" zu erstatten, "zumal" - so die Gegenschrift weiter - "das bereits vorliegende forstfachliche Gutachten unmißverständlich und in sich schlüssig war und bei der mündlichen Verhandlung am 18. September 1990 von den anwesenden Parteien nicht mehr in Diskussion gezogen wurde". Davon abgesehen nennt das Gutachten vom 18. September 1990 zwar die Wertziffer für die gegenständliche Waldfläche laut Waldentwicklungsplan der Bezirksforstinspektion Silz und das "Bewaldungsprozent", mangels näherer Ausführungen über die Wirkungen des Waldes auf der zur Rodung beantragten Fläche könnte aber auch dieses Gutachten keine taugliche Grundlage für die Interessenabwägung bieten. Aus diesen Gründen ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.
Zu der zwischen der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer strittigen Frage der Relevanz der Auswirkungen (Immissionen) der auf der gegenständlichen Fläche anzusiedelnden Betriebe auf den umgebenden Wald sei für das fortzusetzende Verfahren aus Gründen der Verfahrensökonomie folgendes festgehalten:
Im Rodungsverfahren sind nur die Auswirkungen, die sich aus der Rodung selbst ergeben, zu berücksichtigen; die Gefahren, Nachteile und Einwirkungen (Immissionen) des auf der Rodungsfläche geplanten Projekts auf den umgebenden Wald sind nicht Gegenstand des Rodungsverfahrens (Kalss, Forstrecht, Wien 1990, 51; siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. April 1987, Zl. 87/10/0039 = Slg. Nr. 12.435/A, vom 28. März 1988, Zl. 87/10/0140, und vom 16. Mai 1988, Zl. 88/10/0067). Davon abgesehen sind, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend bemerkt hat, im vorliegenden Fall die in Diskussion stehenden Emissionen aus Verbrennungsvorgängen in den anzusiedelnden Gewerbebetrieben nach den Regelungen der §§ 47 ff FG über forstschädliche Luftverunreinigungen zu beurteilen; nach der gegebenen Rechtslage ist es unzulässig, sie zum Anlaß für entsprechende Auflagen im Bescheid über die Rodungsbewilligung zu nehmen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1987, Zlen. 86/07/0224 bis 0228).
Aus den vorhin genannten Gründen ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Damit erübrigt sich ein Abspruch über den (zu Zl. AW 91/10/0001 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991100001.X00Im RIS seit
21.11.2000Zuletzt aktualisiert am
17.04.2013