TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/17 88/06/0065

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Veröffentlicht am 17.05.1991
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Index

L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;

Norm

B-VG Art118 Abs3 Z9;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
RPG Vlbg 1973 §19 Abs6;
RPG Vlbg 1973 §19 Abs7;
StGG Art2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Würth, Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Bregenz gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 4. August 1987, Zl. VIIa-310.13-1, betreffend Versagung der Genehmigung einer Umwidmung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. August 1987 versagte die Vorarlberger Landesregierung (belangte Behörde) die von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 8. November 1984 beantragte aufsichtsbehördliche Genehmigung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes Bregenz hinsichtlich einer Teilfläche der Liegenschaft Gp. n5 KG Fluh im Ausmaß von ca. 1.000 m2 von "Freifläche-Landwirtschaftsgebiet" in "Baufläche-Wohngebiet" gemäß den §§ 21 und 19 Abs. 6 lit. a und b des Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr.15/1973 (RPG).

In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen aus, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme der im § 21 in Verbindung mit § 19 Abs. 6 RPG vorgesehenen Änderung des Flächenwidmungsplanes Verordnungscharakter zu; hinsichtlich eines solchen generellen Rechtsetzungsaktes bestehe kein im Verwaltungsverfahren unmittelbar verfolgbares subjektiv-öffentliches Recht des betroffenen Grundeigentümers. Insbesondere komme diesem eine Parteistellung im aufsichtsbehördlichen Verfahren nach § 19 Abs. 6 RPG nicht zu, da in diesem Verfahren ausschließlich die Gemeinde Partei sei (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1982, Slg. N. F. Nr. 10.816/A).

Die Teilfläche aus der Gp. n5, KG Fluh, die in Baufläche/Wohngebiet umgewidmet werden solle, liege unterhalb eines Felsbandes und eines Steilabfalles, der das obere Plateau des Ortsteiles Fluh, auf dem sich die Landesstraße Nr. 12 mit ihrer straßendorfartigen Verbauung befinde, vom mittleren Plateau trenne. Hier ziehe sich über eine Länge von vielen hundert Metern ein schmaler Waldstreifen hin, der zusammen mit anderen ähnlichen geradezu kennzeichnend für die Stufenlandschaft zwischen dem Känzele und den westlichen Teilen der Gemeinde Langen sei. Die Teilfläche der Gp. n5 selbst sei sehr steil und teilweise bestockt, wobei es sich nach dem Waldfeststellungsbescheid der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 19. März 1986 hiebei jedoch nicht um Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 handle. Eine Zufahrt von der Landesstraße zum vorgesehenen Baugrundstück stehe zur Verfügung. Die Einleitung der anfallenden Abwässer in die öffentliche Kanalisationsanlage der Fluher Straße sei nach Prüfung des städtischen Tiefbauamtes möglich, allerdings nur mit einer Hebeanlage, da die Höhendifferenz je nach Anschlußstelle ungefähr 20 bis 25 m betragen werde. Das Gebiet unterhalb des Felsbandes sei ursprünglich rein land- bzw. forstwirtschaftlich genutzt gewesen. Kurz vor Erlassung des Flächenwidmungsplanes seien in einer Entfernung von etwa 50 m vom hier betroffenen Grundstück zwei Wohnobjekte bewilligt worden, obgleich sich die Amtssachverständigen für Landschaftsschutz und für Raumplanung gegen eine Bebauung ausgesprochen hätten. Vom übrigen Siedlungsgebiet im Bereich der Ortschaft Fluh seien die beiden bestehenden Wohnobjekte und die für die Umwidmung vorgesehene Teilfläche so stark abgesetzt, daß keinerlei funktionaler oder bildlicher Zusammenhang mit diesem bestehe.

Im § 1 Abs. 2 RPG werde Raumplanung im Sinne des Raumplanungsgesetzes als die vorausschauende und planmäßige Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes, insbesondere in bezug auf seine Bebauung einerseits und auf die Erhaltung von Flächen, die im wesentlichen unbebaut sind, andererseits umschrieben. Im § 12 Abs. 1 RPG werde der Gemeindevertretung die Verpflichtung auferlegt, einen Flächenwidmungsplan zu erlassen, durch den das Gemeindegebiet den erforderlichen Zwecken gewidmet werde. Nach § 14 Abs. 1 RPG seien als Bauflächen nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit gesondert festzulegen: Kerngebiete, Wohngebiete, Mischgebiete und Betriebsgebiete. In den Abs. 2 bis 5 des § 14 leg. cit. sei bei den einzelnen Widmungsarten jeweils von "Gebieten" die Rede (z.B. Abs. 2: "Kerngebiete sind GEBIETE, ..."). Aus diesen Bestimmungen sei abzuleiten, daß Gegenstand der Flächenwidmung grundsätzlich nicht einzelne Grundstücke, sondern nur größere Bereiche - das Gesetz spreche von "Gebieten" - sein können. Es bedürfe keiner näheren Begründung, daß die im § 1 Abs. 2 RPG angestrebte Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes durch eine auf Einzelflächen abgestellte Widmung von Bauflächen nicht erreicht werden könnte.

Die hier in Rede stehende Teilfläche liege in einem vom übrigen Siedlungsgebiet Fluh deutlich abgesetzten und einer völlig anderen "Landschaftskammer" zugehörenden Bereich. Daß sich dort bereits zwei Einzelobjekte befinden, könne an dieser Beurteilung nichts ändern. Die Widmung einer siedlungsabgewandten Teilfläche als einzelne "Baufläche" könne nicht als vorausschauende und planmäßige Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes im Sinne des § 1 Abs. 2 RPG angesehen werden, sondern ausschließlich als Widmung zur Befriedigung eines - allerdings verständlichen - Wunsches des Grundeigentümers nach einer "Baufläche" in einem Bereich, in dem die eigentumsmäßigen Vorausetzungen für eine Bebauung gegeben sind. Es sprächen daher - abgesehen von den Eigentumsverhältnissen - alle im Zuge des Ermittlungsverfahrens bekanntgewordenen Umstände gegen eine Umwidmung dieser isolierten Teilfläche. Wie dem Gutachten des Landschaftsschutzsachverständigen zu entnehmen sei, sei bei einer Bebauung zu befürchten, daß der Bauwerber in Bälde die darüber wurzelnden Bäume als Gefährdung seines Wohnobjektes ansehen würde und sie aus Sicherungsgründen schlägern möchte; daraus ergebe sich ein landschaftsbildlicher Schaden, da die landschaftsprägende und durch den Baumbestand gekennzeichnete Geländekante unterbrochen würde. Das Grundstück sei zudem äußerst steil und daher sehr schwierig zu bebauen, wenn auch die Bebaubarkeit als solche nicht von vornherein auszuschließen sei. Der im § 13 Abs. 4 RPG verlangte Anschluß der Bauflächen an eine öffentliche Kanalisation mit Kläranlage scheine zwar grundsätzlich möglich, bedürfe allerdings einer Hebeanlage zur Überwindung der Höhendifferenz von ca. 20 bis 25 m; die Erschließung in bezug auf die Abwasserbeseitigung mache daher Aufwendungen notwendig, deren Wirtschaftlichkeit in Frage zu stellen sei. Üblicherweise werde unter diesen Umständen die Widmung eines Grundstückes als Baufläche nicht in Erwägung gezogen.

Wenn in der Begründung des Umwidmungsbeschlusses der Beschwerdeführerin unter anderem dargetan werde, daß es naheliegend sei, landwirtschaftlich nicht nutzbare, aber bebaubare Grundstücke für eine Bebauung freizugeben, wenn die Erschließungsvoraussetzungen gegeben seien und Rechtsträger der Baubewilligung ein Familienmitglied sei, so sei davon auszugehen, daß das Raumplanungsgesetz keine Möglichkeit biete, bei einer Widmung auf verwandtschaftliche Beziehungen abzustellen. Ausschlaggebend sei allein, ob bei einer umzuwidmenden Fläche die Voraussetzungen für eine Umwidmung gegeben seien; insbesondere lasse das Raumplanungsgesetz bei der Widmung von Bauflächen eine unterschiedliche Behandlung von Landwirten und Nichtlandwirten nicht zu.

Da die Widmung einer vom übrigen Baugebiet völlig isolierten Einzelfläche gegen den aus den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 2, 12 Abs. 1 und 14 RPG abzuleitenden Grundsatz der gebietsmäßigen Widmung verstoße, sei sie rechtswidrig. Durch die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Abholzung des Teiles des oberliegenden Baumbestandes zur Sicherung des Bauwerkes würden zudem Interessen des Schutzes des Landschaftsbildes beeinträchtigt. Da der von der Beschwerdeführerin beschlossenen Umwidmung eines Teilstückes der Gp. n5, KG Fluh, die Versagungsgründe nach § 19 Abs. 6 lit. a und b RPG entgegenstünden, habe die beantragte aufsichtsbehördliche Genehmigung nicht erteilt werden können.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 27. November 1987, B 967/87-3, ab und trat sie auf Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluß vom 17. März 1988, B 967/87-5, an den Verwaltungsgerichtshof ab.

In der ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit auch in der Beschwerdeergänzung Bedenken hinsichtlich der im § 19 Abs. 6 und 7 RPG enthaltenen Bestimmungen vorgebracht werden und angeregt wird, der Verwaltungsgerichtshof möge diese Bestimmungen wegen "Grundrechtswidrigkeit (fehlende Durchsetzung des Verhältnismäßigkeitsgebotes, fehlende Determinierung etc.)" anfechten, sei darauf erwidert, daß der Verwaltungsgerichtshof die von der Beschwerdeführerin diesbezüglich geäußerten Bedenken im Hinblick auf den oben angeführten Beschluß vom 27. November 1987 sowie auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 1981, VfSlg. Nr. 9156, und die dort angegebene Rechtsprechung nicht teilt und insbesondere auch nicht finden kann, daß durch die Bestimmungen des Raumplanungsgesetzes verfassungsgesetzlich gewährleistete Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden verletzt werden. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, diesbezüglich einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Die für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde maßgeblichen Bestimmungen des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 15/1973, (RPG), lauten:

"§ 2

Raumplanungsziele

    .........

    (2) Im einzelnen hat sich die Raumplanung insbesondere nach

folgenden Zielen zu richten:

     .......

    b) Schutz der Umwelt, insbesondere durch möglichste

Schonung des Naturhaushaltes und der Landschaft vor

nachteiligen Veränderungen, durch Erhaltung und Pflege des

Landschafts- und Ortsbildes sowie durch Sicherung vor Lärm- und

Geruchsbelästigungen, schädlichen Strahlungen und

Erschütterungen;

     ........ "

                             "§ 19

                           Verfahren

     ........

    (6) Der Flächenwidmungsplan bedarf zu seiner Wirksamkeit

der Genehmigung der Landesregierung. Die Landesregierung hat

nach Prüfung der gemäß Abs. 5 vorgelegten Äußerungen,

Änderungsvorschläge und Stellungnahmen die Genehmigung durch

Bescheid zu versagen, wenn der Flächenwidmungsplan

    a) den im § 2 genannten Zielen oder einem Landesraumplan

widerspricht oder sonst rechtswidrig ist,

    b) überörtliche Interessen, insbesondere solche des

Umweltschutzes und des Schutzes des Landschafts- und

Ortsbildes, verletzt

     ......... "

"§ 21

Änderung

(1) Der Flächenwidmungsplan darf nur aus wichtigen Gründen geändert werden. Er ist zu ändern

a)

bei Änderung der maßgebenden Rechtslage oder

b)

bei wesentlicher Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse.

(2) Für das Verfahren bei Änderungen des Flächenwidmungsplanes gelten - ausgenommen im Falle des § 18 Abs. 2 - die Vorschriften des § 19 sinngemäß. ....."

Da gemäß § 19 Abs. 6 lit. b RPG die Genehmigung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes zu versagen ist, wenn die Änderung überörtliche Interessen, insbesondere solche des Umweltschutzes und des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes, verletzt, und der Amtssachverständige für Natur- und Landschaftsschutz aber in seinem Gutachten vom 4. März 1985 unter anderem ausgeführt hat, daß der Mischwald, dessen Schädigung durch eine Bauführung zu befürchten wäre, einen ganz markanten Geländestreifen darstelle, der die Landschaft in Ost/West-Richtung gliedere und gerade von der Fluher Straße aus dieses Landschaftselement landschaftsbildlich besonders prägend und bedeutsam sei, folgt der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung der belangten Behörde, daß durch die Genehmigung der beantragten Umwidmung überörtliche Interessen des Landschaftsschutzes verletzt würden.

Da die Beschwerde konkrete Ausführungen zur behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht enthält, sei lediglich festgehalten, daß die Beschwerdeführerin wohl ein Gutachten eines Ziviltechnikers vom 23. Juni 1986 vorgelegt hat, dieses aber auf das Gutachten des Amtssachverständigen vom 4. März 1985 überhaupt nicht eingeht. Da der Verwaltungsgerichtshof nicht finden kann, daß das erwähnte Gutachten des Amtssachverständigen unschlüssig wäre, gehen die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde ins Leere. Weiters ist dazu auszuführen, daß die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage vor der Beschlußfassung über die in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes weder ein ausführliches Gutachten zur Frage der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes noch ein solches zur Frage der Übereinstimmung mit den Zielen der Raumordnung eingeholt hat. Es kann daher keine Rede davon sein, daß sich die belangte Behörde über die in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachte Auffassung der Beschwerdeführerin, daß nämlich die Beschwerdeführerin durch die Versagung der Zustimmung zur Änderung des Flächenwidmungsplanes in ihren Rechten verletzt worden sei, hinweggesetzt habe.

Soweit in der Beschwerde noch ausgeführt wird, daß zur Genehmigung von Flächenwidmungen eine kollegiale Beschlußfassung der Landesregierung erforderlich sei, trifft diese Voraussetzung zwar gemäß Punkt 76 der Anlage zur Geschäftsordnung der Landesregierung, LGBl. Nr. 3/1985, hinsichtlich der erstmaligen Genehmigung eines Flächenwidmungsplanes, nicht aber bei Änderung eines bereits genehmigten Flächenwidmungsplanes zu. Damit erweist sich auch dieses Vorbringen in der Beschwerde als nicht begründet.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid, dem ein mängelfreies Ermittlungsverfahren vorangegangen war und den sie schlüssig, ausführlich und unter Hinweis auf die oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen zutreffend begründet hat, Rechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt hat. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988060065.X00

Im RIS seit

17.05.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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