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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Stmk 1968 §58 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, in der Beschwerdesache der N gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. September 1990, Zl. A 17-K-2.202/1987-15 (mitbeteiligte Partei: P), betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1989, Zl. 88/06/0020, verwiesen. Die damalige wie nunmehrige Beschwerdeführerin hatte am 7. Juli 1986 die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung einer Feuerschutzwand (Gipskartonwand) im Stiegenhaus des 23. Obergeschoßes zum 24. Obergeschoß zwischen dem vorhandenen Stiegengeländer und der Wand neben der in ihrem Eigentum stehenden Wohnung Nr. n3 des Hauses A-Gasse 1, Grundstück Nr. 2502/2 in EZ 1668, KG X, angesucht. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 14. Oktober 1986 wurde ohne Beiziehung der übrigen Miteigentümer diese Baubewilligung erteilt. Mit Schreiben vom 16. September 1987 erhob die mitbeteiligte Partei gegen diesen Bescheid als Miteigentümerin "in offener Frist" die Berufung, in der sie Nachteile für die von ihr bewohnte, im 24. Stock gelegene Wohnung durch die bewilligte Baumaßnahme behauptete. Dieser Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 10. Dezember 1987 stattgegeben und das Bauansuchen abgewiesen. Dieser Bescheid wurde wiederum vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. Jänner 1989, Zl. 88/06/0020, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften deshalb aufgehoben, weil die Einhaltung der Berufungsfrist durch die Mitbeteiligte (Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an sie) nicht hinreichend geprüft worden sei. Schon in diesem Erkenntnis wurde jedoch aus verwaltungsökonomischen Gründen darauf hingewiesen, daß dann, wenn sich die Berufung der mitbeteiligten Partei als rechtzeitig erweisen sollte, die Berufungsbehörde mit Recht davon ausgegangen sei, daß es sich bei der vorliegenden Bauführung um eine solche betreffend einen allgemeinen Teil des Hauses handle, zu der es auf Grund der Bestimmungen des § 13 bzw. des 14 WEG 1975 der Zustimmung aller Miteigentümer oder der Genehmigung des Gerichtes bedürfe. Eine Neuherstellung könne nicht dem Begriff der ordentlichen Verwaltung unterstellt werden, sondern stelle eine Veränderung dar.
Im Sinne dieses Erkenntnisses brachte die belangte Behörde dem Vertreter der Beschwerdeführerin zur Kenntnis, daß nach dem Zustellausweis die Mitbeteiligte den Baubewilligungsbescheid vom 14. Oktober 1986 am 9. September 1987 übernommen habe; für eine allfällige Äußerung wurde eine Frist von einer Woche eingeräumt, weiters wurde der Beschwerdeführer-Vertreter aufgefordert, innerhalb dieser Frist einen zwischenzeitig möglicherweise vorliegenden Nachweis des subjektiven Baurechtes vorzulegen.
In der Äußerung hiezu stellte die Beschwerdeführerin Vermutungen darüber an, daß der von der Behörde herangezogene Zustellnachweis ein anderes Schriftstück betroffen haben könne; es sei seltsam, daß sich im Bauakt keine Zustellnachweise befunden hätten, sondern der Rückschein erst später dem Akt beigeschlossen worden sei. Der Beschwerdeführerin sei die Mitteilung vom 21. August 1987 bereits mit Rückscheinbrief vom 23. August 1987 zugemittelt worden; es bestehe kein vernünftiger Grund, warum die Mitteilung an die Mitbeteiligte vom 21. August 1987 nicht ebenfalls bereits am 23. August 1987 zur Post gegeben worden sein solle. Schließlich verwies sie auf Ausführungen der belangten Behörde und der Mitbeteiligten über die Unmöglichkeit einer früheren Zustellung, weil sich die Mitbeteiligte im Ausland befunden habe; die Beschwerdeführerin gehe daher von der Annahme aus, daß der Bescheid der Mitbeteiligten bereits spätestens am 25. August 1987 rechtswirksam zugestellt worden sei, sodaß die Berufung als verspätet zu bezeichnen sei. Die Behörde möge daher genaue Ermittlungen über den Zeitpunkt der Zustellung anstellen. Zur Frage des subjektiven Baurechtes führte die Beschwerdeführerin aus, daß die Zustimmung der Mehrheit genüge und eine Genehmigung durch den Außerstreitrichter nicht erforderlich sei.
Der daraufhin ergangene Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 6. April 1989, Zl. A 17-K-2.202/87-5, wurde mit hg. Erkenntnis vom 26. April 1990, Zl. 89/06/0091, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben, nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. März 1990, Zlen. V 116-132/89-5, u.a., den § 19 Abs. 4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz als gesetzwidrig aufgehoben hatte und damit die Beschlußfassung ohne förmlichen, auf einer Abstimmung beruhenden Beschluß des Kollegiums durch bloße Auflage des Geschäftsstückes als von einem unzuständigen Organ erlassen anzusehen war.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. September 1990 wurde neuerlich der Berufung der Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattgegeben und das Bauansuchen der Beschwerdeführerin abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß alle Vermutungen und Annahmen der Beschwerdeführerin nichts an dem vorliegenden Zustellnachweis als öffentliche Urkunde ändern könnten. Ein konkretes Beweisangebot zur Erschütterung der Beweiskraft der öffentlichen Urkunde sei nicht erfolgt. Ein anderer als der vorliegende Zustellausweis liege nicht im Geschäftsakt, auch die Beschwerdeführerin habe derartiges nicht konkret behaupten können. Gegen die Vermutung der Beschwerdeführerin, daß die beiden Schreiben an sie bzw. an die Mitbeteiligte gleichzeitig abgefertigt worden seien, spreche nicht nur, daß für die Mitbeteiligte erst eine von einer anderen Dienststelle herzustellende Kopie des erstinstanzlichen Bescheides hätte beigeschafft werden müssen, sondern auch, daß sie verschieden ausgefüllt worden seien (an die Beschwerdeführerin mit Maschinschrift und der Bezeichnung "Feuerschutzwand", an die Mitbeteiligte handschriftlich mit der Bezeichnung "Feuerschutzmauer"). Bei gleichzeitiger Ausfüllung der Zustellscheine wären die beiden (bis auf die Anschrift) gleichlautend und entweder beide in Maschinschrift oder beide in Handschrift von ein und derselben Person ausgefüllt worden. Auch die Frage des Auslandsaufenthaltes wäre nur dann von Bedeutung gewesen, wenn in dieser Zeit überhaupt ein Zustellversuch vorgenommen worden wäre.
Zur Frage des Nachweises des subjektiven Baurechtes führte die belangte Behörde u.a. aus, daß es sich bei dem Bauvorhaben um die Errichtung einer Feuerschutzmauer im Stiegenhaus handle, die zweifelsfrei eine Änderung darstelle, die zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer führten könnte, noch dazu eine Änderung gemeinsamer Teile der Liegenschaft. Es sei daher nach den zivilrechtlichen Vorschriften, das sei das Wohnungseigentumsgesetz 1975 (WEG 1975), als Vorfrage zu prüfen, ob in einem solchen Fall die Zustimmung aller Miteigentümer nachgewiesen werden müsse. Unter Hinweis auf höchstgerichtliche Judikatur ging die belangte Behörde davon aus, daß der Außerstreitrichter, nicht aber die Baubehörde zu untersuchen habe, ob das Einstimmigkeitsprinzip gemäß § 14 Abs. 3 WEG 1975 durchbrochen worden sei oder nicht. Mangels einer derartigen Verfügung des Außerstreitrichters habe die Baubehörde vom Erfordernis der Zustimmung aller Miteigentümer auszugehen. Da im vorliegenden Fall von Anfang an festgestanden sei, daß die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer nicht vorliege, hätte die beantragte Baubewilligung mangels Nachweises des subjektiven Baurechtes nicht erteilt werden dürfen. Es sei auch die zum Nachweis für das subjektive Baurecht gesetzte Frist nicht zu kurz, da eine solche Frist nur zur Vorlage der fehlenden Beilage angemessen sein müsse, nicht aber zur Beschaffung fehlender Belege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I.
ZUR RECHTZEITIGKEIT DER BERUFUNG DER MITBETEILIGTEN:
Wie schon in ihrer Stellungnahme beschränkt sich die Beschwerdeführerin zur Dartuung der Verspätung der Berufung der Mitbeteiligten auf bloße Vermutungen und rügt vor allem das Unterbleiben einer "Ermittlungstätigkeit" der Behörde. Die Beschwerdeführerin gibt jedoch nicht an, worin derartige "Ermittlungen" bestehen sollten, da die belangte Behörde ohnehin den Anschluß aller außerhalb des Aktes in der Kanzlei zurückgebliebenen Rückscheine angeordnet hat; darunter befand sich nicht nur der hier umstrittene, sondern auch der Rückschein über die Zustellung an die Beschwerdeführerin bzw. deren Vertreter. Vor allem aber gehen die Überlegungen der Beschwerdeführerin an dem Umstand vorbei, daß mangels einer ordnungsgemäßen Zustellung ein in der Folge erhobenes Rechtsmittel im Zweifel als rechtzeitig angesehen werden muß. Für den Lauf der Rechtsmittelfrist kommt es auch entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin nicht etwa auf die Kenntnis des Vorhandenseins eines behördlichen Aktes an, sondern ausschließlich darauf, daß eine für den Empfänger bestimmte Ausfertigung des Bescheides diesem zugekommen ist. Dafür konnte aber die Beschwerdeführerin lediglich Vermutungen anbieten, die richtig, ebenso aber auch unzutreffend sein können; daher müßte im Zweifel von der Rechtzeitigkeit der Berufung der Mitbeteiligten ausgegangen werden.
Auf die Überlegungen zu § 8 und § 17 Abs. 3 des Zustellgesetzes muß schon deshalb nicht eingegangen werden, weil eine Zustellung in Abwesenheit der Mitbeteiligten nicht aktenkundig und daher die Rechtswirksamkeit eines derartigen Zustellvorganges nicht zu beurteilen ist.
II.
ZUM NACHWEIS DES SUBJEKTIVEN BAURECHTES:
Zu Recht ist die belangte Behörde entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin davon ausgegangen, daß nach § 14 Abs. 3 WEG 1975 die bloße Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer keineswegs von vornherein das Einstimmigkeitsprinzip durchbricht; dieser Mehrheitsbeschluß ist vielmehr notwendige Voraussetzung dafür, daß der Außerstreitrichter die Zustimmung der übrigen für eine Veränderung gemeinsamer Teile des Hauses ersetzt, wobei er insbesondere auch zu prüfen hat, ob dabei Interessen der Überstimmten durch die Verbesserung nicht übermäßig beeinträchtigt werden (§ 14 Abs. 3 Z. 3 WEG 1975). Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß zeitweise die Gerichte zweiter Instanz diese Rechtslage verkannt und die Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens verneint haben. Inzwischen hat jedoch der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen in Übereinstimmung mit der Lehre klargestellt, daß der den Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 2 WEG 1975 genügende Mehrheitsbeschluß zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 26 Abs. 1 Z. 3 WEG 1975 bedarf; der Umstand, daß die von der Mehrheit beschlossene Veränderung schon durchgeführt wurde, steht einer nachträglichen Genehmigung nicht entgegen (so etwa ausdrücklich das im vorliegenden Rechtsstreit zwischen der Mitbeteiligten und der Beschwerdeführerin ergangene Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 11. Dezember 1990, 5 Ob 104/90; ebenso schon vorher Oberster Gerichtshof 12. Dezember 1989, 5 Ob 46/89). Gerade aus dem von der Beschwerdeführerin zum Beweis des Gegenteils vorgelegten Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 11. Dezember 1990, 5 Ob 104/90, ergibt sich eindeutig, daß der Oberste Gerichtshof im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 2 WEG 1975 eine Interessenabwägung hinsichtlich der Frage vorgenommen hat, ob die überstimmte Minderheit durch die von der Beschwerdeführerin errichtete Feuerschutzwand übermäßig beeinträchtigt wird oder nicht; dabei kam er zum Ergebnis, daß nicht gesagt werden könne, daß die Wand keinesfalls geeignet sei, irgendwelchen schutzwürdigen Interessen der Beschwerdeführerin zu dienen, andererseits aber die festgestellten Beeinträchtigungen nicht so erheblich seien, daß deren Hinnahme den Überstimmten als übermäßig nicht zugemutet werden könnten. Damit hat auch der Oberste Gerichtshof eindeutig klargelegt, daß erst durch die gerichtliche Genehmigung - nach entsprechender Interessenabwägung - die Zustimmung der Überstimmten für eine Maßnahme nach § 14 Abs. 3 WEG 1975 ersetzt wird; daß er dies hier im streitigen Verfahren vornehmen mußte, weil dem an sich vorgesehenen Außerstreitverfahren ein rechtskräftiger, wenn auch objektiv rechtswidriger Zurückweisungsbeschluß des Außerstreitrichters entgegenstand, kann an der klaren Rechtslage nichts ändern.
Damit ist der Nachweis des subjektiven Baurechtes erst durch die Zustellung des Urteils des Obersten Gerichtshofes frühestens am 30. Jänner 1991 eingetreten; der angefochtene Bescheid ist daher mit Recht davon ausgegangen, daß im Zeitpunkt seiner Erlassung der vom Gesetz geforderte Nachweis des subjektiven Baurechtes nicht gegeben war.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Rechtskraft der Abweisung des Bauansuchens steht allerdings der Einbringung eines gleichartigen neuerlichen Bauansuchens im Hinblick auf die inzwischen ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, mit der die Zustimmung der überstimmten Minderheit ersetzt wurde, nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990060189.X00Im RIS seit
03.05.2001