Index
L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
BAO §209 Abs1;Beachte
Besprechung in:ÖStZ 1992, 112;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N- Getränkehandels Gesellschaft m.b.H. & Co KG gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 29. Juni 1989, Zl. MDR-F 1/87, betreffend Getränkesteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß den "§§ 1 und 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der geltenden Fassung und der Beschlüsse des Wiener Gemeinderates vom 19. Dezember 1973 und vom 22. März 1985, Pr. Z. 4131 und 921, über die Ausschreibung einer Abgabe auf den Verbrauch von Bier, verlautbart im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 52 vom 27. Dezember 1973 und Nr. 17 vom 25. April 1985, sowie des § 149 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der geltenden Fassung für die Zeit vom 1. Jänner 1980 bis 31. Dezember 1985 eine Getränkesteuer im Betrage von S 486.643,--" zur Zahlung vorgeschrieben; dies mit folgender, nachstehend auszugsweise im Wortlaut wiedergegebener Begründung:
"Gemäß § 1 Abs. 1 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 (GStG) unterliegt die entgeltliche Abgabe von Getränken mit Ausnahme von Bier und Milch an den Letztverbraucher einer Steuer nach Maßgabe dieses Gesetzes.
Strittig ist zwischen der Berufungswerberin und der Abgabenbehörde erster Instanz lediglich, ob die entgeltliche Abgabe der Getränke in dem im angefochtenen Bescheid näher angeführten Umfang IN WIEN erfolgt ist.
...
Die Berufungswerberin fungiert nach ihren eigenen Unterlagen als DIREKTIMPORTEUR vom Erzeuger aus Frankreich. Im Zuge der Betriebsprüfung wurden folgende Feststellungen getroffen:
'Die Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG gibt anläßlich diverser Messen (Frühjahrs- und Herbstmesse, Interhoga usw.) Speisen und Getränke entgeltlich ab (hier erfolgt eine gesonderte Abrechnung der Getränkesteuer in Wien). Die Verkaufsstände, die nur auf N-S Gesellschaft mbH & Co KG hinweisen, dienen aber auch zur Repräsentation für Großkunden und zur Entgegennahme von Bestellungen von französischen Weinen und Spirituosen und dgl., wobei es sich überwiegend um Spezialitäten handelt. Preislisten zur allgemeinen Einsicht für diesen flaschenweisen Verkauf konnten nicht festgestellt werden.
Der Kunde bestellt die Getränke zu einem vereinbarten Gesamtpreis und bestätigt diesen Auftrag in einem Durchschreibebuch, wobei die Beilagen 1, 2 und 3 im Durchschreibebuch in dieser Reihenfolge aufscheinen.
Der Käufer bestätigt mit einer Unterschrift auf dem bei ihm verbleibenden Original (Blatt 1 der Beilage, Firmenkopf der Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG) den Gesamtpreis, die erste Durchschrift (Blatt 2 der Beilage) verbleibt bei N-S Gesellschaft mbH & Co KG. Auf der zweiten Durchschrift (Blatt 3 der Beilage) wird mit derselben Unterschrift bei gleicher Bestellnummer, jedoch anderer Vorderseite, anderen Verkaufs- und Lieferbedingungen auf der Rückseite, eine Fa. X Gesellschaft mbH mit der Zustellung der Ware nach Wien beauftragt.
LAUT HANDELSREGISTER:
N-S GETRÄNKEHANDELS GESELLSCHAFT MBH & Co KG, pers.h.G.:
N-S Getränkehandels Gesellschaft mbH, Wien, Einzelprokurist: S, Straßburg.
X GESELLSCHAFT MBH: Geschäftsführer: S, Salzburg (Handel mit Waren aller Art).
Ein gesonderter Preis für die Warenzustellung nach Wien durch die Fa. X Gesellschaft mbH wird nicht vereinbart. Der Kunde erhält keine Kopie für die Auftragserteilung an die Fa. X Gesellschaft mbH. Blatt 3 der Beilage verbleibt bei der Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG. Auf dem Original, welches beim Kunden verbleibt, scheint nur Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG, Salzburg, als Lieferant auf.
Weiters wurde erklärt, daß nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, daß jeder Kunde durch die Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG ausdrücklich auf die entsprechende weitere Auftragserteilung an die Fa. X Gesellschaft mbH hingewiesen wurde.
Nach Einsichtnahme am 4.2. und 5.2.1986 in die Geschäftsaufzeichnungen der Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG und X Gesellschaft mbH, beide in Salzburg, B-Straße 93, wird festgestellt, daß die Kunden je nach Abrechnungsmodus (Letztverbraucher oder Wiederverkäufer) Rechnungen von der Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG für die Getränke und eine Dienstleistungsrechnung der Fa. X Gesellschaft mbH für den Transport erhielten. Der anläßlich der Auftragserteilung festgelegte Gesamtpreis wurde nachträglich aufgeteilt. Hiebei fällt auf, daß für ungleich lange Zustellwege oft die gleichen Transportkosten von der Fa. X Gesellschaft mbH verrechnet werden, was auf eine willkürliche Aufteilung des Gesamtpreises schließen läßt.
Durchschreibebücher wurden anläßlich der Revision nicht vorgelegt, sie verbleiben ANGEBLICH bei den Vertretern, eine Fakturierung müßte jedoch aufgrund dieser Unterlagen erfolgt sein.
Folgende Abrechnungsmodalitäten sind vorgesehen:
1) Lieferungen an Letztverbraucher 'Unfrei': Der Kunde erhält eine Rechnung der Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG und eine Rechnung der Fa. X Gesellschaft mbH.
2) Lieferungen an Letztverbraucher 'Frei Haus': Obwohl auf der Rechnung der Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG 'Frei Haus' aufscheint, erfolgt trotzdem durch die Fa. X Gesellschaft mbH eine Rechnungslegung (siehe Beilage 4, 6, 8 und 9).
Nacherhebungen bei Letztverbrauchern (siehe Niederschriften Beilage 11, 13, 14 und 15) haben ergeben, daß die Kunden nicht immer darauf hingewiesen wurden, daß gleichzeitig mit der Bestellung der Getränke bei der Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG auch die Fa. X Gesellschaft mbH (am Auftragsschein Fa. X, Salzburg) zur Lieferung beauftragt wurde, weiters wurde den Kunden keine andere Zustellmöglichkeit bzw. ein Preisabschlag für die Nichtinanspruchnahme der Fa. X Gesellschaft mbH angeboten.
3) Lieferungen an Wiederverkäufer: Da bei Lieferungen an Wiederverkäufer keine Getränkesteuerpflicht gegeben ist, wird nur eine Rechnung durch die Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG erstellt, es erfolgt keine Rechnungslegung durch die Fa. X Gesellschaft mbH, obwohl die Zulieferung durch Fahrzeuge der Fa. X Gesellschaft mbH erfolgt und auch hier auf dem Auftrag der Hinweis auf die Dienstleistungsrechnung der FA. X, Salzburg aufscheint.
Laut Angabe durch Hrn. S ist das Auslieferungspersonal der Fa. X Gesellschaft mbH bevollmächtigt, sowohl für die Fa. N-S Gesellschaft mbH & Co KG wie auch für die Fa. X Gesellschaft mbH das Inkasso durchzuführen. Eine Verrechnung zwischen den beiden Firmen hinsichtlich der EINZELNEN Lieferungen gibt es im Revisionszeitraum nicht.'
Aus den vorgelegten Unterlagen geht eindeutig hervor, daß der Kunde einen EINHEITLICHEN PREIS für die Lieferung von Getränken EINSCHLIEßLICH DER ZUSTELLUNG entrichtet. Es wird bei der Bestellung, die an die Berufungswerberin gerichtet ist, nur der 'Preis pro Flasche' ausgewiesen. Es wird auch bei den Verkaufs- und Lieferbedingungen von einem 'Waren-Auftragspreis' (vgl. Punkt 1) gesprochen, während im Punkt 2 ausgeführt wird, wie die BERECHNUNG erfolgt.
Somit ist nach der Verkehrsanschauung von EINEM wirtschaftlichen Vorgang auszugehen, da die Berufungswerberin dem Kunden gegenüber verpflichtet ist, diesem zu einem vorher bestimmten FIXEN Preis die bestellten Getränke an seine Adresse zu liefern. Es ist somit die Teilung bei der Rechnungserstellung in eine Warenrechnung und eine Dienstleistungsrechnung eine künstliche Konstruktion. Dies wird durch die im Akt einliegende Rechnung vom 26. November 1984 an die Firma O in Wien 6, A-Gasse 12, unterstrichen, in der sich der Vermerk befindet 'frei Haus', dennoch eine Rechnung der Firma X GesmbH gelegt wurde. Weiters ist auffällig, daß den Kunden von der X GesmbH lediglich die Adresse eines Postfaches (Ü) bekannt ist. Eine kurzfristige Kontaktaufnahme ist daher nicht möglich, zumal eine Telefonnummer ebenfalls nicht aufscheint. Weiters ist aus der Gestaltung der Bestellformulare eindeutig zu ersehen, daß der Kunde gar keine Möglichkeit hat, die Ware von der Berufungswerberin selbst abzuholen bzw. ein anderes Unternehmen mit der Zustellung zu beauftragen.
Es handelt sich daher bei der Teilung des Preises in einen 'Warenpreis' und einen 'Dienstleistungspreis' um eine künstliche Konstruktion, die dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nicht entspricht. Das Ziel dieser Teilung besteht darin, die in Wien bestehende Getränkesteuerpflicht für Lieferungen an den Letztverbraucher zu umgehen. Es handelt sich nach Auffassung der Abgabenberufungskommission um einen typischen Fall eines Mißbrauches von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts.
Nach § 20 Abs. 1 WAO kann durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden.
Liegt ein Mißbrauch (Abs. 1) vor, so sind die Abgaben so festzusetzen und einzuheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angenommenen rechtlichen Gestaltung festzusetzen und einzuheben wären.
Unter Heranziehung dieser Regelung sowie der im § 19 WAO normierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist davon auszugehen, daß die Rechtsmittelwerberin die Getränke in Wien an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben hat.
Das weitere Vorbringen, daß die Vorschreibung der Getränkesteuer für das Jahr 1980 infolge Verjährung unzulässig sei, ist ebenfalls nicht begründet. Gemäß § 154 Abs. 2 WAO beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Die Verjährung beginnt nach § 155 lit. a WAO in den Fällen des § 154 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
Die Verjährung wird gemäß § 156 WAO durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 51) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen.
Aus der Aktenlage (Bl. 92) geht hervor, daß sich der Magistrat der Stadt Wien am 15. Oktober 1985 an den Magistrat der Stadt Salzburg mit dem Ersuchen gewendet hat, in Salzburg eine Revision bei der Berufungswerberin durchführen zu dürfen. Dieses Schreiben stellt eine zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommene Amtshandlung dar und hat damit die Verjährung auch für das Jahr 1980 unterbrochen.
Die ausgewiesenen Steuerbeträge beruhen auf dem Ergebnis der Steuerprüfung. Dem Akt sind die Kopien der Fakturenbücher der Berufungswerberin angeschlossen. In ihrem Vorlageantrag hat die Rechtsmittelwerberin nicht dargelegt, wie sie die davon abweichenden Beträge ermittelt hat. Sie widersprechen den eigenen Unterlagen der Rechtsmittelwerberin erheblich, da diese für den Februar 1980 Lieferungen von Getränken an Letztverbraucher in Wien in einem Gesamtbetrag von S 259.789,99 ausgewiesen hat, während nach der Darstellung der Rechtsmittelwerberin die Bemessungsgrundlage für das GESAMTE JAHR 1980 S 181.825,52 betragen soll."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid insofern in ihren Rechten verletzt, als die belangte Behörde - ausgehend von der Annahme, es liege ein Mißbrauch von Gestaltungsformen des bürgerlichen Rechtes vor - zu der Beurteilung gelangte, die Beschwerdeführerin habe die an Verbraucher in Wien gelieferten Getränke in Wien und nicht außerhalb dieser Stadt abgegeben; auch sei die Getränkesteuer der Höhe nach jeweils unrichtig festgesetzt worden. Für Bemessungszeiträume im Kalenderjahr 1980 sei das Recht zur Getränkesteuerfestsetzung bereits verjährt gewesen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. ZUM ORT DER GETRÄNKEABGABEN:
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinne des § 20 Abs. 1 WAO könne ihr deswegen nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil aus den von ihr bei den Verkaufsständen verwendeten Bestellformularen für ihre Kunden ohnedies ersichtlich gewesen sei, daß diese eine Warenrechnung der Beschwerdeführerin UND eine Dienstleistungsrechnung der Firma X GesmbH in Salzburg (in der Folge kurz: GesmbH) zu erwarten hätten. Nur beide Rechnungen zusammen hätten jeweils den im Bestellformular genannten Auftragspreis ergeben. Außerdem sei in den auf den Bestellformularen vorgedruckten Verkaufs- und Lieferbedingungen jeweils Salzburg als Erfüllungsort und Gerichtsstand angeführt und auch darauf hingewiesen worden, daß die GesmbH eine Rechnung legen werde. Die Verwendung von Durchschreibebüchern sei keineswegs unüblich. Der in den Verkaufs- und Lieferbedingungen enthaltene Satz: "Der Waren-Auftragspreis versteht sich pro Flasche incl. aller Abgaben - Frei Haus." bedeute nur "frei Haus" ab Salzburg, nicht aber frei Haus der Kunden in Wien. Aus all dem gehe hervor, daß die Kunden der Beschwerdeführerin die Verfügungsmacht über die Getränke bereits in Salzburg erlangt hätten, weswegen keine Getränkesteuerpflicht in Wien bestehe. Das objektive Tatbild des Mißbrauches sei nicht gegeben, weil die Aufteilung in eine Waren- und Dienstleistungsrechnung keine künstliche Konstruktion sei, sondern eine sich aus dem Auftrag ergebende, tatsächlich vereinbarte. Auch verlange der Mißbrauchstatbestand, daß der Steuerpflichtige in der Absicht der Steuerumgehung handle, d.h. bewußt eine Minderung oder zumindest einen Aufschub der Steuerbelastung erreichen wolle; dieses subjektive Element sei im Beschwerdefall nicht erfüllt. Die Beschwerdeführerin erläutert hiezu, bei ihr und der GesmbH handle es sich "um zwei wirtschaftlich und rechtlich getrennte Unternehmen mit ganz anderen Gesellschaftern". Zwei getrennt lebende Eheleute hätten zwei unabhängige Unternehmen, wovon eines (die Beschwerdeführerin) den Weinverkauf und das andere (die GesmbH) Transportleistungen zum Gegenstand habe. Es sei zwar richtig, daß zwischen diesen beiden Firmen keine formelle Verrechnung hinsichtlich der EINZELNEN LIEFERUNGEN im Streitzeitraum erfolgt sei, dies sei aber auch nicht notwendig gewesen, "da beim Inkasso nach Lieferung das Geld über Verrechnung Kassa jeder der beiden Firmen zugeführt" werde. Beide Firmen hätten auch eine voneinander getrennte Buchhaltung. Zwar erteile die GesmbH nur bei den nicht getränkesteuerpflichtigen Getränkeabgaben an Wiederverkäufer keine Dienstleistungsrechnungen, die Verrechnung werde aber bei dieser Gruppe "intern" vorgenommen, "da der Bruttopreis bei Wiederverkäufern inkl. aller Abgaben ist". Hiebei werde selbstverständlich die Leistung der GesmbH honoriert. Bei der Rechnungserteilung durch die GesmbH würde "je nach Entfernung und Gewicht auf Basis der Bahntarife eine Abrechnung der Zustellung vorgenommen". Die auf den Bestellformularen beauftragte GesmbH sei keine Speditions-, sondern eine Lieferfirma, was für ihre Haftung von Bedeutung sei. Ihre Beauftragung durch die Kunden sei "eindeutig durch die
Unterschrift des Bestellers gedeckt ... und somit auch
zivilrechtlich verbindlich".
Auf der ersten Seite des Bestellformulars ist im Kopf die
"N Handelsges.m.b.H." mit ihrer Salzburger Anschrift angegeben. Anschließend heißt es vor dem für die Anführung der Waren nach Art, Menge und Preis vorgesehenen Raum wie folgt:
"A U F T R A G
Nr.
am bestätigt
Ihren, an die Fa. N getätigten Auftrag franz. Weine
liefern wir wie folgt aus:"
Gegen Ende des für die Anführung der Waren vorgesehenen
Raumes findest sich noch folgender Vermerk:
"Preise sind verbindlich für beide Teile
Rechnung erfolgt
1.
WARENRECHNUNG Preise ab Frankreich der Fa. N Handelsges.m.b.H., Salzburg
2.
DIENSTLEISTUNG - RECHNUNG
der Fa. X Ges.m.b.H., Salzburg
Beide Rechnungen ergeben den gesamten Auftragspreis."
Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst geprüft, ob die Behauptung der Beschwerdeführerin, JEDER IHRER KUNDEN hätte beim Geschäftsabschluß mit ihr zivilrechtlich gültig AUCH ein Rechtsgeschäft mit der GesmbH geschlossen, in der Aktenlage Deckung findet. Hiezu ist vor allem auf die den Standpunkt der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren zusammenfassenden Ausführungen im Vorlageantrag vom 15. Dezember 1986 zu verweisen, in welchem es wie folgt heißt:
"Aus den von der Berufungswerberin verwendeten Bestellformularen ergibt sich eindeutig eine Trennung in zwei Rechtsgeschäfte, die auch, was bereits im Auftragsformular zum Ausdruck gebracht wird, gesondert fakturiert werden (Warenrechnung und Dienstleistungsrechnung). Der Zustellauftrag an die X Ges.m.b.H. wird ausdrücklich (nur) dieser erteilt, was auch in einem unterschiedlichen Schriftbild und in einer unterschiedlichen Farbe des Auftragsformulares zum Ausdruck kommt. Dagegen, daß jemand, der einen Auftrag unterfertigt, nicht liest was er unterschreibt, ist niemand gefeit; daraus kann keinesfalls gleich ein mangelndes Rechtsfolgenbewußtsein des Bestellers abgeleitet werden, wenn es diesem ohne Schwierigkeiten möglich ist, sich von den Bedingungen, zu denen er kontrahiert und dem Partner, mit dem er kontrahieren will, zu überzeugen. 'Verkaufs- und Lieferbedingungen' sind auf der Rückseite der Auftragsformulare abgedruckt und dem Besteller daher leicht zugänglich. Auf der Vorderseite wird der Besteller noch zusätzlich darauf hingewiesen. Aus den 'Verkaufs- und Lieferbedingungen' ergibt sich zweifelsfrei, daß die Auslieferung durch eine 'dritte Firma' erfolgt. Eine noch deutlichere Trennung ist weder zivilrechtlich notwendig, noch wirtschaftlich geboten, noch im Geschäftsverkehr bei derartigen Auftragserteilungen üblich. Es wird daher kein Anbot 'lediglich fingiert', sondern mit Abschlußwillen erstellt. Dies kommt unter anderem auch dadurch zum Ausdruck, daß immer wieder Abnehmer erklären, mit der X Ges.m.b.H. keinen Transportvertrag schließen zu wollen, sondern mit einem anderen Transporteur. Auch die Selbstabholer schließen mit der X Ges.m.b.H. keinen Transportvertrag ab."
Aus den Beschwerdeausführungen ist eindeutig zu erkennen, daß die Beschwerdeführerin ihre Auffassung, ihre Kunden seien mit der GesmbH in unmittelbare Rechtsbeziehungen getreten, lediglich auf die Unterfertigung der ersten Seite des Bestellformulars stützt. Die Rechtsansicht ist aber unzutreffend, weil die GesmbH im Bestellformular bloß im Zusammenhang mit der RECHNUNGSAUSSTELLUNG bzw. im Zusammenhang mit der BERECHNUNG des vereinbarten Gesamtpreises erwähnt ist, nicht aber als Vertragspartner der bei der Beschwerdeführerin bestellenden Kunden. Die letzteren hätten daher aus den verwendeten Bestellformularen nicht entnehmen können, daß sie in Rechtsbeziehungen zur GesmbH treten. Die Beschwerdeführerin behauptet auch in ihrer Beschwerde weder, daß sie ihren Kunden gegenüber ALS BEVOLLMÄCHTIGTE der GesmbH aufgetreten sei, noch auch, daß sie ihre Kunden auf den von diesen nicht zu erwartenden Umstand aufmerksam gemacht habe, die letzte Durchschrift des Bestellformulars weise einen von der ersten Seite des Formulars abweichenden Inhalt auf.
Auf Grund des Gesagten ist davon auszugehen, daß es die Beschwerdeführerin gegenüber ihren Kunden SELBST übernommen hat, die bestellten Getränke (unter Zuhilfenahme der sodann von ihr beauftragten GesmbH) in Wien "frei Haus" zuzustellen. Da unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin ihre übernommenen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden in der Folge erfüllt hat, bleibt lediglich zu fragen, ob bei diesem Sachverhalt auch die weitere Schlußfolgerung gerechtfertigt ist, die Beschwerdeführerin habe die Getränke im Sinne des Wiener GetrStG an ihre Kunden in Wien abgegeben.
Hinsichtlich des Begriffes "Abgabe von Getränken an den Letztverbraucher" ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach darunter die Verschaffung einer den Verbrauch unmittelbar möglich machenden Verfügungsgewalt zu verstehen und als Ort der Abgabe somit jener Ort anzunehmen ist, an welchem dem Käufer die TATSÄCHLICHE Verfügungsgewalt über die Getränke eingeräumt wird. Der Ort der Abgabe ist immer nur der Ort, an dem sich die steuerpflichtigen Getränke im Zeitpunkt der Verschaffung der TATSÄCHLICHEN Verfügungsmacht (Verfügungsgewalt) durch den Verkäufer befinden, und nicht jener, an dem der Kaufvertrag abgeschlossen oder an dem ein Traditionspapier übergeben worden ist oder an dem der Verkäufer seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Auch die handelsrechtlichen bzw. bürgerlichrechtlichen Vorschriften über den Eigentums- oder Gefahrenübergang sind hiebei nicht von rechtlicher Bedeutung. Wenn ein Unternehmer Getränke durch einen Frachtführer (z.B. Eisenbahn, Post, Lastkraftwagenbeförderungsunternehmen) befördern oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgen läßt oder mit eigenen Transportmitteln zu den Käufern befördert, dann erlangen die Käufer die TATSÄCHLICHE Verfügungsmacht an dem Ort der AUSHÄNDIGUNG der Ware (= Abladeort) z.B. durch den Frachtführer bzw. der Übergabe eines Traditionspapieres (§§ 424, 450 HGB). Dieser Vorgang erfüllt die Tatbestandsmerkmale des § 1 Wiener GetrStG und ist daher steuerbar und, wenn keine Befreiungsvorschrift zum Tragen kommt, steuerpflichtig. Anders wäre die rechtliche Beurteilung, wenn der Käufer die Getränke selbst abholt oder durch einen Frachtführer abholen läßt, weil in diesen Fällen die "Abgabe" bereits mit der körperlichen Überreichung am Abholort bewirkt wird (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1978, Zlen. 2731/77 und 963/78).
Da im vorliegenden Beschwerdefall die GesmbH nach dem oben Gesagten nicht im Auftrag der Kunden der Beschwerdeführerin, sondern im Auftrag der letzteren tätig geworden ist, liegt nicht der zuletzt erwähnte Ausnahmefall, sondern der vorhin beschriebene Regelfall vor. Damit erweist sich aber das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, daß die Beschwerdeführerin Getränke an ihre Kunden in Wien abgegeben hat - ohn Rücksicht darauf, ob der von der belangten Behörde herangezogene Mißbrauchstatbestand erfüllt ist oder nicht -, als unbegründet.
2. ZUR HÖHE DER FESTGESETZTEN GETRÄNKESTEUER:
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Vorlageantrag vom 15. Dezember 1986 behauptet, die im erstinstanzlichen Abgabenbescheid "angeführten Ziffern der 1. Zwischensumme" seien unrichtig. Auch wenn man die Rechtsansicht des Magistrates zugrundelege, seien vielmehr für die Jahre 1980 bis 1985 von der Beschwerdeführerin in diesem Schreiben näher angeführte - niedrigere als von der Behörde erster Instanz zugrunde gelegte - Beträge richtig.
Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde unter Verletzung ihrer amtlichen Ermittlungspflicht weder im Berufungsverfahren noch im angefochtenen Bescheid auseinandergesetzt. Selbst wenn es zutreffen sollte, daß die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen von ihrer eigenen früheren Berechnung abgerückt ist, stellt das Unterbleiben einer Auseinandersetzung mit dem im Vorlageantrag enthaltenen Sachvorbringen der Beschwerdeführerin deswegen einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil nicht auszuschließen ist, daß bei Vermeidung dieses Fehlers ein im Spruch anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können.
3. ZUR FESTSETZUNGSVERJÄHRUNG FÜR BEMESSUNGSZEITRÄUME IM JAHR 1980:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht auch Streit darüber, ob das Ersuchen des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien an den Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg vom 15. Oktober 1985 eine taugliche Handlung zur Unterbrechung der Festsetzungsverjährung betreffend Getränkesteuer für Bemessungszeiträume im Jahre 1980 darstellt oder nicht.
§ 156 Abs. 1 WAO bestimmt, daß die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 51) von der Abgabenbehörde unternommene, und nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen wird. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 209 Abs. 1 BAO haben u.a. abgabenbehördliche Prüfungen, auch wenn ein Prüfungsauftrag nicht vorliegt, unterbrechende Wirkung (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 18. März 1987, Zl. 86/13/0165). Die bloße Ankündigung einer Unterbrechungshandlung genügt allerdings noch nicht. Unterbrechungswirkung kommt einer von der Abgabenbehörde unternommenen, nach außen erkennbaren Amtshandlung aber nur dann und insoweit zu, als die (zuständige) Abgabenbehörde einen BESTIMMTEN Abgabenanspruch verfolgt. Die Individualisierung der Person des Abgabenschuldners genügt nicht, wenn sich die Handlung der Abgabenbehörde nicht auf einen bestimmten Abgabenzeitraum und damit auf einen konkreten Abgabenanspruch bezieht.
Im Beschwerdefall betrifft das auf Erteilung einer Revisionsgenehmigung und damit auf die bloße Vorbereitung einer abgabenbehördlichen Prüfung gerichtete Ersuchen der Abgabenbehörde erster Instanz vom 15. Oktober 1985 zwar eindeutig u.a. die Beschwerdeführerin, aus dem Schreiben geht aber nicht hervor, FÜR WELCHEN ZEITRAUM eine Getränkesteuerprüfung erfolgen sollte. Eine von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung zur Durchbrechung des Laufes der Festsetzungsverjährung bei der GETRÄNKESTEUER KONKRET FÜR BEMESSUNGSZEITRÄUME IM JAHRE 1980 liegt daher schon aus diesem Grund nicht vor.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte erstinstanzliche Abgabenfestsetzung auch INSOWEIT als inhaltlich rechtswidrig, als sie Bemessungszeiträume im Jahre 1980 betrifft. Die Festsetzung der Getränkesteuer für solche Bemessungezeiträume ist aber nach dem Spruch des erstinstanzlichen, von der Berufungsbehörde übernommenen Abgabenbescheides UNTRENNBARER Teil einer Abgabenfestsetzung für den gesamten mehrjährigen Streitzeitraum. Dies hat zur Folge, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - die inhaltliche Rechtswidrigkeit geht der unter Punkt 2. festgestellten Verletzung von Verfahrensvorschriften vor - ZUR GÄNZE aufgehoben werden mußte.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (weswegen Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 nicht zur Anwendung kam) - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der eben zitierten Verordnung. Stempelgebührenersatz war nur für die zur Beschwerdeführung notwendigen Unterlagen zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989170183.X00Im RIS seit
23.05.1991Zuletzt aktualisiert am
10.08.2018