Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der N Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 10. Jänner 1990, Zl. Jv 6087 - 33a/89, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den vorgelegten Verwaltungs- und (zum Teil rekonstruierten) Gerichtsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Am 2. März 1988 war beim Landesgericht ... (in der Folge: LG) der mit "Drittschuldnerklage und Streitverkündung an Fritz H." bezeichnete Schriftsatz der als klagende Partei angeführten Beschwerdeführerin gegen die als beklagte Partei genannte Renate H. wegen S 295.228,62 s.A. - unter gleichzeitiger Entrichtung von Gerichtsgebühren in der Höhe von S 5.200 - eingelangt.
In diesem Schriftsatz hatte die Beschwerdeführerin insbesondere vorgebracht, sie führe gegen ihren Schuldner Fritz H. Exekution. In dem betreffenden Exekutionsverfahren sei die Fritz H. gegen Renate H. auf Grund vermögensrechtlicher Auseinandersetzung (Aufteilung der ehelichen Ersparnisse, des ehelichen Gebrauchsvermögens, der Ehewohnung, sowie sämtlicher Ansprüche gemäß §§ 81 ff EheG und §§ 98 ff ABGB) zustehende Forderung von S 300.000 - mehr oder weniger - gepfändet und bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung der Beschwerdeführerin an diese überwiesen worden. Renate H. habe zwar am 15. Februar 1988 die Drittschuldnererklärung abgegeben, jedoch zu Unrecht die Forderung bestritten, sich nicht zur Zahlung bereit erklärt, jedoch zugegeben, daß bezüglich der gepfändeten Forderung beim Bezirksgericht ... (in der Folge: BG) zu dg. AZ. 1 F 8/87 Ansprüche seitens Fritz H. geltend gemacht würden. Abgesehen von der Streitverkündigung hatte die Beschwerdeführerin abschließend die Fällung des ihrer Forderung entsprechenden Urteiles beantragt.
Das LG sprach mit Beschluß vom 31. März 1988 - in der Begründung u.a. unter Hinweis auf § 40a JN und mit der Bemerkung "Sofern hier die Pfändung und Überweisung überhaupt wirksam wurde (vgl. §§ 330, 291 EO)" - aus, über den angeführten Anspruch sei im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden; der streitige Rechtsweg sei unzulässig. Das LG sei unzuständig. Die Sache werde dem nicht offenbar unzuständigen BG überwiesen.
Das LG hatte zunächst weder eine Gleichschrift des erwähnten Schriftsatzes noch eine Ausfertigung seines Beschlusses vom 31. März 1988 zugestellt. Auf Ersuchen des BG vom 11. Jänner 1989 war Renate H. beides auf Veranlassung des LG am 2. Februar 1989 zugestellt worden.
Am 1. Juni 1989 war beim LG der mit Klagsrückziehung bezeichnete Schriftsatz der Beschwerdeführerin eingelangt. In diesem Schriftsatz hatte sie beantragt, die Klagsrückziehung zur Kenntnis zu nehmen und die entrichtete Pauschalgebühr von S 5.200 zur Gänze ihrem Vertreter zurückzuüberweisen, da infolge Überweisung der Rechtssache ins außerstreitige Verfahren keine Pauschalgebühr zu entrichten gewesen sei.
Im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (wie die Beschwerdeführerin vermeint) der zuletzt angeführte Rückzahlungsantrag - zur Gänze, zumindest zu 3/4 - begründet ist oder (dem angefochtenen Bescheid entsprechend) nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Anmerkung 1. zur TP 1 des nach § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs unterliegen der Pauschalgebühr nach dieser TP alle MITTELS KLAGE EINZULEITENDEN GERICHTLICHEN VERFAHREN in bürgerlichen Rechtssachen, Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Erkenntnisse der Börsenschiedsgerichte, Bestandverfahren und Verfahren über Beweissicherungsanträge. Die Pauschalgebühr ist ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob das Verfahren bis zum Ende durchgeführt wird.
Wird die Klage oder ein in den Anmerkungen 1. oder 2. zur TP 1 angeführter Antrag vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen, so ermäßigen sich auf Grund der Anmerkung 3 zu dieser TP die Pauschalgebühren auf ein Viertel. Das gleiche gilt auch, wenn die Klage oder der Antrag - ausgenommen den Fall einer Überweisung nach § 230a ZPO - von vornherein zurückgewiesen wird. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.
Für das Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse (§§ 81 bis 96 EheG) ist auf Grund der TP 12 F. lit. a Z. 1 des erwähnten Tarifs eine Pauschalgebühr in der Höhe von 580 S zu entrichten.
Für das Verfahren über die Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98 ABGB) ist gemäß TP 12 F. lit. b Z. 6 des angeführten Tarifs eine Pauschalgebühr in der Höhe von 280 S zu entrichten.
Nach Anmerkung 1. zur TP 12 sind die Pauschalgebühren dieser TP ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob der Antrag bewilligt, abgewiesen oder zurückgezogen wird.
Auf Grund der Anmerkung 3. zur TP 12 sind neben den Pauschalgebühren nach dieser TP keine weiteren Gebühren zu entrichten; dies gilt auch dann, wenn ein Rechtsmittel erhoben wird.
Gemäß § 28 GGG sind zahlungspflichtig:
1. bei Verfahren über die Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98 ABGB) derjenige, dem die Zahlung eines Abgeltungsbetrages auferlegt wird, wird der Antrag aber zur Gänze abgewiesen, der Antragsteller;
2. bei Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse (§§ 81 bis 86 EheG) beide Ehegatten;
...
7. in allen übrigen Fällen der Antragsteller.
Auf Grund des § 30 Abs. 1 GGG erlischt für den Fall, daß in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, die Gebührenpflicht, wenn sie durch eine nachfolgende Entscheidung berührt wird.
Gemäß § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde.
Nach § 30 Abs. 3 GGG hat der Kostenbeamte die Rückzahlung von Amts wegen oder auf Antrag der Partei, die die Gebühr entrichtet hat, zu verfügen. Hält der Kostenbeamte - wie im vorliegenden Fall - den Rückzahlungsanspruch nicht für begründet, dann entscheidet über ihn der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz - hier des LG - mit Bescheid. Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.
Auf Grund des § 30 Abs. 4 GGG erlischt der Anspruch auf Rückzahlung drei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Gebühr entrichtet wurde.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe z.B. dessen in gleicher Weise wie die in der Folge zitierte Rechtsprechung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführte Erkenntnis vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/16/0047, mit weiterem Hinweis) knüpft die Gerichtsgebührenpflicht bewußt an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden. Es geht auch nicht an, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen.
In Vollziehung des GGG und des GEG 1962 sind der Kostenbeamte und der ihm übergeordnete Gerichtshofpräsident an die Entscheidungen des GERICHTES gebundene JustizVERWALTUNGSorgane (siehe z.B. das Erkenntnis vom 12. Juli 1990, Zl. 90/16/0102, mit weiterem Hinweis).
In welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, richtet sich gemäß § 40a JN nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der Partei. Ist zweifelhaft, welches Verfahren anzuwenden ist, so hat das Gericht darüber zu entscheiden; dieser Beschluß ist selbständig anfechtbar.
Ausgehend von der bisher dargestellten Rechtslage können die - offensichtlich auf § 40a JN Bedacht nehmenden - Worte "mittels Klage einZUleitenden gerichtlichen Verfahren" in der zitierten Anmerkung 1. zur TP 1 auch unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Anknüpfung der Gerichtsgebührenpflicht an formelle äußere Tatbestände keineswegs ausdehnend, etwa im Sinn von "mittels Klage einGEleiteten gerichtlichen Verfahren" gelesen werden, zumal die zuletzt angeführte Gesetzesstelle nach dem von der Beschwerdeführerin zutreffend erwähnten - in der ÖStZB 1/1988, S. 22, veröffentlichten - Erkenntnis vom 7. Mai 1987, Zl. 86/16/0173, nicht auf den das betreffende Verfahren jeweils einleitenden Schriftsatz (Klage, Beweissicherungsantrag) abstellt, sondern auf das jeweilige Verfahren selbst.
Nach dem - auch den Präsidenten des LG bei der Entscheidung über den hier in Rede stehenden Rückzahlungsantrag bindenden - Beschluß des LG vom 31. März 1988 lag jedoch zweifellos kein "mittels Klage einZUleitendes gerichtliches Verfahren" vor.
Abgesehen davon, daß die nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes gebotene Auslegung der Worte "mittels Klage einZUleitende gerichtliche Verfahren" den zweiten Satz der oben angeführten Anmerkung 3. zur TP 1 nicht inhaltsleer macht, liegt im vorliegenden Fall auf Grund vorstehender Ausführungen auch keineswegs die Zustellung einer Klage oder deren Zurückziehung vor.
Aus den dargelegten Erwägungen ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990160035.X00Im RIS seit
24.10.2001