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32/06 Verkehrsteuern;Norm
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Renate K in W, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien VIII, Piaristengasse 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. September 1990, GZ. GA 11-1203/90, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Beschwerdeführerin am 12. Jänner 1982 um Aufnahme in den Verein Kleingarten-Kolonie M in W als ordentliches Mitglied und um Zuteilung der 404 m2 großen Parzelle Nr. 24 in "Subpacht" ersucht. Für die Übertragung dieser Parzelle mit dem darauf befindlichen Gartenhaus hatte die Beschwerdeführerin einen Betrag in Höhe von insgesamt 500.000 S gezahlt.
Mit Bescheid vom 9. August 1983 hatte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien für den oben dargestellten Erwerbsvorgang, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 240.000 S (Gartenhaus 190.000 S, Lichtanlage 30.000 S und Wasserleitung 20.000 S) 8 Prozent Grunderwerbsteuer mit einem Betrag von 19.200 S gegenüber der Beschwerdeführerin festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid hatte die Beschwerdeführerin am 8. September 1983 das Rechtsmittel der Berufung erhoben und mit der Begründung, sie hätte in das Gartenhaus eine vom Vorraum getrennte Dusche und eine Toilette ein- sowie das Dachgeschoß ausgebaut, wodurch es zur Verdoppelung des nutzbaren Wohnraumes auf 52 m2 gekommen sei, die Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG (Schaffung einer Arbeiterwohnstätte) beantragt. Darüber hinaus hatte sie ausgeführt, daß eine weitere bauliche Veränderung (Zubau von 10 m x 10 m) geplant sei.
Dieser Berufung war mit der in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheitung des genannten Finanzamtes vom 4. November 1983 antragsgemäß stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben worden. Unter einem war ausgesprochen worden, daß die Überprüfung der bedingt gewährten Steuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG vorbehalten bleibe.
In der Folge setzte das genannte Finanzamt für den gegenständlichen Erwerbsvorgang unter Berufung auf § 4 Abs. 2 GrEStG wegen Nichterfüllung des steuerbegünstigten Zweckes (Nichterbauung des Hauses innerhalb von acht Jahren ab Erwerb) mit Bescheid vom 19. Dezember 1989 neuerlich gegenüber der Beschwerdeführerin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 285.000 S (Gartenhaus 190.000 S, Wasserleitung 20.000 S, Brunnen 25.000 S und Inventar 50.000 S) Grunderwerbsteuer in Höhe von 22.800 S fest.
Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Abgabenbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 17. September 1990 der Berufung der Beschwerdeführerin, in der sie die Abgabenschuld dem Grunde nach bekämpfte, weil sie, wie bereits in ihrer Berufung vom 8. September 1983 ausgeführt, das streitverfangene Sommerhaus durch "Um- bzw. Aufbau" von 24 m2 auf 55 m2 vergrößert und solcherart eine ganzjährig bewohnbare Arbeiterwohnstätte geschaffen habe, keine Folge. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2
lit. a GrEStG sei beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen. Nach der Zielsetzung dieser Befreiungsvorschrift komme es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 29. Jänner 1981, Zl. 16/1016/80, und die darin dargestellte weitere Judikatur) darauf an, zur Befriedigung des dauernden Wohnbedürfnisses der weniger vermögenden Bevölkerungskreise Wohnmöglichkeiten bestimmten Typs zu fördern. Bei der Beurteilung, ob es sich im Einzelfall um eine "Arbeiterwohnstätte" handle, könne nicht darauf abgestellt werden, ob eine derartige Verwendung möglich oder schlechthin unmöglich sei, sondern vielmehr darauf, ob eine solche Verwendung nach dem gesamten Erscheinungsbild typisch sei. Deute etwa schon die Lage des Gebäudes darauf hin, daß dieses vorwiegend zur Erholung und nicht zur dauernden Befriedigung des Wohnbedürfnisses bestimmt sei, dann fehle dem Objekt schon aus diesem Grunde der Charakter einer Arbeiterwohnstätte. Im Beschwerdefall sei zwar die Umwidmung der Anlage von einem Kleingartenverein in eine "Gartensiedlung" beschlossen worden, wobei die zulässige Verbauung aber mit 60 m2 limitiert worden sei. Häuser in einer Kleingartenanlage, die ein Nutzflächemaß von 60 m2 nicht überschreiten dürften, ließen eindeutig darauf schließen, daß sie nicht der Deckung des ganzjährigen Wohnbedürfnisses dienen, sondern überwiegend als Aufenthalt während des Wochenendes, des Urlaubs oder sonst auch nur zeitweilig als Zweitwohnung benützt werden sollten. Daß die Häuser nicht einmal ganzjährig benützbar sein könnten, gehe aus einem Rundschreiben vom Oktober 1989 hervor, wonach der Sommerwasserbezug mit 6. November 1989 beendet werde und die Müllgefäße am 4. November 1989 letztmalig entleert würden. Bei dem streitverfangenen Objekt handle es sich offensichtlich um ein Sommerhaus - wie die Beschwerdeführerin dies auch selbst benenne -, für welches das Grunderwerbsteuergesetz keine Befreiungsbestimmung vorsehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Gerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichtentrichtung der Grunderwerbsteuer infolge Befreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit im Einklang mit ihrem Vorbringen im Administrativverfahren vor, weder die Lage, noch die Größe nähmen dem streitverfangenen Haus den Charakter einer Arbeiterwohnstätte. Vielmehr sei die Nutzfläche von rund 60 m2 geeignet, das Wohnbedürfnis eines Durchschnittsarbeiters vollständig zu befriedigen.
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955, das gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 auf den vorliegenden Fall noch anzuwenden ist, unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstückes begründet. Nach der Anordnung des Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle unterliegen ihr aber auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruches auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Im Grunde des § 2 Abs. 2 Z. 2 GrEStG 1955 stehen den Grundstücken iS dieses Gesetzes Gebäude auf fremdem Boden gleich. Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. ist beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen. Diese Befreiungsvorschrift gilt auch für die Schaffung bloß einer Arbeiterwohnstätte, somit auch eines Einfamilienhauses.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß es sich bei Arbeiterwohnstätten um Wohnungen handelt, die nach ihrer Lage und Größe geeignet sind, einem dauernden Wohnbedürfnis eines Durchschnittsarbeiters (das ist der zugleich arbeits- und sparsame sowie bauwillige Mensch, dessen Ehegatte oder Lebensgefährte im Regelfall selbst durchschnittlich verdienende Erwerbstätige sind) zu dienen und die sich ein Durchschnittsarbeiter auch leisten kann. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof im Sinne der hier gebotenen objektiven Betrachtungsweise auch auf die Wohnbedürfnisse bzw. Leistungsfähigkeit einer Familie abgestellt sowie ausgesprochen, daß Räumlichkeiten geringer Größe zur dauernden Befriedigung des Wohnbedürfnisses eines Durchschnittsarbeiters oder einer Arbeiterfamilie nicht geeignet sind, und ausdrücklich auch eine Garconniere von 41 m2 reiner Wohnfläche ihrer Größe nach als UNTERdurchschnittlich bezeichnet (siehe das Erkenntnis vom 20. September 1984, Zlen. 83/16/0126, 0138, und die darin zitierten Erkenntnisse).
Eine Arbeiterwohnstätte ist dann geschaffen, wenn die baulichen Arbeiten an ihr beendet sind und die Wohnstätte benützbar bzw. ihrem Zweck entsprechend bewohnbar fertiggestellt ist. Im allgemeinen werden diese Voraussetzungen für die einzelne(n) Wohnung(en) und zugleich für das Haus, in dem diese liegt (liegen), zutreffen oder fehlen. Doch kann sich auch in einem nicht gänzlich ausgebauten Haus eine (fristgerecht) geschaffene Arbeiterwohnstätte befinden. Unter einer Wohnung versteht man einen in sich abgeschlossenen Teil des Gebäudes, der der Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Wohnungsinhabers und seiner Familie im weitesten Sinne zu dienen bestimmt ist. Das Wohnbedürfnis umfaßt den Aufenthalt in den Wohnräumen, das Schlafen, Kochen und Essen, die Möglichkeit der Unterbringung und Aufbewahrung von Kleidung, Wäsche usw. Die Erfüllung des Wohnbedürfnisses in bestimmten Räumen macht diese aber erst dann zu einer Wohnung, wenn dies ohne ungewollte Beeinträchtigung durch familienfremde Personen möglich ist.
Nach der Zielsetzung der in Streit stehenden Befreiungsvorschrift kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 1981, Zl. 16/1016/80, und die dort zitierte Rechtsprechung) darauf an, zur Befriedigung des DAUERNDEN Wohnbedürfnisses der weniger vermögenden Bevölkerungskreise Wohnmöglichkeiten bestimmten Typs zu fördern; es kann daher die Beurteilung, ob es sich im Einzelfall um eine "Arbeiterwohnstätte" handelt, nicht darauf abgestellt werden, ob eine derartige Verwendung möglich oder schlechthin unmöglich ist, sondern vielmehr darauf, ob eine solche Verwendung nach dem gesamten Erscheinungsbild typisch ist.
Die von der belangten Behörde getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen nicht hin, um die von ihr daraus gezogene Schlußfolgerung, bei dem streitverfangenen Objekt handle es sich offensichtlich um ein Sommerhaus, für welches das Grunderwerbsteuergesetz 1955 keine Befreiungsbestimmung vorsehe, zu stützen. Der Umstand, daß sich das streitverfangene Haus in einer Kleingartenanlage befindet, wo ein Nutzflächenausmaß von 60 m2 nicht überschritten werden darf, steht der von der Beschwerdeführerin angestrebten Steuerbefreiung grundsätzlich nicht entgegen. Es reicht aber auch die weitere Feststellung, aus dem Rundschreiben vom Oktober 1989, dem entnommen werden könne, daß der SOMMERwasserbezug mit 6. November 1989 beendet werde und die Müllgefäße am 4. November 1989 letzmalig entleert werden, folge, daß das streitverfangene Haus nicht ganzjährig benützbar sein könne, nicht aus, um die Annahme der belangten Behörde zu tragen. Dies deshalb, weil die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Berufung vom 17. Jänner 1990 dargelegt hat, daß das streitverfangene Haus "seit 1983 winterfest gedämmt und mit einer Winterwasserleitung an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen ist".
Es wäre daher die weitere Feststellung erforderlich, daß diese Berufungsausführungen unrichtig sind und das streitverfangene Haus mangels Wassers im Winter nicht geeignet sei, das dauernde Wohnbedürfnis eines Durchschnittsarbeiters oder einer Arbeiterfamilie zu befriedigen.
Unter diesem Gesichtspunkt bedarf der vorliegende Fall aus materiell rechtlichen Gründen der weiteren Aufklärung. Der von der belangten Behörde für entscheidend erklärte Umstand, daß das Haus der Beschwerdeführerin ein "Sommerhaus" darstelle, rechtfertigt für sich allein nicht die Folgerung, daß es sich nicht um eine steuerbefreite Arbeiterwohnstätte handelt.
Dies wurde von der belangten Behörde unberücksichtigt gelassen und daher in Verkennung der Rechtslage dem betreffenden Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin zu Unrecht die Beachtlichkeit versagt. Folge dieser unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde war es, daß diese die zu einer einwandfreien rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen unterließ.
Der angefochtene Bescheid mußte deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991160006.X00Im RIS seit
14.11.2001Zuletzt aktualisiert am
21.12.2009