Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20. April 1990, Jv 1941 - 33a/90, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Am 3. Juni 1987 war beim Bezirksgericht D. ... (in der Folge: BG) die auf § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO gegründete Wiederaufnahmsklage der (in der Folge auch als Klägerin bezeichneten) Beschwerdeführerin eingelangt.
In der angeführten Rechtssache hat der OGH mit Beschluß vom
20. September 1989, AZ. 1 Ob 619/89, die ALS REVISIONSREKURS ZU
WERTENDE REVISION der Klägerin gegen das Urteil des
Landesgerichtes ... (in der Folge: LG) als Berufungsgericht vom
14. März 1989, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil
des BG vom 31. März 1988 bestätigt worden war, zurückgewiesen,
und zwar u.a. mit nachstehend zitierter Begründung:
"... Die Vorinstanzen haben das Wiederaufnahmebegehren
übereinstimmend im Sinn der Abweisung mit Urteil sachlich erledigt, der Sache nach jedoch das Vorliegen eines gesetzlichen Wiederaufnahmsgrundes verneint ...
Die vom Erstgericht gegebene Eventualbegründung (Entstehen der neuen Tatsachen nach Schluß der Verhandlung erster Instanz im Vorprozeß) trägt daher IN WAHRHEIT als Hauptbegründung DIE
RICHTIGERWEISE IN BESCHLUSZFORM ZU ERGEHENDE ZURÜCKWEISUNG DER
WIEDERAUFNAHMSKLAGE. Auch das Berufungsgericht, das sich nur mit der Frage beschäftigte, wann die von der Klägerin behaupteten neuen Tatsachen entstanden sind, vertrat die Rechtsansicht, daß es sich bei dem von der Klägerin behaupteten Jahreseinkommen des Beklagten für das Jahr 1984 um eine solche erst nach Schluß der Verhandlung erster Instanz im Vorprozeß entstandene Tatsache gehandelt hat. Hat DAS ERSTGERICHT die Klage dennoch mit Urteil abgewiesen, so HAT es SICH hiebei IN
DER ENTSCHEIDUNGSFORM VERGRIFFEN. DIESES VERSEHEN KONNTE DER
KLÄGERIN KEIN BERUFUNGSRECHT ERÖFFNEN. Ihre BERUFUNG WÄRE VOM GERICHT ZWEITER INSTANZ vielmehr ALS REKURS ZU BEHANDELN GEWESEN ... Nach seiner Rechtsansicht hätte es dem ALS REKURS
ZU BEHANDELNDEN RECHTSMITTEL DER KLÄGERIN IN BESCHLUSZFORM DEN
ERFOLG VERSAGEN und die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigen müssen. HABEN SICH BEIDE INSTANZEN SOMIT IN DER ENTSCHEIDUNGSFORM VERGRIFFEN und mit Urteil erkannt, ist dennoch DIE ZULÄSSIGKEIT DES RECHTSMITTELS UND SEINE BEHANDLUNG AN DER WAHREN VERFAHRENSLAGE ZU MESSEN und gemäß § 84 ZPO die richtige Entscheidungsform der Erledigung zugrunde zulegen ... DIE REVISION DER KLÄGERIN IST DAHER ALS REVISIONSREKURS zu behandeln und damit ein gemäß § 528 Abs. 1 Z. 1 ZPO
UNZULÄSSIGES RECHTSMITTEL GEGEN EINE DEN ERSTINSTANZLICHEN
BESCHLUSZ BESTÄTIGENDE ENTSCHEIDUNG DES REKURSGERICHTES
zurückzuweisen ..."
Im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (wie die Beschwerdeführerin vermeint) ihr am 30. November 1989 beim BG eingelangter Antrag auf Rückzahlung der von ihr jeweils mit der Überreichung der erwähnten Berufung und der angeführten Revision - diese Rechtsmittel seien in Wahrheit als Rekurs und Revisionsrekurs gebührenfrei - durch Verwendung von Gerichtskostenmarken entrichteten Gerichtsgebühren berechtigt ist oder (im Sinn des angefochtenen, im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheides des - in der Folge als belangte Behörde bezeichneten - Präsidenten des LG) nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Z. 1 GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, hinsichtlich der Pauschalgebühren begründet
a) für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage oder ...
c) für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift.
Ist im GGG nichts anderes bestimmt, erlischt nach § 30 Abs. 1 GGG die Gebührenpflicht, wenn sie durch eine nachfolgende Entscheidung berührt wird.
Auf Grund des § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde.
Gemäß § 30 Abs. 3 GGG hat der Kostenbeamte die Rückzahlung von Amts wegen oder auf Antrag der Partei, die die Gebühr entrichtet hat, zu verfügen. Hält der Kostenbeamte - wie im vorliegenden Fall - den Rückzahlungsanspruch nicht für begründet, dann entscheidet über den Rückzahlungsantrag der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz mit Bescheid. Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.
Nach § 30 Abs. 4 GGG erlischt der Anspruch auf Rückzahlung drei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Gebühr entrichtet wurde.
Der Pauschalgebühr nach TP 1 des gemäß § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs unterliegen auf Grund der Anmerkung 1. zu dieser TP alle MITTELS KLAGE EINZULEITENDEN VERFAHREN in bürgerlichen Rechtssachen, ...
Der Pauschalgebühr nach TP 2 dieses Tarifs unterliegen gemäß der Anmerkung 1. zu dieser TP folgende RECHTSMITTELVERFAHREN: BERUFUNGSVERFAHREN, (im vorliegenden Fall keineswegs in Betracht kommende) Verfahren über Rekurse gegen Endbeschlüsse in Besitzstörungsverfahren (§ 459 ZPO) und gegen Beschlüsse, mit denen über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Erkenntnisse der Börsenschiedsgerichte (Artikel XXIII EGZPO) entschieden wird.
Der Pauschalgebühr nach TP 3 dieses Tarifs unterliegen auf Grund der Anmerkung 1. zu dieser TP REVISIONSVERFAHREN und Verfahren über (im vorliegenden Fall keineswegs in Betracht kommende) Rekurse nach § 519 Abs. 1 Z. 3 ZPO.
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß die Gerichtsgebührenpflicht grundsätzlich bewußt an formale äußere Tatbestände anknüpft, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prizip nicht gerecht werden. Es geht auch nicht an, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen (siehe aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes z.B. dessen in gleicher Weise wie die in der Folge zitierte Rechtsprechung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführtes Erkenntnis vom 24. Mai 1991, Zl. 90/16/0035, mit weiterem Hinweis).
In Vollziehung des GGG und des GEG 1962 sind aber der Kostenbeamte und der ihm übergeordnete Gerichtshofpräsident an die Entscheidungen des GERICHTES gebundene JustizVERWALTUNGsorgane (siehe auch diesbezüglich das bereits zitierte Erkenntnis, und zwar in dem nunmehrigen Zusammenhang ebenfalls mit weiterem Hinweis).
Ganz abgesehen davon, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall also an die oben zitierte Rechtsansicht des OGH, wonach die Zulässigkeit des Rechtsmittels und seine Behandlung an der wahren Verfahrenslage gemessen (d.h. in Wahrheit schon mangels einer Berufung und einer Revision WEDER ein BERUFUNGS- NOCH ein REVISIONSVERFAHREN durchgeführt) worden ist, gebunden war (was die belangte Behörde bei den Hinweisen in ihrer Gegenschrift auf ihre Bindung als Justizverwaltungsorgan an die Entscheidung des Gerichtes und das - einen mit dem vorliegenden keineswegs vergleichbaren Fall betreffende - Erkenntnis vom 4. Juni 1958, Zl. 1192/57, zu übersehen scheint), hat der Verwaltungsgerichtshof schon im Geltungsbereich des GJGebGes 1962 einen überspitzten Formalismus abgelehnt und u.a. folgendes dargetan:
Bei der Beantwortung der Frage, ob eine in einem Rechtsstreite vorgelegte Schrift eine Eingabe oder eine Beilage ist, kommt es nicht so sehr auf die Form als auf den Inhalt an (Erkenntnis vom 15. Februar 1966, Zl. 953/65, Slg. Nr. 3410/F).
Der damalige Beschwerdeführer hat zwar seine Eingabe als "Rekurs" bezeichnet, doch ist die Bezeichnung allein nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes für die Ermittlung der richtigen TP nicht maßgebend, da die Höhe der Gebühr für Eingaben in diesem Tarif offenkundigerweise einerseits nach dem Arbeitsaufwand des Gerichtes abgestuft ist, hiefür aber nur der Weg und das Ziel der Eingabe entscheidend sind. Von den die Zwangsversteigerung von Liegenschaften regelnden Bestimmungen aus betrachtet, kann die Eingabe des Beschwerdeführers nicht als Rekurs angesehen werden, weil im Falle der Einwendungen nach der Realschätzungsordnung ein Rekurs erst gegen den endgültigen Beschluß erhoben werden kann (Erkenntnis vom 6. November 1970, Zl. 1142/70, ÖStZB 9/1971, S. 107).
Im Geltungsbereich des GGG hat der Verwaltungsgerichtshof zur oben zitierten Anmerkung 1. zur TP 1 des erwähnten Tarifs schon in seinem Erkenntnis vom 7. Mai 1987, Zl. 86/16/0173, ÖStZB 1/1988, S. 22, unter ausdrücklicher Bedachtnahme auf den eingangs angeführten § 2 Z. 1 lit. a GGG dargetan, daß diese Anmerkung 1. nicht auf den das betreffende Verfahren jeweils einleitenden Schriftsatz (Klage ...) abstellt, sondern auf das jeweilige VERFAHREN selbst. Die in diesem Erkenntnis angestellten Überlegungen müssen auch unter Berücksichtigung des einleitend dargestellten § 2 Z. 1 lit. c GGG erst recht für die in den oben zitierten Anmerkungen 1. zur TP 2 und 3 gebrauchten - dort allein maßgebenden - Begriffe "Berufungsverfahren" und "Revisionsverfahren" gelten. In diesem Sinn hat es der Verwaltungsgerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom 20. April 1989, Zl. 88/16/0034,
ÖStZB 23/24/1989, S. 477, ausdrücklich als richtig bezeichnet, daß nach dem durch das GGG eingeführten System der Pauschalgebühren letztere grundsätzlich nicht mehr für einzelne Schriftsätze etc., sondern für das gesamte VERFAHREN, im Falle der TP 2 für das gesamte Rechtsmittel(Berufungs-)verfahren zu entrichten sind.
Wenn sich die belangte Behörde sowohl in der Begründung des angefochtenen Bescheides als auch in der von ihr erstatteten Gegenschrift auf das zuletzt zitierte Erkenntnis für ihre eingangs erwähnte Rechtsauffassung zu stützen versucht, dann scheint sie folgendes zu übersehen:
In dem damaligen Beschwerdefall lagen TATSÄCHLICH ein VersäumungsURTEIL und eine dagegen eingebrachte NichtigkeitsBERUFUNG vor. Diese war durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Klagebeantwortung gegenstandslos geworden und die Gerichtsgebührenpflicht war auf Grund des letzten Satzes der Anmerkung 3. zur TP 2 des zitierten Tarifs nicht erloschen, weil ÜBER DAS RECHTSMITTEL nicht entschieden wurde. Im vorliegenden Fall wurde aber ÜBER DAS RECHTSMITTEL "Berufung" (= Rekurs) entschieden und die "Revision" (= Revisionsrekurs) zurückgewiesen.
Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits wiederholt zitierten Erkenntnis vom 24. Mai 1991 die Worte "mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren" in der Anmerkung 1. zur TP 1 des zitierten Tarifs auch unter Bedachtnahme auf die grundsätzliche Anknüpfung der Gerichtsgebührenpflicht an formale äußere Tatbestände nicht ausdehnend, etwa im Sinn von "mittels Klage einGEleiteten gerichtlichen Verfahren" ausgelegt, und damit die Gerichtsgebührenfreiheit für das über einen nach (mit - die betreffenden Justizverwaltungsorgane bindenden - Beschluß zum Ausdruck gebrachter) Auffassung des LG zu Unrecht mit "Klage" geltend gemachten, im Verfahren außer Streitsachen zu entscheidenden Anspruch durchgeführte Verfahren bis zur Beschlußfassung gemäß § 40a JN bejaht.
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, daß die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Rechtslage verkannte, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben ist.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Vebindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Das Kostenmehrbegehren ist abzuweisen, weil die Vorlage einer - offensichtlich für die belangte Behörde gedacht gewesenen - dritten Bescheidausfertigung nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990160100.X00Im RIS seit
26.11.2001Zuletzt aktualisiert am
14.09.2009